Ein Totschlagargument weniger
von Leni Klaass
Das Recht der Frauen auf einen fairen Lohn ist ein wenig mehr gestärkt: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass ein »besseres Verhandlungsgeschick« kein Kriterium dafür sein kann, dass eine Frau weniger verdient als ein Mann in derselben Position. Ist das der Meilenstein, auf den Frauen gewartet haben?
Das Urteil raubt Unternehmern, die Männer und Frauen ungleich bezahlen, ein wichtiges Argument: das vermeintlich bessere Verhandlungsgeschick des Mannes. Ein Argument, das schnell über die Lippen geht, gern verwendet wurde und kaum überprüfbar ist. Berufserfahrung und Abschlussnoten sind Kriterien, die jeder einsehen kann. Das Verhandlungsgeschick tritt nur dann zum Vorschein, wenn Unternehmer und Arbeiterinnen und Angestellte sich allein gegenübersitzen. Es war ein Totschlagargument, das das BAG nun entkräftet hat.
Klar ist aber auch, dass das Urteil nicht pauschal ungleichen Lohn von Männern und Frauen bei gleicher Arbeit ausschließt. Es reichen geschlechterneutrale, »objektive Kriterien«, wie Jurist:innen es nennen, um Frauen schlechter zu bezahlen. Jedenfalls ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Arbeitgebermarkt in nächster Zeit mit ein wenig Kreativität ein neues Totschlagargument hervorzaubern wird. Dass der Spielraum für Unternehmer, Frauen zu benachteiligen, kleiner geworden ist, bedeutet nicht, dass er verschwunden ist. Wie klein er geworden ist, lässt sich aber erst sagen, wenn die Urteilsgründe veröffentlicht sind.
Für juristische Verhältnisse hat sich in den letzten drei Jahren für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in der Arbeitswelt einiges getan: 2020 der Erfolg für selbständige Frauen; 2021 kam dann auch beim BAG der Grundgedanke an, dass ungleiche Löhne von Männern und Frauen wohl auch eine Diskriminierung vermuten lassen. Durch das neue Urteil sind in Zukunft einige Klagen zu erwarten. Sie werden zeigen, wieviel Fortschritt diese Entscheidung des BAG tatsächlich bringen wird.
Es tut sich etwas. Aber etwas ist nicht genug. Das Urteil des BAG ist ein Schritt, aber kein Meilenstein. Ein Meilenstein wäre es, wenn Frauen nicht mehr vor Gericht ziehen müssten, um für Gleichberechtigung zu kämpfen. Davon sind wir noch meilenweit entfernt.
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