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Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2023

In dieser Ausgabe: Ukrainisches Getreide in Polen verscherbelt; Vetternwirtschaft und Nepotismus der PiS, Chancen bei Herbstwahlen?; Frauen links, Männer rechts; die Oder ist weiter eine Kloake; der Papst JP II und die Polen.

Eine Woche, in der die PiS dem Getreide auf den Leim gegangen ist

okopress, 16.4.2023

Erklärungen von Beamten halfen nicht, ebenso wenig wie der Wechsel des Landwirtschaftsministers. Die Krise in der Getreidepolitik spitzte sich so zu, dass "Recht und Gerechtigkeit" am Samstag, dem 15.April, zur ultimativen Waffe griff: dem gesundheitlich wiederhergestellten Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski, der persönlich in das Dorf Lyse reiste, um sich den Landwirten zu erklären und die neuesten, festen und endgültigen Entscheidungen der Regierung zur Getreidekrise zu verkünden.

Was war geschehen? Das Getreide, das im Transit aus der Ukraine über Polen nach Afrika verschifft werden sollte, landete auf dem polnischen Markt und die Getreidepreise purzelten in den Keller.

Die Regierung scheint sich darüber zu wundern, dabei war schon vor einem Jahr klar, dass es Probleme geben würde. Die Regierung war überhaupt nicht darauf vorbereitet und hat keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen. Schließlich ist bekannt, dass Polen eine andere Spurweite hat, es wurden keine Lagerkapazitäten an der Grenze und es standen kaum Waggons zur Verfügung bzw. diese Züge wurden auf dem Weg zu den Häfen immer wieder auf Nebengleise geleitet.

Es kam zu heftigen Protesten der Bauern, auf die lange Zeit nicht adäquat reagiert wurde, schließlich gehören 68 Prozent der PiS-Wähler zur Landbevölkerung. Nun kündigte Kaczynski den Bauern an:

– einen generellen Aufkauf von ihrem Getreide, um die Rentabilität der polnischen Produkte zu retten,

– ein sofortiges Verbot der Einfuhr von Getreide und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus der Ukraine.

Kaczynski begründete dies auch damit, dass die PiS der Ukraine helfen würde, wenn sie keine Produkte nach Polen exportiert, und im Gegensatz zur Opposition sei es die PiS, die der Ukraine hilft.

Dabei hatte im Januar der damalige Minister Kowalski noch erklärt, dass die jetzt von Kaczynski verkündeten Maßnahmen nach Absprachen der EU mit der Ukraine und der Welthandelsorganisation nicht möglich sind.

Da wird die PiS wohl die Augen zumachen, um die Einfuhr von ukrainischen Produkten nicht zu sehen. Dabei wäre es wichtiger, die polnischen Bauern so aufzustellen, dass sie konkurrenzfähig werden.

Kommentar der Europäischen Kommission                                            tvn24.pl, 16.4.2023

"Wir haben die Erklärungen Polens und Ungarns zum Verbot der Einfuhr von Getreide und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus der Ukraine zur Kenntnis genommen. Wir bitten die zuständigen Behörden um weitere Informationen, damit wir diese Maßnahmen bewerten können", erklärte die Kommission.
"In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass die Handelspolitik in die ausschließliche Zuständigkeit der EU fällt und daher einseitige Maßnahmen nicht akzeptabel sind. In diesen schwierigen Zeiten ist es entscheidend, alle Entscheidungen innerhalb der EU zu koordinieren und zu vereinbaren", betonte die Sprecherin der Europäischen Kommission.

Kommentar in der Polityka, am 17.4.2023:

Das von der polnischen Ministerin Buda erlassene Verbot steht nicht im Einklang mit dem EU-Recht, was die PiS jedoch nicht stört. Bedrohlich für die Partei waren die Proteste der Landwirte, die sich über zu niedrige Getreidepreise aufregten und die Einfuhren aus der Ukraine dafür verantwortlich machten. Mit der Partei "Recht und Gerechtigkeit" befreundete Unternehmen, Getreidehändler und vor allem Futtermittel- und Geflügelproduzenten haben mit ukrainischem Getreide, das eigentlich an nordafrikanische Länder hätte gehen sollen, Profit gemacht. Die Regierung weiß genau, welche Unternehmen das sind – will ihre Liste aber nicht preisgeben. Denn sie ist es, die den ungewohnten Begriff "technisches Getreide" erfunden hat, damit es ohne Qualitätsprüfung auf den polnischen Markt kommt.

Kaczynskis Polen: ein Selbstbedienungsladen für die Seinen                      Przeglad, 17.4.2023

Die Menschen sind schon abgebrüht, denn jeden Tag, wenn sie nur den Laptop öffnen oder die Zeitung (nicht die der PiS) aufschlagen, schreit ihnen der nächste Skandal, die nächste Affäre entgegen.

