Seine Unheiligkeit Papst Johannes Paul II.
Onet.pl, 10.3.2023
Bisher gab es keine Beweise dafür, dass Wojtyla/Johannes Paul II. über den Missbrauch von Priestern Bescheid wusste. Seine Verteidiger meinten, er wäre zu alt, man hätte solche Sachen von ihm ferngehalten… Nun gibt es aber genügend Beweise, dass Wojtyla schon in seiner Zeit in Krakau Missbrauch vertuscht hat. Sein größter Unterstützer, ja geistiger Vater während seine Ausbildung zum Priester 1944, Kardinal Sapieha, war homosexuell, hatte sein Schlafzimmer neben zwei Schlafsälen von Seminaristen, die er sich in sein Bett holte.
Am Montag, dem 6.März, strahlte der Sender TVN24 einen Bericht des Autors Maciej Gutkowski "Franciszkanska 3" – das ist die Adresse des Bischofs von Krakau – aus, in dem er anhand von Akten des Geheimdienstes Spuren nachging, weil seitens der Kirche kein Einblick gewährt wurde. Leute der Kirche und Zeugen belegen, dass Karol Wojtyla in seiner Amtszeit als Bischof von Krakau Fälle von Missbrauch vertuscht hat. TVN gehört Amerikanern, deshalb wurde der US-Botschafter einbestellt und das nicht zum ersten Mal, denn TVN bringt immer wieder kritische Dokumentationen, die der PiS nicht gefallen.
Am 8.März erschien das Buch des niederländischen Journalisten und Autors Ekke Overbeek, „Maxima culpa. Jan Pawe? II wiedzial" (JP II wusste Bescheid). Auszüge erschienen bereits vorher auf der Internetseite OKO.press.pl. Anhand von Akten des Staatssicherheitsdienstes recherchierte der Autor, der übrigens sehr gut polnisch spricht, vor Ort und befragte die Einwohner und Betroffenen.
Die Akten des Geheimdienste dienten der Orientierung, um vor Ort Betroffene und Bewohner zu finden. Dabei kamen sie auch in Kontakt mit befreundeten Personen des Papstes, die aussagten, ihm über Missbrauch berichtet zu haben. Der Papst hat es sich , und das einzige was er sagte: „Betet mal." Das hatte er auch einem Opfer gesagt, dieser bekam aber noch einen Rosenkranz in die Hand gedrückt.
Johannes Paul II in den Fängen der politischen Absurditäten
Dann gab es deswegen eine Sitzung des Polnischen Parlaments. Die Präsidentin des Sejm eröffnete die Sitzung mit den Worten: „Die Erben der Kommunisten wollen das Andenken von Johannes Paul II vernichten.“ Dies kann wohl der Auftakt zum Höhepunkt der Wahlkampagne werden. Die Parlamentarier der PiS halten während der Sitzung alle ein Foto von JP II. in den Händen.
- Der Sejm verabschiedet eine Resolution, um das Ansehen von JPII nicht zu beschädigen
- Resolution zur Heiligkeit von JP II. – der Sejm verteidigt den guten Namen von Johannes Paul II. mit einer Resolution,
- das Außenministerium bestellt den US-Botschafter ein, um ihn über das "ungerechte" Material auf TVN zu belehren,
- der Präsident strahlt seinen Palast mit einem großen Papstporträt an;
- der Premierminister donnert auf einer Pressekonferenz....
"Kaczynski verteidigt den Papst"
onet.pl, 13.3.2023
Nach dem TVN24-Bericht, der Johannes Paul II. für die Duldung von Pädophilen in Soutanen verantwortlich machte, hat das Lager der Regierenden neuen politischen Treibstoff erhalten. Der Vorsitzende hat beschlossen, die Verteidigung von JPII zum neuen Wahlkampfdogma der Partei Recht und Gerechtigkeit zu machen.
Die Mobilisierung der Wählerschaft ist das Ziel. Die Reaktion auf den Bericht "ist eine bewusste Operation der PiS, um die Berichte von TVN24 aufzublasen, sie zu verzerren und zu diskreditieren, um die eigene Wählerschaft maximal zu mobilisieren. Die PiS-Wähler, die von den Kosten erdrückt werden und von den Skandalen angewidert sind, könnten im Herbst zu Hause bleiben – das ist die größte Gefahr für Kaczynski".
