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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2023

Klimapolitik gegen die Armen
Ein Gespräch mit David Otieno*

Die 2016 gegründete KPL ist eine Bewegung kenianischer Landwirte und Verbraucher, die sich für eine nachhaltige Agrarökologie und Ernährungssouveränität einsetzt. Sie ist Teil der internationalen Bewegung La Via Campesina. Abdruck des Interviews mit freundlicher Genehmigung aus dem Rundbrief 3/22 von medico international.

Du bist Teil der Kenyan Peasants League, einer noch jungen Bewegung von Kleinbauern, Fischern und Hirten. Ihr seid gegen falsche Lösungen in der Klimakrise aktiv. Was kritisiert ihr konkret?

Falsche Lösungen sind Programme und Strategien, die von Unternehmen, der Agrarindustrie und Regierungen als Lösungen für den Klimawandel angepriesen werden. Diese Lösungen beruhen auf denselben kapitalistischen Praktiken und der gleichen Logik wie die, die den Klimawandel verursacht haben. Dazu gehören die Kommerzialisierung, der Extraktivismus, der Einsatz von Gentechnik und die treibhausgasintensive Landwirtschaft.
Auf internationaler Ebene fördert das dominante industrielle Produktionssystem von Nahrungsmitteln ein Modell, das Land, Saatgut, Wasser und das gesamte System der Ernährung kontrollieren will. Dieses System der Nahrungsmittelproduktion wird Ländern des globalen Südens wie Kenia im Rahmen von Freihandelsabkommen und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen aufgezwungen, die falsche Lösungen wie Programme zur klimagerechten Landwirtschaft und zur Verringerung der Waldzerstörung (REDD+) fördern. Beides klingt toll, hat aber dramatische Konsequenzen für die Menschen in den betroffenen Regionen.

Wie funktioniert REDD+ genau?

REDD+ ist ein auf der UN-Klimakonferenz 2013 geschaffener Rahmen, um Aktivitäten im Forstsektor zu lenken. So sollen die Emissionen aus Waldsterben und Entwaldung reduziert sowie die nachhaltige Forstwirtschaft und die Verbesserung von Waldkohlenstoffbeständen in Entwicklungsländern gestärkt werden.
In Kenia sollen zum Beispiel die Wälder von Mau, Aberdare, Mount Elgon und Chyulu Hill wiederaufgeforstet werden, daneben gibt es ein Kohlenstoffprojekt für die Landwirtschaft. Das alles führt aber zur Vertreibung vieler indigener Gemeinschaften von ihrem Land – Vertreibung im Namen des Klimaschutzes.
Letztlich wälzen die Projekte die Schuld auf Menschen ab, die den Klimawandel nicht verursacht haben, sondern dessen primäre Opfer sind. Das passiert, wenn die Betroffenen nicht in die Erarbeitung der Konzepte eingebunden sind.

Die Frage der Verschuldung der ärmsten Länder wird immer drängender. In welchem Zusammenhang stehen Ernährungssouveränität und Verschuldung?

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Verschuldung und Nahrungsmittelkrise, insbesondere wenn Länder nicht in der Lage sind, ihre Schulden wie geplant zurückzuzahlen. Sie sind dann gezwungen, neue Bedingungen auszuhandeln.
So werden ihnen Freihandelsabkommen aufgedrückt, die unter anderem die Einfuhr von Junkfood, von chemischen Herbiziden, Pestiziden und Düngemitteln erlauben, was die Erlangung von Ernährungssouveränität sehr schwierig macht. Da Schulden immer in ausländischen Währungen wie dem US-Dollar zurückgezahlt werden, sind verschuldete Länder wie Kenia zudem gezwungen, eine exportorientierte Landwirtschaft zu betreiben.

Ihr sprecht von »bäuerlichem Feminismus«. Was heißt das?

Das Patriarchat ist ein System, das Ressourcen unterdrückt, ausbeutet, zur Ware macht und die Mehrheit der Menschen vom Zugang zu gemeinsamen Gütern wie Wasser, Land und Nahrung ausschließt.
Dazu gehören die Kommerzialisierung des Körpers, des Lebens und der Sexualität von Frauen sowie die Art ihrer formellen und informellen Arbeit, ihre Überarbeitung und ihre Arbeitsbedingungen.
Das Patriarchat ist außerdem in vielen Traditionen und Normen verankert, die zur Aufrechterhaltung dieser Hierarchie und Macht genutzt werden. Beim bäuerlichen Feminismus geht es darum, die Machtlogik des Patriarchats zu dekonstruieren, um die horizontale Ausübung von Macht in eine vertikale zu verändern: von »Macht über andere« zu »Macht mit anderen«.
Es gibt ein schwerwiegendes Missverständnis, dass es beim Feminismus darum gehe, dass Frauen gegen Männer kämpfen. Man muss keine Frau sein, um Feminist zu sein. Alles was man braucht, ist die Erkenntnis, dass das kapitalistische System bei der Lösung der globalen Wirtschafts- und Ernährungskrise versagt hat und nun auf Gewalt zurückgreift, um die Tatsache zu verbergen, dass es versagt hat.

Eines der Schlüsselelemente, auf das ihr euch beruft, ist die »nationale, regionale und internationale Solidarität«. Was heißt das?

Bei dieser Solidarität geht es um Bewegungen auf der ganzen Welt, um eine transnationale Bewegung von Lebensmittelerzeugerinnen und -verbrauchern, die an die Ernährungssouveränität glauben, also an ein System, das die Rechte der Erzeuger:innen auf Herstellung und Vermarktung kulturell angemessener Lebensmittel respektiert. Das schließt das Recht der Verbraucher:innen ein zu entscheiden, was sie konsumieren wollen.

Wie sieht die Welt aus, die ihr mit eurer Arbeit aufbauen wollen?

Die Welt, die wir schaffen wollen, ist eine Welt, in der die Menschen eine direkte, demokratische Kontrolle über die wichtigsten Elemente ihrer Gesellschaft haben: wie wir uns ernähren; wie wir das Land, das Wasser und andere natürliche Ressourcen um uns herum nutzen und auch für künftige Generationen erhalten; und wie wir mit anderen Gruppen und Kulturen respektvoll zusammenleben und interagieren.

*Aktivist der Kenyan Peasants League (KPL)

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