Die Verteilung von Millionen PLN an ihre Leute verfolgt zwei Ziele – in der Gegenwart soll sie deren Loyalität stärken und in der Zukunft sollen sie die Möglichkeit erhalten, auch schwierige Zeiten durch zustehen.

Als der Bildungsminister Czarnek für Villa + attackiert wurde, weil sein Ministerium Millionen für Häuser und Wohnungen für Beschäftigte rechter Stiftungen ausgab, hieß es, dies wäre der Neid der Linken. Oft ist es gar nicht möglich, dass bei Pressekonferenzen die Opposition zu Wort kommt. Das geschah allerdings letztens, als es um die Staatlichen Forsten ging und der Fraktionsvorsitzende der Linken bekanntgab, die daraus erzielten 10 Millionen Gewinne würden nirgendwo kontrolliert und abgerechnet. Zwei Abgeordnete, Szczerba und Jonski, sind bei der Aufdeckung sehr engagiert. Sie haben ein Buch herausgegeben mit dem Titel: „Große Ernte – Wie die PiS Polen bestiehlt“.

Es wurde aber auch berichtet, wie der Arbeitgeberverband mit PiS-Leuten besetzt wurde, der in Brüssel Lobbying betreibt und von der Regierung im Jahr 2021 5,8 Millionen an Vergütungen für nur sechs Treffen erhielt.

Die Regierung hat jetzt auch Gelder bei verschiedenen Agenturen außerhalb vom Staatshaushalt, dadurch hat das Parlament darüber keine Kontrolle. Es handelt sich um ein weitverzweigtes Netz, das kaum zu kontrollieren ist. Dem Ministerium für Staatseigentum unterstehen 174 Agenturen, aber es gibt 367, die offensichtlich anderen Regierungsstellen unterstellt sind. Dabei ist davon auszugehen, dass es zu diesen staatlichen Agenturen weitere ihnen unterstellte, also Töchter- oder gar „Enkel“unternehmen gibt.

Wie das funktioniert, zeigte auch der erwähnte Arbeitgeberverband. Ihr Chef ist der Vorsitzenden der Republikanischen Partei, der beim Koalitionsvertrag  Unterstaatssekretär wurde und noch andere Posten erhielt. Nun will die PiS auf jeden Fall gewinnen und schmiert weiter. Jetzt bekam der Politiker Kukiz von der Partei gleichen Namens 4,3 Millionen für seine Stiftung aus dem Fonds vom Premier in Erwartung, dass er bei der Wahl für die PiS antritt. Der Rivale des Premiers, Ziobro, hat das Geld wieder zurück gefordert, offensichtlich scheint Kukiz nicht eindeutig die PiS unterstützen.

Der Abgeordnete Robert Kwiatkowski (Demokratische Linke) meint: „Es handelt sich bei all den Aktionen der PiS nicht um irgendwelche Einzelfälle. Es hat System, es geht um den Aufbau einer neuen Elite, auch einer Geldelite. Dies erinnert an die östlichen Nachbarländer. In die Regierung geht man heute wegen des Geldes, anders als früher. Sie achten sehr darauf, dass sie in der Legalität bleiben, ansonsten wird eben schnell ein neues Gesetz verabschiedet, ganz nach ihren Bedürfnissen. Erst wird ein Gesetz gemacht und dann werden die Taschen gefüllt, Taschen vom solchen, die der PiS angehören oder mit ihnen verbunden sind. Kaczynski baut ein System von Oligarchen auf und es wird später, in der Nach-PiS-Ära, schwierig werden, das rückgängig zu machen, denn diese Gelder arbeiten dann in privaten Konten und Unternehmen. Jetzt sind sie jedoch unangreifbar, denn die Regierung hat alle entsprechenden Stellen auf ihrer Seite: die Spezialeinheiten, die Polizei, die Staatsanwaltschaft… So hat Kaczynski alle und alles in der Hand.

Warum schaden die vielen Skandale nicht der PiS                                  Polityka, 29.3.2023

Es ist doch recht verwunderlich, wie wenig die vielen Affären, Betrügereien, Nepotismus, Vetternwirtschaft und die Aneignung öffentlicher Güter der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" schaden. Wie oft wurde schon verkündet, nun sei die Partei am Ende, jetzt hätte sie die rote Linie überschritten.

Eine Ursache ist wohl, dass es viel zu viele dieser Affären gibt, sie überlappen sich quasi in der Berichterstattung, falls diese überhaupt stattfindet bzw. von den Anhängern der PiS gelesen oder wahrgenommen wird, schließlich werden diese Berichte von „feindlichen“ Medien verbreitet. Aus Untersuchungen geht hervor, dass es Menschen gibt, die ihre Informationen nur aus den von der PiS gesteuerten Kanäle – wie TVP – beziehen. Außerdem sind die Menschen nach all den vielen Affären, die die Vereinigte Rechte produziert, abgehärtet. Viele Betrügereien sind für die Mehrheit der Leute oft zu undurchsichtig. Dazu versteht es die PiS hervorragend, Gesetze zu beschließen, die all die Ungereimtheiten – seien es Finanzen, Vorteile, Profite – durch Gesetze zu verschleiern. Der Opposition ist es von der Sache her kaum möglich, in ein  oder zwei Sätzen diese Mechanismen verständlich zu erklären. Es macht sich eine Gleichgültigkeit breit. Zudem sagen sich die Leute, wenn das nicht in Ordnung ist, wird sich schon ein Gericht darum kümmern. Aber über den Gerichten stehen der Justizminister und Generalstaatsanwalt Andrzej Ziobro.