Ekke Overbeek in Polen in Gefahr Polityka, 10.3.2023
Wie die Polityka am 10.März berichtet, haben die Verleger von Overbeeks Buch „Maxima culpa” die für den 13.März vorgesehene Buchlesung und Diskussion im Zentrum Krakaus abgesagt. Sie fürchten um die Sicherheit des Autors und der zahlreichen Teilnehmer. Viele Krakauer wollten zu dieser Veranstaltung, weil die Ausstrahlung der Reportage von Gutkowski ein großes Interesse hervorgerufen hat.
Die Reaktion der Polnischen Bischofskonferenz
Newsweek, 13.3.2023
ist recht verhalten, dies bestätigt die erste Reaktion des Episkopats auf den Film, die vom Sprecher Pater Leszek Gesiak SJ bekanntgegeben wurde. Er fügte hinzu, dass der veröffentlichte Text von Pater Adam Zak SJ und Pater Piotr Studnicki verfasst wurde, d.h. von Personen, welche die der polnischen Bischofskonferenz unterstellten Institutionen vertreten, die für das von der Kirche in Polen aufgebaute System zum Schutz von Minderjährigen und Schutzbedürftigen sowie für die Hilfe für Opfer von sexuellem Missbrauch verantwortlich sind.
Die Verfasser der Erklärung stellen nüchtern fest, dass "wir heute zweifellos ein viel größeres gesellschaftliches Bewusstsein für die Folgen des sexuellen Missbrauchs haben, und in der Kirche haben wir Verfahren und Wege entwickelt, um zu reagieren und zu helfen". Die entscheidenden Worte kommen jedoch am Ende, wenn die Bischöfe nicht die Absicht haben, die Überbringer der schlechten Nachricht zu steinigen, sondern erklären, was in einer solchen Situation offensichtlich ist: "Die Ermittlung über die Rolle und eine faire Bewertung der Entscheidungen und Handlungen des Ordinarius der Erzdiözese Krakau, Karol Wojtyla, sowie eine ehrliche Erklärung der Anschuldigungen gegen Kardinal Adam Sapieha erfordern weitere Nachforschungen im Archiv."
Spezialist von Heiligsprechungen wurde Bischof Przeglad, 6.3.2023
Neuer Bischof von Gliwice wurde Slawomir Oder. Nach dem Studium in Rom hat er dort im Vatikan gearbeitet. Sprungbrett zur Beförderung wurde seine Aufgabe als Postulator zur Heiligsprechung von Karol Wojtyla alias JP II. Er zeigte sich dem gewachsen und war schnell. Nicht nur das. Als nächstes nahm er sich die Eltern von Karol Wojtyla vor, seit 2020 führt er für sie den Prozess zur Heiligsprechung. Damit nicht genug, jetzt hat er sich auch den Bruder Edmund des Großen Heiligen Papstes JP II vorgenommen, auch er soll heilig werden. Solche Verdienste müssen natürlich belohnt werden. An der Bischofsweihe am 11.März sollen der scheidende Nuntius in Polen, Kardinal Dziwisz und andere Experten im Vertuschen von Missbrauch in der Kirche teilnehmen.
Gläubige dort nimmt es schon ganz schön mit, sie gehen davon aus, dass er bald nach Krakau geht. Ihre Kinder interessiert das gar nicht, weder was die Bischöfe tun, noch was sie sagen. Aber der Chor der Technischen Hochschule Gliwice soll sehr schön gesungen haben, wenigstens etwas – sagen die Eltern.
Und die Heranwachsenden erfinden Witze # 2137 – das ist die Zeit des Todes von JP II, oder singen sein Lieblingslied Barka, das ein Kinderschänder komponiert hat.
