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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2023

Der abrupte Wechsel zu steigenden Zinsen bringt Banken in Schwierigkeiten
von David Stein

Die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) ist nach Lehman Brothers 2008 die zweitgrößte Bankenpleite in der Geschichte der USA und der heftigste Bankenkollaps seit der globalen Finanzkrise von 2008.

Mitte März überschlugen sich Horrormeldungen von den Finanzmärkten. Zuerst ging die US-amerikanische Silicon Valley Bank in die Knie und parallel dazu die besonders im Kryptogeschäft engagierte Signature Bank in New York. Wenige Tage später geriet die kalifornische Regionalbank First Republic in Schieflage.

Die staatliche Einlagensicherung FDIC und die US-Notenbank FED fingen die beiden strauchelnden Banken und deren Gläubiger mit einem gigantischen Programm auf, um gefährliche Auswirkungen auf die Finanzmärkte und den Rest der Wirtschaft zu verhindern.
Die SVB war die Bank der Start-up-Branche in den USA. Im Interbankengeschäft mit europäischen Banken und bei deutschen Kunden spielte sie keine Rolle. Gemessen an ihrer Bilanzsumme rangierte sie unter US-Banken auf Platz 16. Die nationale Einlagensicherung FDIC hat dort das Management übernommen und alle Einlagen der Bank in eine neue Zweckgesellschaft überführt. Die ebenfalls geschlossene Signature Bank war halb so groß.

Auf den Kopf gestellt
Die Geschwindigkeit der Rettungsaktion ist einmalig. Sie wurde an einem Wochenende durchgetaktet. Dies unterstreicht, welche Befürchtungen Regierung und die FED vor einem Flächenbrand umtrieben. Diese Besorgnis bestand nicht nur bei staatlichen Institutionen, sondern in der Bankenszene selbst. Wenige Tage später retteten die Großbanken JP Morgan, Morgan Stanley und andere die regionale First Republic Bank, deren Aktiva am 16.3. um 30 Prozent absackten. Elf große US-Banken stellten dieser Einlagen in Höhe von 30 Milliarden US-Dollar zur Verfügung.
Die Rettung der SVB und der Signature Bank führt die staatliche Einlagensicherung ad absurdum. Entgegen den hochgehaltenen Regeln der Marktwirtschaft erlitten nicht nur die wenigen bei der SVB und der Signature Bank unter die Einlagensicherung fallenden (kleinen) Einleger keine Verluste (Limit: 250000 US-Dollar). Auch der Arsch der Zocker und Milliardäre aus der Techbranche und Kryptoszene und deren Einlagen von insgesamt 175 Mrd. US-Dollar wurde gerettet, ohne dass sie sich mit einem Cent an den Verlusten beteiligen müssen.
Banken sollten den Steuerzahlern nie mehr zur Last fallen und staatliche Rettungsaktionen der Vergangenheit angehören. Diejenigen, die mehr Kapital haben, sollten genügend Know how haben, bei der Bankenwahl auch Risiken abschätzen zu können. So die Theorie. Die Praxis sieht anders aus. Die Rettung ohne limits hat die Idee der staatlichen Einlagensicherung auf den Kopf gestellt.
Welch unerträgliche Kollateralschäden diese Rettung für den Haushalt verursacht, zeigen die Kundengelder des rechtslibertären Tech-Investors Peter Thiel, eines Trump-Freunds und Anti-Etatisten. Thiel hatte 50 Millionen US-Dollar bei der Silicon Valley Bank (SVB) stehen, als sie zusammenbrach. Er lässt sich nun vom verhassten Staat retten. Dabei hatte sein Venture Fund sogar vor Anlagen bei der SVB gewarnt. Nun wird er aus der Staatsschatulle und letztlich vom Steuerzahler belohnt. Ihm wird von anderen Investoren vorgeworfen, mit seiner Warnung den Run der SVB-Kunden auf ihre Gelder zumindest beschleunigt zu haben.
Teil des gigantischen Rettungsprogramms ist es auch, dass sich Banken in den USA künftig bei der Fed ein Jahr lang Zentralbankgeld gegen Hinterlegung von Sicherheiten wie US-Staatsanleihen und anderen »qualifizierten Assets« zu ihrer Rekapitalisierung beschaffen können. Ohne Abschläge. Die Staatsanleihen werden also zu ihrem Ausgabepreis, nicht zu ihrem Marktpreis von der Fed akzeptiert. US-Staatsanleihen und hypothekenbesicherte Wertpapiere werden dabei zum Nennwert bewertet: Das heißt, dass der Wert der einst von einer Geschäftsbank gekauften Papiere nicht durch die inzwischen erfolgten Zinserhöhungen der Fed beeinträchtigt wird.