Auch die Medien, die nicht zur PiS gehören, sind oft müde sich damit auseinanderzusetzen, wissen sie doch, dass alles bagatellisiert wird und kein Regierungsmitglied je dazu Stellung nehmen wird.

Die PiS unterstützt in welchen Formen auch immer alle, die auf ihrer Linie sind bzw. diese nicht stören. Diese bilden die Eliten im Land und sie bestimmen, solange sie auf Linie sind, das Los der Menschen mit. Die Opposition sollte weniger diesen hinterher rennen, als sich vielmehr mit ihren Leuten derjenigen annehmen, die nicht zur Elite gehören – dem Volk, und auf seine Stimme hören.

Die Hoffnungen schwinden, die PiS abzuwählen                                           Polityka, 14.4.2023

Der Optimismus der letzten Zeit ist verflogen, die Hoffnungen auf ein baldiges Ende der achtjährigen Durststrecke in der Politik haben sich zerschlagen. Noch scheint alles in den Händen der Opposition zu liegen, aber es bedarf eines deutlichen Impulses, um den Zustand der Trägheit zu durchbrechen.

Das liegt einfach daran, dass die Parteien in der Opposition sich nicht einig werden. Tusk will alle Parteien unter seinem Dach vereinen, aber da ist die Distanz zu groß. Es scheint aber auch daran zu liegen, dass sie sich an der PiS abarbeiten, anstatt ihre Ziele auszuarbeiten und der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Schließlich hören die Wähler seitens der PiS genug negative Botschaften über die oppositionellen Parteien, da muss nicht die Opposition das gleiche machen. Es geht sogar noch schlimmer, da wird viel übereinander geredet, die PO macht Polska 2050 schlecht und umgekehrt. Dabei verlieren die Anhänger von Tusk oft die PiS aus den Augen, wenn sie sich Polska 2050 in Visier nehmen.

Die Gesichter im Wahlkampf sind die alten – Tusk, Ho?ownia, Zandberg – und implizieren die alten Rivalitäten. Dabei wäre es nützlich neue, „unverbrauchte“ Politiker  mit an die Spitze zu stellen. Diese sollten miteinander ein Programm ausarbeiten und ihre Zusammenarbeit der Öffentlichkeit deutlich machen.

Es soll nicht vergessen werden, dass in Umfragen die PiS nur dann etwas verloren hat, wenn es große Proteste gab, wie bei dem rigorosen Verbot des Schwangerschaftsabbruchs oder der „Justizreform“. Aber sie hat sich immer wieder davon erholt.

Jetzt sieht es ganz danach aus, dass die PiS keine eigene Mehrheit haben wird. Ob sie mit der Konferderacja koalieren wird? Schließlich ist das eine Partei mit ähnlichen konservativen, EU-feindlichen Ansichten, mit weitaus jüngeren Vertretern.

Dazu Umfrageergebnisse bei onet.pl am 11.4.: Dabei bekommt die Konferderacja den größten Zuwachs.

PiS: 33,5%; PO: 23,6%; Konferderacja: 11,8%; Lewica: 9,5%; Polska 2050: 8%; PSL: 6,5%.

Meinungsforscher zu den Chancen der Opposition:

Wichtig wäre, Menschen aus dem „Lager der Gleichgültigen“ zu mobilisieren. Es ist schon erstaunlich, dass die PiS mit ihrem 500+-Programm den Eindruck vermittelt, der Lebensstandard in Polen habe sich dadurch verbessert, und sogar die Opposition sagt, 500+ habe Polen verändert. Dabei war es aber die Erhöhung des Mindestlohnes und des Stundenlohns. Auch wurde die noch von Tusk geplante Erhöhung des Steuerfreibetrags eingeführt. Dabei ist im Bewusstsein der Menschen immer, dass die Tusk-Zeiten schlechte Zeiten waren.

Oder sollte Tusk untertauchen, so wie Kaczynski vor 2015 verschwunden ist?

Die Ersetzen von Tusk durch Trzaskowski (ehemaliger Präsidentschaftskandidat und Bürgermeister von Warschau) wäre sicherlich eine Chance, eine einheitliche Liste zu schaffen, die für verschiedene Wählergruppen akzeptabel wäre, sogar für die Linke, die einer solchen Lösung am ablehnendsten gegenübersteht. Wenn Trzaskowski realistischerweise für eine solche Lösung kämpfen wollte, würde Tusk sich darauf einlassen? Nur hat Trzaskowski nicht das Feuer in sich, das Tusk hat. Aber der Ball ist noch im Spiel.