In der Kirche protestiert, jetzt freigesprochen
OKO.press, 13.3.2023
Am 25.Oktober 2020 stellten sich junge Leute in der Kathedrale von Poznan während des Gottesdienstes vor den Altar, schweigend hielten sie Transparente mit der Aufschrift „Schwangerschaftsabbruch ist keine Sünde“, „Wir sind hier für euch praktizierende Schwestern“, „Ihr habt Blut an den Händen!“ Dann warfen sie Flugblätter in die Menge und klatschten. Damit protestierten sie gegen den Erzbischof Gadecki, der die drakonische Verschärfung des Abtreibungsparagrafen unterstützte.
„Das Urteil bestätigt und verteidigt das Recht, am richtigen Ort und zur richtigen Zeit zu protestieren. Die Kirche war der richtige Ort. Das Gericht stellte fest, dass das Verhalten der Demonstranten nicht böswillig war, dass sie nicht die Absicht hatten, jemandem zu schaden."
„Ich bin in die Kirche gegangen um zu protestieren, weil dies nicht das erste Mal ist, dass die Kirche in das Leben von Menschen eingreift, die nicht mit der Kirche verbunden sind. Wir als queere oder LGBT+-Menschen spüren das schon seit Jahren. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts hatte ich das Gefühl, dass der Kelch der Bitterkeit übergelaufen war. Durch Mundpropaganda kursierte in der Stadt die Nachricht von einem Protest in der Kathedrale, also ging ich mit Freunden dorthin. Der Protest musste in der Kirche stattfinden.“
Das Gericht betonte, dass der unpolitische Charakter der Kirche in Polen eine Fiktion ist. Es ist nicht das erste Mal, dass sie zu einem Ort geworden ist, in dem eine politische Versammlung stattfindet. Der Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche existiert in Polen nicht.
Verfassungsgericht legt sich lahm OKO.press, 8.3.2023
In der vergangenen Woche haben wir festgestellt, dass das Verfassungstribunal zu einer der perfektesten Metaphern für die Herrschaft von Recht und Gerechtigkeit geworden ist und gleichzeitig die Verkörperung des Witzes über den Polen, der eine Kugel verloren und eine andere kaputt gemacht hat. Die Beauftragten der Partei Recht und Gerechtigkeit führen einen Krieg mit sich selbst und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie damit aufhören werden.
Wie wir uns erinnern, hat die PiS ihr gesamtes politisches Kapital in den Sprung auf das Verfassungsgericht 2016 investiert: Sie riskierte Demonstrationen von vielen Tausenden, den Aufstieg einer organisierten zivilen Opposition gegen ihre Herrschaft und nicht zuletzt die Verschlechterung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union. All dies, damit das Gericht, wie Jaros?aw Kaczynski damals sagte, nicht "alle reformistischen Aktivitäten" von Recht und Gerechtigkeit aufhalten würde.
Das damalige Narrativ der Behörden lautete: Wir übernehmen das Verfassungsgericht, damit es das Programm 500+ und die Herabsetzung des Rentenalters nicht in Frage stellt. Die zugrunde liegende Argumentation war gelinde gesagt zweifelhaft, da die Voraussetzungen für die Verwirklichung eines solchen Szenarios äußerst dürftig waren.
Jetzt meint die Verfassungsrichterin Krystyna Pawlowicz (und ehemalige Abgeordnete der PiS) auf Twitter: "Es gibt keinen Zoff im Verfassungsgericht." Diese Zusicherung ist ebenso vielsagend wie ziemlich exzentrisch.
Sechs Richter des Verfassungsgerichts unter der Leitung von Mariusz Muszynski erkennen Julia Przylebska nicht mehr als Präsidentin des Gerichts an. Stattdessen merken sie an, dass die Amtszeit der persönlichen Freundin von Jaroslaw Kaczynski nach den gesetzlichen Bestimmungen beendet ist, und fordern sie auf, ihr Amt aufzugeben.
Przylebska hat zwar das Verfassungsgericht einberufen, durch den Boykott der sechs Richter ist es aber nicht beschlussfähig. Dies bedeutet aber auch, dass ein Antrag des Präsidenten zur Entscheidung über das Oberste Gericht, das den Weg zu EU-Geldern aus dem Wiederaufbaufonds frei machen sollte, nicht beschlussfähig ist.
