BRD 2022, 91 Min., Regie: Klaus Gietinger
Gekürzt aus: Avanti2*
Als »größtes Betrugsprojekt deutscher Ingenieursgeschichte« hat der Regisseur Klaus Gietinger das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 bezeichnet. In seinem brandaktuellen Dokumentarfilm Das Trojanische Pferd rollt er diesen gigantischen Skandal auf.
Der Film befasst sich mit der Entstehung des Projekts Stuttgart 21 (S21) als reinem Immobilien- und Tunnelbauprojekt, das zur Zerstörung des sehr gut funktionierenden Kopfbahnhofs der Landeshauptstadt führen soll. Neben der Chronologie der Planungen ab 1994 und ihrer Umsetzung schildert er den Widerstand in der Stuttgarter Bevölkerung, der bis zum heutigen Tag anhält.
Insbesondere in der zweiten Hälfte der Dokumentation gelingt es Gietinger aufzuzeigen, dass die Sache noch längst nicht abgeschlossen ist. Aufgrund der chaotischen Planungen soll das ursprüngliche Projekt durch S21 2.0 ergänzt werden, d.h. durch weitere, immer längere und gefährlichere Tunnelbauten. Diese werden nicht nur unsagbar teuer (schätzungsweise 20 Milliarden Euro), sondern höchst klimaschädlich sein.
Die im Jahr 2022 geplanten 100 Kilometer Tunnel erhöhen den CO2-Ausstoß um mehrere Millionen Tonnen. Dabei sollen sie hauptsächlich dem vergleichsweise geringen Schienenpersonenverkehr zum Stuttgarter Flughafen dienen, entlasten aber den mit acht Gleisen viel zu kleinen unterirdischen S21-Hauptbahnhof in keiner Weise.
In Das Trojanische Pferd wird eine Fülle von Fakten aufgezeigt. Unter anderem droht der Autoverkehr aufgrund des unterirdischen Schienenflaschenhalses weiter zuzunehmen. Die geplante Nutzung von engen, steil ansteigenden Tunneln durch Züge mit Doppelstockwagen erhöht das Brandrisiko enorm. Der dortige, völlig unzureichende Brandschutz wird von Experten als kriminell bezeichnet und müsste das Projekt scheitern lassen.
Die Zerstörung des Kopfbahnhofs, einer der funktionalsten Stationen des Schienenverkehrs in Deutschland, wird jedoch von der S21-Mafia trotz aller Risiken und Kostenexplosionen weiter vorangetrieben.
Neben Expertinnen und Experten kommen auch Aktive aus der Widerstandsbewegung zu Wort. Junge Klimaaktivistinnen werden ebenso befragt wie die politischen Freunde und Befürworter des Stuttgarter Milliardengrabs. Und natürlich dürfen die Kommentare bekannter Künstler und Kabarettisten nicht fehlen.
Zu guterletzt werden Alternativen zu S21 aufgezeigt. So fordert z.B. die Deutsche Umwelthilfe (DUH) eine Neubewertung der Bahnsituation in Stuttgart durch Bund und Land. Der Rückbau der oberirdischen Gleisanlagen dürfe nicht kommen. Der Erhalt des Kopfbahnhofs sei eine konkrete Maßnahme für den Klimaschutz. Um das zu ermöglichen, wolle die DUH alle juristischen Möglichkeiten nutzen. Vor allem aber lebt mit jeder neuen Montagsdemo der außerparlamentarische Widerstand weiter.
Das Trojanische Pferd liefert jede Menge guter Argumente gegen das Schurkenstück Stuttgart 21 und ist wärmstens zu empfehlen. Bei der Filmvorführung in Mannheim im Cinema Quadrat gab es Anregungen, die zahlreichen im Film dokumentierten Fakten in ein viel kürzeres Format zu packen. Damit könne es besser gelingen, das Interesse der jüngeren Generationen an S21 zu wecken.
*Gekürzt aus: Avanti2, Rhein-Neckar, Februar 2023. Der Film ist Teil einer Reihe über die Deutsche Bahn.
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