Für Zwanzigjährige ist Konferderacja eine Alternative

www.onet.pl, 14.4.2023

Die Konferderacja kommuniziert mit ihren Wählern vor allem über soziale Medien, insbesondere TikTok. Dort hat Slawomir Mentzen, dem rund 700.000 Menschen folgen, nicht das Image eines konservativen Radikalen, sondern eines systemfeindlichen Liberalen, und es ist unklar, ob die Informationen über all seine Ansichten diese Informationsblase erreichen und dauerhaft an ihm "haften" werden.

In einer am 11.April für "Events" durchgeführten Umfrage erklärte sich mehr als ein Drittel der unter Dreißigjährigen (36%) bereit, für die Konföderation zu stimmen. In allen anderen Altersgruppen kam die Partei nicht über 12 Prozent hinaus.

Die jungen Anhänger der Partei achten vor allem auf die wirtschaftlichen Forderungen. Szymon, 24: "Die Politiker der Konföderation haben ein enormes Wissen über das Steuersystem und wissen, wie man dieses System rationalisieren und verbessern kann, damit der durchschnittliche Pole die Chance auf Wohlstand hat."

Jungen Frauen sind Partner abhanden gekommen                         www.newsweek.pl, 13.4.2023

Die Situation wird immer wieder so oder ähnlich beschrieben: Auf der einen Seite stehen gut ausgebildete, aktive Frauen, auf der anderen passive, schlecht ausgebildete Männer. Nun kommt ein weiteres Phänomen hinzu: Die Frauen stehen auf der Linken, die Männer auf der Rechten. Es wird also auch hier schwierig für eine Frau einen Mann mit ähnlichen Ansichten zu finden. Worüber sollte eine Frau, die an „Schwarzen Protesten“ teilgenommen hat, mit einem Mann sprechen, der an den Märschen der Nationalisten teilgenommen hat?

Sie stehen an zwei Fronten. Wir haben es mit einer geschichteten, polarisierten Generation zu tun. Die Frauen stehen eindeutig links, was die Trennung von Staat und Kirche, die Abtreibung, die künstliche Befruchtung und die Lebenspartnerschaft betrifft.

Eine bestimmte Gruppe konservativer jungen Männer würde nicht für die PiS stimmen, denn die ist eine Partei der Opas. Aber für sie gibt es jetzt eine „PiS light“ – die „Konferderacja für Freiheit und Unabhängigkeit“, in ihr finden sich Monarchisten, Libertäre, Wirtschaftsliberale, Eurokritiker, Nationalisten, Konservative und Populisten.

In der Grenzregion wird gekittet                                                             Przeglad, 17.4.2023

Das, was die PiS Regierung in den Beziehungen zu Deutschland kaputt macht, versuchen die örtlichen Behörden an der Westgrenze Polens zu kitten. Die anti-deutsche Rhetorik der Regierungspartei nimmt teilweise recht kuriose Formen an. Bei seinen Reisen Ende des vergangenen Jahres hat Kaczynski immer wieder den schwarzen Peter „Deutschland“ aus den Ärmel geholt. Bis dahin, dass er sein Volk fragt, wer denn in Polen regieren soll, die Partei, die polnisch ist und spricht, die PiS,  oder die Partei, die deutsch spricht und deutsche Interessen durchsetzt, die PO (der Großvater von Tusk war bei der Wehrmacht). Diese Erzählungen werden den Wahlkampf bis zum Ende begleiten.

Im Städtchen Bytom Odrzanski, dem ehemaligen Beuthen an der Oder, hat der Bürgermeister Sauter vor 20 Jahren einen Gedenkstein für einen hervorragenden deutschen christlichen Autor, Jochen Klepper, aufgestellt. Jetzt, nach 20 Jahren, kommt es zu Protesten. Sie sind gering, aber der Stein wird immer wieder als Verherrlichung der „Hitleristen“ (hitlerowiec) beschimpft. Für den Bürgermeister bedeutet es, dass wir uns langsam voneinander wegbewegen. Bisher hatte er gedacht, dass ein geschichtliches Verständnis vorhanden wäre. Die PiS versucht, eine Verständigung unmöglich zu machen. Sauter reiste vor 20 Jahren nach Pössneck, wo 50 Ehemalige aus Beuthen an der Oder wohnten. Erst war es schwierig sich zu verständigen, aber dann kamen sie auch immer wieder in ihre alte Heimatstadt. Es fanden Führungen statt, Konferenzen zur Geschichte des Ortes und der Region