Inzwischen gab es Drohungen an die Adresse der sechs Richter durch einen EU-Abgeordneten der PiS, es kann sein, dass das Regierungsfernsehen TVP bald feststellen wird, dass diese Richter in der Kantine ein paar Würstchen gestohlen hätten.
PiS mit Maden und Würmern im Wahlkampf
OKO.press; Polityka, 1.3.2023
Rafa? Trzaskowski, der Bürgermeister von Warschau, ist Mitglied der Städte, die sich dem Verbund „C 40 Cites“ angeschlossen haben, die sich für Klimaschutz einsetzen.
Wenn die Bürgerkoalition mit Tusk und Trzaskowski an die Macht kommen, wird Fleisch auf Karten zugeteilt wie zu Zeiten der PRL und die Menschen genötigt, Würmer und Maden zu essen. Damit werden die guten alten polnischen Traditionen, wie Schinken zu Ostern auf dem Tisch, kaputtgemacht. (Gierek ließ wenigstens bei aller Knappheit an Fleisch dem murrenden Volk kurz vor Ostern Schinken in die Läden bringen!) Dieses Drohszenario baut der Vorsitzende aller Vorsitzenden vor den Menschen auf. Irgend etwas muss doch die Menschen davon abhalten, die Opposition zu wählen.
In der Zwischenzeit, da die Lösung kleinerer Probleme (wie die Lähmung des Verfassungsgerichts) für die Partei Recht und Gerechtigkeit mäßig gut läuft, hat sich die Propagandamaschine in der vergangenen Woche wieder dem zugewandt, was wirklich wichtig ist. Genauer gesagt, einem medium gebratenen Steak für 100 Zloty pro Stück.
Auf einer Sonderpressekonferenz vor dem Warschauer Rathaus sprach Rafal Bochenek, ein bekannter Fleischesser, Fernsehmeteorologe und Sprecher der Partei Recht und Gerechtigkeit, über das Thema, das vor Brisanz nur so strotzte:
"Das Programm der PO (Bürgerplattform) wurde auf ausländischen Konferenzen geschmiedet, u.a. der C40-Organisation; es läuft darauf hinaus, die Freiheit der Polen anzugreifen, das Recht, frei zu wählen, was man isst und wie man reist", erklärte ein leicht durchgefrorener Bochenek den Polen, während hinter seinem Rücken auf einem Anhänger ein Plakat mit einer rhetorischen Frage stand: "Wollen sie über unsere Freiheit entscheiden?" Sie, das heißt in diesem Fall die PO.
Diese Woche gab auch der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski ein sehr langes Interview. Da er aber nichts Neues, Wichtiges, Interessantes oder Lustiges gesagt hat, werden wir Sie dieses Mal nicht damit belästigen.
„Lex pilot“: Gesetz zur TV Fernbedienung Polityka, 14.3.2023
Nachdem es nicht gelungen ist, die Konkurrenz mit "lex TVN" auszuschalten, gibt es jetzt "lex pilot": Die ersten Plätze bei den TV-Fernbedienungen werden den fünf TVP Regierungssendern gehören. Gebildete und jüngere Zuschauer werden ihre Lieblingssender leicht finden, aber andere werden es nicht schaffen. Insbesondere werden sie ihren lokalen Lieblingssender (der von sechs Millionen Menschen gesehen wird), der nicht unbedingt regierungsfreundliche Propaganda macht, nicht auf der Fernbedienung finden. Lex Pilot wird ihn effektiv unter weiteren Nummern verstecken. Das ist eine Wiederholung des Manövers mit der Übernahme der Lokalpresse durch Orlen, nur dass es sich nicht um eine Übernahme, sondern um eine Verdrängung handelt.
Polens Husaren des Todes bereit zum Kampf in der Ukraine
onet.pl, 13.3.2023
Die polnische Spezialeinheit in der Ukraine hat bereits Kampfgruppen, ein Emblem und einen Schutzpatron. Ihr Vorbild sind die Todeshusaren 1920.
