An den Rand notiert
von Rolf Euler
Passenderweise am 8.März, dem Internationalen Frauentag, wurde in Gelsenkirchen ein neuer Platz benannt: »Platz der Heinze-Frauen«.
Endlich hat damit ein alter Kampf von Frauen aus den 1970er Jahren um gleichen Lohn für gleiche Arbeit eine erneute öffentliche Aufmerksamkeit gefunden und eine dauernde Stelle zur Erinnerung.
Das Fotolabor Heinze in Gelsenkirchen, bei dem hauptsächlich Frauen beschäftigt waren, hatte 1978 eine Nachtschicht eingeführt, und weil es ein Nachtarbeitsverbot für Frauen gab, wurden Männer eingestellt. Kurze Zeit darauf entdeckten Frauen, dass die Männer, obwohl in derselben Lohngruppe eingestuft, deutlich höhere Stundenzuschläge erhielten – im Durchschnitt 1,58 DM gegenüber 0,19 DM für die Frauen.
Die Begründung des Arbeitgebers, das seien persönlich ausgehandelte Löhne, um überhaupt Männer für Nachtarbeit gewinnen zu können, akzeptierten 29 Frauen nicht und gingen vor das Arbeitsgericht, unterstützt von Betriebsrat und der Gewerkschaft IG Druck und Papier. Im Mai 1979 gab das Arbeitsgericht Gelsenkirchen den Frauen recht, im September 1979 kassierte das Landesarbeitsgericht das Urteil.
Inzwischen hatte sich eine immer breitere Solidaritätsbewegung in der Gewerkschaft, in der Stadt und weit darüber hinaus entwickelt, weil viele Menschen sahen, dass die »betonierte« Lohnlücke von damals 30 Prozent für Frauen ungerecht war und Solidarität mit denen nötig war, die den Mut hatten, vor Gericht zu ziehen, was angesichts der Arbeitsmarktlage mit vielen Risiken verbunden war.
Der Prozess wirkte in die Frauenbewegung hinein, beeinflusste Seminare und Schulungen. Vor allem die Fortführung der Klage vor dem Bundesarbeitsgericht schuf erneut große Solidarität. In einer Zusammenfassung der Geschichte heißt es: »Allein hätte keine durchgehalten!«
6000 Menschen kamen in Kassel im September 1981 zu einer Solidaritätsveranstaltung zusammen, als das BAG die Klage verhandelte. Und so konnten die Heinze-Frauen in der dritten Instanz einen Erfolg feiern, da ihrer Klage stattgegeben wurde. »Jubel, Umarmungen, Freudentränen nach drei Jahren Kampf.«
Dass die Firma Heinze zwei Jahre später pleite machte, brachte die Frauen auch noch um große Teile der verdienten Nachzahlung ihrer Löhne.
Diese Mut machende Geschichte von vor über 40 Jahren wurde einen Tag nach dem »Gender-Pay-Gap«-Tag am 7.März mit der Namensgebung des Platzes aus der Vergessenheit geholt. Denn der 7.März ist rechnerisch der Tag, bis zu dem Frauen »umsonst« arbeiten, weil die Lohnlücke nach wie vor rund 18 Prozent beträgt.
Auch wenn es bei gleicher Arbeit angeblich nur noch 7 Prozent sind (Bereinigter Gender-Pay-Gap), so ist die Diskriminierung nach Geschlecht nach wie vor wirksam. Viele Aktionen am 8.März, aber auch die aktuellen Streiks im öffentlichen Dienst betonen, wie wichtig weitere Kämpfe für die Betroffenen sind.
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