Auch Czeslaw Fiedorowicz, der ehemalige Bürgermeister von Gubin, dem polnischen Teil von Guben, engagiert sich in der Grenzregion. Seit Jahren ist er im Vorstand der Euroregion Spree – Neiße – Bobr. Er hat auch für die Finanzierung der Konferenz in Bytom gesorgt. Solche Projekte seien im der Grenzregion wichtig. Schließlich haben Polen die Region nach dem 2. Weltkrieg übernommen und das Erbe ist wichtig und daran muss erinnert werden, das sei ihre Pflicht. Aber natürlich ist die Angelegenheit recht delikat, diese Gebiete gehörten seit Jahrhunderten zu Deutschland. Von der Reife der Entscheidungsträger hängt es ab, ob es gelingt. Diesseits und jenseits der Grenze gebe es schließlich ähnliche Probleme. Die Zusammenarbeit führt dazu, dass gemeinsame Werte entstehen. Deswegen ist er gegen alle Versuche, einen Keil zwischen Deutsche und Polen zu schieben. Nach seiner Meinung bestimmen Komplexe die antideutsche Rhetorik der jetzigen Regierung. Deutschland ist ein starkes Land, aber anstatt nach den Ursachen zu suchen, warum man selbst hinterher hinkt, machen sie die anderen schlecht.

Gegenseitiges Vertrauen sei wichtig, weil es Konflikte bewältigt, meint Prof. Adam Gorski von der Jagiellonen-Universität Krakau. Solche Initiativen wie in Bytom Odrzanski sind unerlässlich, um gute nachbarschaftliche Beziehungen aufzubauen. Es sei wichtig, dass die Menschen beiderseits der Grenze durch das Prisma des anderen schauen und sich nicht durch Vorurteile und Stereotypen einengen lassen, denn die sind auf beiden Seiten noch recht häufig anzutreffen. Die jeweiligen Aktiven an der Basis müssen vorangehen. Aber auch die Rolle des Staates ist nicht unbedeutend, denn er hat das Geld und bremst zu häufig die Initiativen an der Basis. Kurios sind die Forderungen bestimmter Regierungskreise, alle diesbezüglichen Initiativen würden die Genehmigung des Außenministeriums erfordern. Die Geschichte darf nicht für politische Ziele umgeschrieben werden, meint Prof. Gorski. Eine weitere Teilnehmerin sprach unter der Losung: Monolog + Monolog ist nicht = Dialog.

Die Oder hat sich nicht erholt                                            

Polityka, 11.4.2023

Im vergangenen Sommer starben 50 Prozent der Fische, 85 Prozent der geschützten Arten und etwa 90 Prozent der Weichtiere in dem vergifteten Fluss. Dies sind keine Schätzungen von Ökologen, sondern Daten, die von Wissenschaftlern des der Regierung unterstellten Instituts für Binnenfischerei in Olsztyn erhoben wurden. Es dauert viele Jahre, bis solche Arten heranwachsen wie jene, die tot aus dem Wasser gezogen wurden. Die an den Sperren herausgefischten Fische stellten nur einen kleinen Teil der toten Masse dar. Der Rest sank auf den Grund und zersetzte sich, wodurch günstige Bedingungen für das Gedeihen unerwünschter Organismen geschaffen wurden. „Es wird warm werden, der Stoffwechsel wird sich beschleunigen und es wird zur Blütenbildung kommen“, zeichnen Wissenschaftler das Szenario.

Der Sinn eines schnellen Fischbesatzes im Fluss ist fraglich. „Die Fische brauchen eine Nahrungsgrundlage, die sie derzeit nicht haben", sagt Prof. Czerniawski. „Wenn wir jetzt aufstocken, besteht ein 50prozentiges Risiko, dass wir Geld verschwenden. Wir wissen, dass Abwässer eingeführt werden. Die Oder ist eine Kloake in einem stabilen, aber kritischen Zustand."

Dr. Bogdan Wziatek, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des polnischen Anglerverbands sagt über den Gleiwitzer Kanal, der zur Oder führt: "Wir haben natürlich angenommen, dass die Situation nicht rosig ist. Der Kanal wird mit Wasser unterschiedlicher Herkunft aus Teilen Schlesiens gespeist, so dass man kaum erwarten kann, dass das Wasser darin kristallklar ist. Leider haben die Testergebnisse gezeigt, dass es nicht schlecht ist, sondern einfach nur tragisch. Der Abschnitt des Kanals, in dem die Proben genommen wurden, ist im Prinzip kein Oberflächenwasser mehr, sondern reines Grubenwasser."

Dr. Lukasz Weber, Spezialist für Umwelttechnik, kam zu dem Ergebnis, dass der Fluss zwischen dem 16.Oktober und dem 9.November 2022 zusätzlich 6000 Tonnen Salz (Chloride und Sulfate) pro Tag transportierte. Das sind 120 Kohlewaggons mit einer Kapazität von 50 Tonnen, über 140.000 Tonnen Salz in 24 Tagen.