Das polnische Freiwilligenkorps, über dessen Bildung Onet im Februar berichtete, hat bereits eine Symbolik und einen Schutzpatron. Es wird den legendären Todeshusaren aus dem polnisch-bolschewistischen Krieg nachempfunden sein. Die Einheit entwickelt sich dynamisch. Sie verfügt bereits über drei Kampfgruppen, obwohl die Rekrutierung und Auswahl noch nicht abgeschlossen ist. Zu ihren Aufgaben gehören Aufklärungs- und Ablenkungsmaßnahmen, sie unterstehen dem ukrainischen Verteidigungsministerium.
Osteuropa die Rolle des Vasallen der USA gern übernommen
Przeglad, 13.3.2023
Ein Interview mit Prof. Samuel Moyn, dem amerikanischen Rechtshistoriker an der Yale Universität, über sein letzter Buch „Humane: How the United States Abandoned Peace and Reinvented War” (Wie die Vereinigten Staaten den Frieden aufgaben und den Krieg neu erfanden). Er sagt, jetzt mit einem Mal haben alle etwas gegen einen ungerechten Krieg, aber zugeschaut haben sie über Jahrzehnte bei den vielen Kriegen in der Welt.
Die Blutspur der USA lässt die der Ukraine und Russlands weit hinter sich, es geht um mindestens zehn Mal so viele Opfer. Wenn wir die Sache ernst nehmen, müssen wir alle Mächte von Interventionen abbringen. Sonst werden wir alle diesbezüglichen Interventionen selektiv sehen. Es gibt nämlich keinen Unterschied bei illegalen Kriegen, Mord bleibt Mord.
Anstatt den Krieg in der Ukraine zu verlängern, sollten wir einen Friedensprozess beginnen. Angebracht wäre es offensichtlich, den Osten der Ukraine unter internationale Kontrolle zu stellen und ein Referendum durchzuführen mit dem Ziel, diese Gebiete auf Dauer in eine souveräne Demokratie zu verwandeln. Hier wird kein Präzedenzfall geschaffen, denn alle Grenzen in der Welt sind das Resultat von Annexionen. Hier wäre ein solches Vorgehen gerechtfertigt, denn die Alternative wäre ein ewiger Krieg. Was in der Ukraine passiert, ist ein globaler Stellvertreterkrieg.
Das russische Volk verstehen
Le Monde Diplomatique/Polska;Przeglad, 6.3.2023
Wenn wir die Sache historisch betrachten, war die russische Gesellschaft niemals passiv gegenüber den Mächtigen im Kreml. Radikale Sekten, Nationalisten und eine anarchische Bewegung, Dissidenten und revolutionäre Gruppen, aber vor allen Dingen Massenproteste bezeugen etwas ganz anderes. Nur eine europa- und jenseits des Atlantiks zentrierte Sichtweise will dies nicht wahrnehmen. Russland bringen sie in Verbindung mit weißen Bären, klirrendem Frost, mongolischen Horden und großen Löchern in der Erde. Liberale und konservative Medien bedienen immer das kompromittierende Stereotyp von dem „Fremden“ aus dem Osten.
Wer den ganzen Artikel von Jaros?aw Urba?ski, Soziologe und Gewerkschafter lesen möchte, kann mich anschreiben, Norbert Kollenda
Wojtyla – Johannes Paul II. spaltet Polen
Die liberal-katholische Wochenzeitung Tygodnik Powszechny am 8.3.2023:
Die idealisierte und von der Realität losgelöste Ethik der Normen, für die Karol Wojtyla eintrat, veränderte seine Sichtweise. Sie ließ den Schaden der Opfer in den Hintergrund treten.
Es wird wohl noch einige Jahrzehnte dauern, bis einer der künftigen Päpste die vatikanischen Archive aus der Zeit des Pontifikats von Johannes Paul II. öffnet. Es wäre jedoch klug, dies schon früher zu machen.
Dazu muss ich sagen, dass damals die Kirche offen für Veränderungen war. Gerade solche Dinge wie Zölibat, Empfängnisverhütung – also die Sexualmoral der Kirche, standen auf dem Prüfstein. Aber wie erwartet hat JP II alles verhindert. Da wurde also von ihm zugelassen, vertuscht, weggesehen, wenn Priester Kinder missbrauchten, denen ein lebenslanger Schaden zugefügt wurde. Er verbot jegliche Empfängnisverhütung, auch wenn Kondome vor Aids geschützt hätten. Und er bestand darauf, dass Priester nicht heiraten dürfen. Diejenigen, die während der CSSR-Zeit als Verheiratete in Absprache mit dem Vatikan zu Priestern geweiht wurden, wurden nach 1989 nicht anerkannt.