Das Bankensystem im Krisenmodus
Nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den Bankenzusammenbrüchen in den USA aber zur gleichen Zeit geriet dann noch die zweitgrößte Bank der Schweiz, die Credit Suisse, in schwere Turbulenzen. Sie gehört zu den 30 systemrelevanten, international aufgestellten bzw. vernetzten Banken und kann deshalb durch ihren Zusammenbruch Ansteckungseffekte auslösen. Sie ist durch Misswirtschaft und Skandale, auch durch Zusammenarbeit mit Steuerhinterziehern und Geldwäschern, schon länger angeschlagen. Sie verbuchte in 2022 einen Verlust von 7,3 Mrd. Schweizer Franken.
Credit Suisse erhielt am 16.3. eine Kreditzusage der Schweizerischen Nationalbank in Höhe von 50 Milliarden Franken, konnte den Abwärtstrend des Aktienkurses und den Abzug von Kundengeldern aber nicht stoppen. Die Risiken dürften bei der anstehenden Rettung durch die vom Staat orchestrierte Fusion mit der UBS-Bank ebenfalls auf den (Schweizer) Staat und Zentralbank verlagert werden. Ohne Garantien war die UBS nicht bereit, die marode Credit Suisse zu übernehmen.
Kein Wunder, dass diese Verwerfungen bei Investoren und Kleinsparern Sorgen vor einer neuen Bankenkrise weltweit auslösen und das Vertrauen in die Stabilität des Finanzsystems gefährdet ist. Erinnerungen an die Finanzkrise 2008 befeuern diese Verunsicherung. Wenn die Unsicherheit größer werden sollte, ist ein Dominoeffekt nicht ausgeschlossen. Dann geht es nicht nur den Banken schlecht, sondern auch der Wirtschaft. Trotz der Beruhigung durch Politik und Notenbanken.
Deren Regie ähnelt der in der Finanzmarktkrise vor 15 Jahren, als versucht wurde, vertrauensbildend auf den Markt einzuwirken. Auch die inzwischen abgegriffene Phrase von Ex-EZB-Chef Mario Draghi (»whatever it takes«) aus der Eurokrise – dass in einer Krise alles Mögliche getan werde, um sie einzudämmen – wurde jetzt von US-Präsident Joe Biden bemüht. Er versicherte, Regierung, US-Zentralbank und die Einlagensicherung FDIC würden alles tun, was nötig sei.
Auch in Deutschland werden die Märkte von der Politik beruhigt. Damals von Steinbrück und Merkel. Heute von FDP-Finanzminister Lindner. Er hält den Zusammenbruch dreier Banken in den USA und die Krise der Credit Suisse für Einzelfälle, die das deutsche Bankensystem nicht anstecken könnten. Deutschlands Bankensystem sei stabil. Für den Kanzler ist der Vergleich mit der Finanzkrise 2008 »völlig überzogen und schief«. Wie ein Mantra wird erklärt, dass das Finanzsystem eindeutig besser aufgestellt sei als in der Finanzkrise 2008.

Eine Zinskrise
Lindner und der Kanzler lassen unerwähnt, dass die Inflation und die zu ihrer Bekämpfung abrupte Zinswende der Notenbanken in den USA und in Europa, die Kapital verknappt und verteuert, viele Verlierer produziert. Nicht nur in der Bankenszene. Auch Unternehmen wie bspw. der Immobiliengigant und Mieterschreck Vonovia, die in der Phase des billigen Geldes mächtig gewachsen sind, können davon betroffen sein.
Die neue Bankenkrise ist primär nicht die Krise einzelner Institute. Sie ist eine Zinskrise.
Die Zeit des billigen Geldes ist vorbei und die Finanzinstitute und deren Kunden haben Schwierigkeiten, sich von heute auf morgen an diese neue Situation anzupassen. So stieg in den USA der Leitzins von fast null auf über 4 Prozent. In einem Jahr. Das sorgt überall dort für Aufregung im Finanzsystem, wo man keine Risikovorsorge getroffen oder als Investor ein zu großes und sorgloses Rad gedreht hat.
Gefährlich an dieser Entwicklung ist, dass den politischen Entscheidungsträgern und Zentralbanken im Vergleich zu 2008 weniger geld- und fiskalpolitische Instrumente zur Verfügung stehen, um die Krise in den Griff zu bekommen: 2008 gab es keine Inflation. Die Zentralbanken bekämpfen die sich festfressende Inflation mit der Anhebung des Leitzinses. Wenn sie den Instituten und Gläubigern über die Einlagensicherung und andere Wege mit immensen Geldspritzen unter die Arme greifen, um das Bankensystem zu retten, ist das unter dem Gesichtspunkt der Inflationsbekämpfung kontraproduktiv.

Das Ende des Start-up-Hypes
Die Krise macht sich zunächst bei den Banken bemerkbar, die in der Phase des billigen Geldes Zinsänderungsrisiken in den Wind geschlagen haben. Sie trifft auch jene Banken, die, wie die SVP, als sicher geltende Staatsanleihe mit langer Laufzeit in ihr Portefeuille aufgenommen haben. Wenn Kunden und eine ganze Start-up-Branche in Liquiditätsengpässen steckt und deshalb ihre Einlagen massiv von der Bank abziehen, müssen Banken diese Papiere verkaufen, und zwar mit deutlichen Kursverlusten.
Die Kunden der SVP waren hauptsächlich Start-ups, die in der Phase des billigen Geldes nach der Finanzmarktkrise 2008 wie Pilze aus dem Boden des Silicon Valley schossen. Die Bank verdiente daran kräftig mit. Die Niedrigzinsphase hat nun ihr Aus maßgeblich verursacht.
Die SVP hatte die Einlagen von zunächst hyperliquiden Fintech-Unternehmen in scheinbar sicheren, langfristigen Zinsanlagen wie Staatstitel angelegt und dabei übersehen, dass sich eine Inflation aufbaute, die Zentralbank deshalb den Leitzins deutlich anheben musste und die Zinspapiere daraufhin stark an Wert verlieren würden. Wenn die Zinsen steigen, sinken tendenziell die Kurse von Staatsanleihen.
Das war nicht nur ein klassischer Managementfehler. Parallel dazu war es auch mit der Goldgräberstimmung in der Technologiebranche vorbei. Das Geschäft mit der Gründung und Refinanzierung von Tech-Firmen oder gar mit Börsengängen lief nicht mehr rund. Jetzt benötigten die Start-ups selber Liquidität und forderten deshalb ihre Einlagen zurück. Und da viele Kunden gleichzeitig auf ihre Einlagen zugreifen wollten, musste die Bank die Wertpapiere, in denen sie das Geld geparkt hatte, mit Verlust veräußern. Das ging nur kurze Zeit gut. Das Ende vom Lied ist bekannt.

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