Der Bergbau unter Tage kann nicht funktionieren, ohne große Mengen Wasser abzupumpen. Je tiefer ein Bergmann abbaut, desto salziger wird es. Man schätzt, dass ein Drittel des Salzes in der Oder und zwei Drittel in der Weichsel landen. Der Transport dieser wenigen Millionen Tonnen Salz pro Jahr ist eine Schuld des Bergbaus gegenüber den Flüssen. Bis Krakau ist die Weichsel so salzig, dass ihr Wasser unbrauchbar ist", berichtet der Hydrologe Mariusz Czop, Professor an der Krakauer Universität für Wissenschaft und Technik AGH. "Besser wird es erst, wenn sie mit dem San zusammenfließt, der das Wasser der Weichsel verdünnt."

Nur ein Bergwerk in Polen nutzt eine Entsalzungsanlage. Sie gehört der Jastrzebska Spóolka Weglowa (JSW), der es gut geht, weil sie Kokskohle abbaut. Die Geschichte der Entsalzungsanlage geht – wohlgemerkt – auf das Jahr 1974 zurück (sie wurde in den 1990er Jahren mit amerikanischer und schwedischer Technologie modernisiert). Offensichtlich wollte Gierek zeigen, dass ein Pole das auch kann. Jährlich werden hier ca. 70.000 Tonnen hochwertiges Speisesalz gewonnen. Anstatt in den Fluss Bierawka zu gelangen, wird das Salz auf den Markt gebracht. Krzysztof Baradziej, Präses der zu JSW gehörenden Wasserwirtschafts- und Rekultivierungsgesellschaft, macht keinen Hehl daraus, dass die Erlöse aus dem Salz derzeit nicht einmal die Kosten für den im Entsalzungsprozess verwendeten Strom decken.

Anscheinend gab es so etwas nirgendwo in Europa, denn Europa hat aus Kostengründen Zechen geschlossen, wo der Abbau schwierig, unrentabel und zu umweltschädlich wurde. Und Polen hat immer noch Probleme damit.

Einige Bergwerke haben keinen Fluss in der Nähe. Die Lösung war das Sammelbecken am Fluss Olza – eine Reihe von Reservoirs, die auf dem Gelände des ehemaligen Bergwerks Moszczenica gebaut wurden, und ein dazugehöriges Rohrleitungsnetz. Die Becken können rund eine Million Kubikmeter Abwasser aufnehmen. Sie werden im Gebiet von Krzyzanowice in die Oder eingeleitet.

Für die Einleitungen zahlt das Unternehmen 12-13 Mio. PLN pro Jahr (die so genannte Umweltgebühr) an die polnische Wasserbehörde, bei 5 g pro Kilogramm Chloride und Sulfate (50 PLN pro Tonne). Das bedeutet, dass aus den an den Olza-Sammler angeschlossenen Bergwerken 260.000 Tonnen Salz in die Oder fließen.

Dr. Krzysztof Berbeka, Professor an der Jagiellonen-Universität (Institut für Finanzen und Managementökonomie), der seit Jahren die Wirksamkeit des Umweltgebührensystems analysiert, räumt ein, dass die derzeitigen Strafsätze für Chloride und Sulfate so niedrig sind, wie sie niedriger nicht sein könnten. Sie sind einfach nur symbolisch. Außerdem wurden sie gegenüber den Zechen nicht durchgesetzt und gelten nach fünf Jahren als verjährt. Die Gebühren seien bewusst niedrig gehalten, um den Verursachern nicht "weh zu tun", folgert er.

Es gibt keine Bereitschaft, der Oder wirklich zu helfen, die Weichsel zu schützen. Die Regierungsstellen tun alles, um die Angelegenheit z verschleppen. Man will abwarten, das Problem verschleiern. Die Frage nach einem Notfallplan für den Fall einer toxischen Algenblüte im Jahr 2023 blieb unbeantwortet.

Siehe dazu auch einen Artikel in der Berliner Zeitung vom 19.4.:

https://epaper.berliner-zeitung.de/article/ac313983dfb5d69a7e2479c97b5de748bf4d7e8987ddad18ec5e571c23ac8f29

Hier gibt es Initiativen:

https://osobaodra.pl/de/

Polens Sicherheit bedroht durch US-TV-Kanal                                        Polityka, 15.3.2023

Das Außenministerium hat den amerikanischen Botschafter einbestellt, der darüber informiert wurde, dass die polnische Regierung besorgt ist, dass einer der Fernsehsender, der von Kapital aus seinem Land finanziert wird, Aktionen gegen die Republik Polen unternimmt, die darauf abzielen, sich gegen die Größe und Heiligkeit von Papst Johannes Paul II. zu richten, indem behauptet wird, er habe von der Pädophilie in der katholischen Kirche gewusst, was zu einer "Schwächung der Fähigkeit der Republik zur Abschreckung eines potenziellen Gegners und Widerstandsfähigkeit gegenüber Bedrohungen" führt.

Dies sollte das Volk zum Nachdenken bringen, denn sie hätten immer gehört, dass ihr Land stark und widerstandsfähig sei.