Ich weiß nicht, wie ich es nennen soll, denn nicht die christliche Lehre stand im Vordergrund, sondern ganz im Gegenteil, seine eigene „unfehlbare“ Auffassung – nk
Polityka, 8.3.2023
Ein weiteres schockierendes Material von Marcin Gutowski auf TVN24 liegt nun vor. Die Reportage "Franciszkanska 3" zeigt, dass Karol Wojtyla als Oberhaupt der Krakauer Kirche von Fällen von Pädophilie unter Priestern wusste und sich nicht so verhalten hat, wie er es hätte tun sollen. Im Gegenteil.
Dieses Übel zu entschuldigen, ist ein weiteres Übel. Es ist nicht richtig, dieses Übel mit historischen Vorwänden zu rechtfertigen. Ja, die Glaubwürdigkeit von Dokumenten und Berichten sollte unter Berücksichtigung des politischen Kontextes überprüft werden. Die Dokumente der politischen Geheimpolizei aus der Zeit des Kommunismus müssen nicht nur von Journalisten, sondern auch von Experten analysiert werden. Dies sollte der nächste Schritt bei der Aufklärung des Falles sein. Auf der Ebene des investigativen Journalismus wurde der Bericht von Maciej Gutowski diesen Anforderungen gerecht.
Przeglad, 13.3.2023
Die Reportage „Schwarz auf Weiß“ bei TVN24 über die „Franciszkanska 3” gab erschütternde Berichte von Betroffenen selbst, und nicht anders zeigten die Dokumente die perfide Art, wie mit den Tätern und Opfern umgegangen wurde. Da mögen die Verteidiger von JP II noch so schreien, es wäre Stasi-Dokumente, viel wichtiger sind die Aussagen der Opfer und es werden auch kirchliche Dokumente zitiert. Dem Kommentator tut zwar auch weh, dass der Papst vom Sockel gestoßen wird, aber ihn nervten auch die vielen Denkmäler und das ganze Brimborium. Ja, das Theater: in Schwarz die Priester, in Weiß der Papst, spielt sich in tausenden Kirchen und im Vatikan ab. Wenn dann das Spektakel beendet ist, verschwinden sie alle hinter den Kulissen und dort findet das wahre Leben statt. Und es ist traurig, wenn Papst Franziskus meint, er wisse nicht, wer am Krieg in der Ukraine Schuld sei, wie sollen die polnischen Gläubigen damit umgehen, die mit ganzem Herzen die Ukrainer unterstützen?
Ist es nicht traurig, dass die auf der Welt bekanntesten Polen vom Sockel gestoßen wurden? Nun bleibt nur noch Lewandowski.
Tomasz Sekielski, der selbst Dokus zum Missbrauch in der Kirche gedreht hat:
"Mir ist vollkommen klar, dass keine Fakten in der Lage sein werden, die Anhänger des Kultes um Johannes Paul II. zu überzeugen, dass die Denkmäler, die sie ihm aufgestellt haben, auf Lügen beruhen."
Noch einiges zu den beiden Veröffentlichungen
Nachdem zunächst Maciej Gutkowski der Zugang zu den Akten im Archiv des Bistums gewährt wurde, wurde später der Leiter des Archivs entlassen und der Zugang verwehrt. Es gab jedoch einen pensionierten Priester der Kurie, der eine eindeutige Aussage macht, dass Wojty?a über den Missbrauch Bescheid wusste. Offensichtlich war dies für Wojtyla nichts Neues. Eine ehemalige befreundete Schülerin von ihm erzählt, wie Wojty?a von Kardinal Adam Stefan Sapieha Mitte der vierziger Jahre als angehender Priester protegiert wurde. Dieser Kardinal war dafür bekannt, dass er homosexuell war und sich an jungen Leuten vergangen hat.