Piotr Glinski, Minister für Kultur und Nationales Erbe, sieht die Grundfesten des Staates bedroht, gehört doch der Große Heilige Johannes Paul II. zur Staatsraison, und ein solches Verhalten würde die Fundamente des Staates untergraben. Zudem sei dies eine innere Angelegenheit Polens; sie würden auch nicht in der amerikanischen Geschichte danach graben, ob einer ihrer Gründer nicht heilig gewesen wäre.

Pater Pawe? Gudzinski dazu: „Ein Bischof ist die Art von Vorgesetztem, der das Leben seiner Untergebenen genauestens kennt. Es erstaunt mich ein wenig, dass dies nun bewiesen werden muss. Warum aber werden diejenigen, die darüber informieren, von den Politikern an den Pranger gestellt!?“

Ansehen des polnischen Papstes steigt                                   

Tygodnik Powszechny", 3.4.2023

"Die neusten Umfrageergebnisse zeigen, für wieviele Polen JP II eine Autorität ist. Waren es 58 Prozent im Dezember 2022, so waren es nach Erscheinen des Filmes von Gutkowski 65 Prozent, und die Zahl ist sogar auf 72 Prozent angewachsen. Es sieht also danach aus, dass die meisten Polen anstatt eines kritischen Denkens, das Unruhe bringt, ein Gefühl der Stabilität und Verwurzelung haben wollen. In der heutigen Zeit ist das zwar überhaupt nicht abwegig, aber es sollte uns zu denken geben." Dies ist in der liberalen katholischen Wochenzeitung zu lesen.

Dieser "Krieg" wird die Reste der Jugend aus den Kirchen vertreiben  Polityka, 9.4.2023

In einem Interview sagt der katholische Theologe Prof. Kobylinski vom Philosophischen Institut für Ethik der Warschauer Kardinal-Stefan-Wyszynski-Universität: „Es gab eine Zeit, in der die Kirche von pädophilen Skandalen, Moral und Finanzen hätte gereinigt werden müssen. Viele Versäumnisse haben uns in diese Situation gebracht." Es war Karfreitag 2005 und man hörte die prophetischen Worte von Kardinal Joseph Ratzinger, an der neunten Station des Kreuzweges im römischen Kolosseum. Dort sagte er, die Kirche sei wie ein sinkendes Boot, das von allen Seiten Wasser aufnimmt, es gebe Schmutz in der Kirche. Das war das Ende des Pontifikats von Johannes Paul II. Warum befand sich die Kirche in einer so dramatischen Situation? Wer ist dafür verantwortlich? Warum hat niemand darauf gehört?

Die Frage, ob es denn möglich sei, eine unabhängige Kommission zu bilden, die sich mit all den Skandalen befasst, verneint er. Bisher waren alle Kommissionen, die sich mit geschichtlichen Fragen befassten, eine Fiktion, entweder fingen sie gar nicht erst an zu arbeiten, oder sie wurden schnell wieder aufgelöst.

Die Bischöfe mögen unterschiedliche Meinungen haben, aber entweder schwiegen sie oder sie sprachen mit einer Stimme. Eine Ausnahme gibt es jetzt, und die ist einmalig. Da spricht Erzbischof Jedraszewski im Zusammenhang mit der Veröffentlichung über JP II von einem zweiten Anschlag auf das Leben des Papstes; sein Untergebener Weihbischof Muskus meint, die Zurschaustellung eines Bildes von JP II werde „das Gesicht dieser Erde nicht verändern“. Allerdings sieht Prof. Kobylinski darin keine Umkehr in der Kirche. Es gibt immer weniger Interessenten für die Priesterlaufbahn, sodass die intellektuellen und persönlichen Anforderungen heruntergeschraubt werden, dabei sind die heutigen Priester diesbezüglich bereits auf einem niedrigen Niveau.

Was die Trennung von Kirche und Staat anbelangt, so gibt es schon lange Probleme und die sind jetzt gewachsen. Nun haben sich in den letzten Wochen die beiden medialen Blasen vereinigt. „Der Krieg um Johannes Paul II. wird weitreichende negative Folgen haben. Wir waren schon vor dem Ausbruch dieser Affäre tief in zwei feindliche, hasserfüllte Stämme gespalten, aber es gab noch eine kleine Chance auf einen Dialog. Die jüngste Zeit hat die politische Szene betoniert. Und es gibt keine Chance, diese tiefe Spaltung in den nächsten drei Jahren zu überwinden, die von vier Wahlkämpfen – vom Parlaments- bis zum Präsidentschaftswahlkampf – geprägt sein werden." Das heißt, um es brutal auszudrücken, Johannes Paul II. wird als politischer Hammer gegen Hexen eingesetzt werden? „Das ist er bereits und wird es zunehmend sein.“

Die Hysterie zeigt sich am Beispiel der Einbestellung des USA-Botschafters, der das stärkste Land der Welt und unseren wichtigsten Partner repräsentiert, unter dem Vorwand, es würde ein hybrider Krieg gegen Polen geführt. Der Anlass war, dass der Sender, der diese kritische Dokumentation ausgestrahlt hat, amerikanische Eigentümer hat. Dies sollte in das Guinness Buch der Absurditäten eingehen.