Anna Karon-Ostrowska, Philosophin, befreundete Schülerin von Wojty?a, meinte, „was jetzt auf die Gläubigen – noch Gläubigen – zukomme, sei eine große Herausforderung".
Einen befreundeten Priester versetzte Wojtyla nach Wien, nachdem in Krakau Mütter von missbrauchten Kindern ihm auflauerten und ihn lauthals im Zentrum der Stadt beschimpften. Wojtyla teilte dem dortigen Kardinal König nicht den Grund mit, sondern dass der Priester Boleslaw Sadus „Material zu seiner Arbeit sammeln will. Er interessiert sich für das psychische Verhalten von Kindern und Jugendlichen unter dem Einfluss der technischen Entwicklung auf die Psyche von Kindern und Jugendlichen“(!) Den Brief konnte Gutkowski im Archiv der Diözese Wien einsehen. Sadus bekam eine Pfarrei in Gaubitsch, der Geheimdienst hatte einen Spion in Österreich, der aber weiterhin gute freundschaftliche Kontakte zu Wojtyla und später zu JP II unterhielt. Als ihn dann später JP II fragte, wer als Nachfolger von König in Frage käme, nannte er ihm seinen Nachbarn, den völlig unbekannten Benediktiner Groër, der im Kloster Mönche missbraucht hatte und von 1986 bis 1995 Bischof von Wien wurde und wegen massiver sexueller Gewalt zurücktreten musste. Er war leider einer von vielen Kinderschändern im Bischofsamt.
Papst Franziskus selbst hat bei einem seiner „üblichen“ Interviews im Flugzeug erklärt, dass Ratzinger bei JP II damit gescheitert ist, gegen Marcial Maciel Degollado, dem Gründer der Legio Christi vorzugehen, der sogar die Kinder missbraucht hat, die er mit unterschiedlichen Frauen gezeugt hatte, und der bei JP II ein und ausging. Und er war nicht der Einzige.
Nun geht es um seine Zeit als Bischof von Krakau. Im Vordergrund bei Overbeek stehen vier Priester, die er über Jahre von einer Pfarrei in die andere versetzte. Einer von ihnen, E. Surgent, wurde in 10 Jahren elf mal versetzt. Sogar nach der Verbüßung einer Freiheitsstrafe bekam er eine Gemeinde, die recht ablegen in den Bergen lag und so kaum zu kontrollieren war. Overbeek hat mit vielen Menschen in den Gemeinden gesprochen. So erzählten teils betagte Frauen, wie während des Religionsunterrichts Surgent sich am Hosenschlitz der Jungen zu schaffen, machte „um ihre Kleidung zu ordnen“. Viele Mütter hätten daraufhin den Hosenschlitz zugenäht. Auch damalige Jungen erzählten, dass bekannt war, wie Surgent sich immer wieder neue Opfer holte und diese von den übrigen ausgelacht wurden… Da floss auch reichlich Geld, das er von Frommen für kirchliche Dienstleistungen erhielt. Ein Mann erzählte, dass es auch viele Gemeindemitglieder gab, die Surgent bewunderten, weil er offen war, den Menschen half, sich für Freizeitangebote für die Jugendlichen einsetzte. Als er dann von einer Gemeinde weg musste, wurde er mit vielen Blumensträußen verabschiedet, denen Umschläge mit Geld zugefügt waren, und es waren keine kleinen Summen. „Wissen Sie, wenn bei uns einer zum Priester geweiht wird, wird ihm sein Herz entnommen und dafür ein Geldbeutel eingesetzt“, meinte dieser Mann. Viele von den Jungs hätten nicht geheiratet, einige hätten sich das Leben genommen oder wären dem Alkohol verfallen
Der SB/UB (Geheimdienst) hat lange Zeit gebraucht, um dahinter zu kommen, warum Surgent immer wieder versetzt wurde, und ihn dann zur Mitarbeit gezwungen mit dem Versprechen, er werde vor den Strafverfolgungsbehörden und der Öffentlichkeit geschützt.
Kam denn kein Bischof auf die Idee, dass solche Täter sich geradezu dem Geheimdienst anbieten!?