Auf der einen Seite werden jetzt Märsche und Kundgebungen zur Verteidigung von JP II durchgeführt, auf der anderen werden die Beseitigung seiner Denkmäler und der Rückzug der Religion aus der Politik fordern. Dies wird die Kirche in ein weiteres Abseits führen, die letzten jungen Leute werden der Kirche den Rücken kehren. Alle Vorschläge für Aufarbeitung und Reformen der Kirche werden als ein Kampf des Antichristen angesehen.

Seitens des jetzigen Papstes ist keine Hilfe zu erwarten. „Für den Vatikan spielt es keine Rolle, was in Polen geschieht. Deshalb wird uns niemand helfen, unseren mörderischen Religionskrieg zu beenden."

Gefühle der Opfer mit Füßen getreten                                              studioopinii.pl, 3.4.2023

Der 2.April 2023 (Todestag 2005) wird in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem der Mythos Johannes Paul II., neben der Resolution im Sejm, Einzug in die Politik hielt. An dem Tag war das Volk aufgerufen, zum Schutz des guten Namens dieses polnischen Papstes auf die Straße zu gehen. Dabei gab es keine Aussagen über den Anlass des Marsches. Dadurch wurde dieser Mythos eher ins Lächerliche gezogen. Dabei wurden die Leiden der Opfer vollkommen ausgeblendet. Oder war es ein Marsch zur Verteidigung der Pädophilen in Soutanen und derer, die sie über Jahrzehnte geschützt haben, wie die Gegner sagten? Dabei wollen Kirche und Regierung Beweise für die Vertuschung durch JP II aus der öffentlichen Erinnerung verbannen, wie üblich bei Autoritären. Aber es wird nicht gelingen. Schon jetzt zeigen sich Memes, die den Papst lächerlich machen, und es werden immer mehr. Und es verbreiten sich Figürchen von ihm ähnlich den Gartenzwergen – dies ist nur lächerlich.

Der Dominikaner Marcin Mogielski wechselt die Kirche                            studioopinii.pl, 9.4.2023

Nach 29 Jahren im Dienste der katholischen Kirche schreibt er auf Facebook:

"Ihr Lieben, nach harten Jahren des Einforderns der kirchlichen Institution, sich auf die Seite der Misshandelten und Ausgegrenzten zu stellen, habe ich festgestellt, dass dieses System keine Veränderung will. Meine Hände sind zu kurz und die Macht, die sie über mich haben, ist stark und effektiv. Ich bin immer noch Christ, aber in der evangelisch-lutherischen Kirche.“

In seiner letzten Predigt in seiner katholischen Kirche in Wroclaw brandmarkte er, dass die Kirche Wasser predigt und Wein trinkt. „Jesus wurde rausgeworfen. Ohne ihn werden die Geistlichen nur schöne Gewänder tragen, Fassaden der Kirchen reparieren. Bald wird bei der Kirche kein Stein mehr auf dem anderen bleiben, wie einst beim Tempel von Jerusalem.“ Die Predigt schloss er mit einem Gebet für die Umkehr der Bischöfe, „damit sie ihre Macht nicht für ihre eigenen politischen und geschäftlichen Ziele missbrauchen. Sie mögen auf der Höhe ihrer Aufgaben stehen, die sich um ihre Schafe sorgen und nicht um sich selbst!“

In Polen sind die meisten Mitglieder in der evangelischen Kirche ehemalige Katholiken. Dazu St. Obirek: „Im 16. Jahrhundert zog ein ehemaliger Augustinermönch das halbe katholische Deutschland mit sich; in der Schweiz war der Zürcher Pfarrer Huldrich Zwingli sehr erfolgreich. In beiden Fällen ging es wie im Fall von Mogielski um die Rückkehr zu den Wurzeln des Christentums." Ob es in Polen auch dazu kommen könnte?

Die Polen, der Papst und die Kirche                                                          Polityka, 14.4.2023

Als 2019 der Film der Gebrüder Sekielski über Pädophilie in der Kirche veröffentlicht wurde, war noch kein Platz für einen offenen Angriff auf die Institution. Drei Jahre später kann man mit der Kirche wie mit einem Ball spielen und sie von links nach rechts über das ganze Feld kicken. Die Kirche verliert ihre Gläubigen und hört auch auf, eine Institution des öffentlichen Vertrauens zu sein. Aber das hat nichts mit dem Umgang mit Johannes Paul II. zu tun. Das mag für den einen oder anderen beleidigend klingen, aber wir sprechen hier von einer Figur, die den Status eines Prominenten hat. Und sogar noch mehr als das. Als der Papst nach Polen kam, war es wie die Ankunft eines Superstars. Ein halbes Jahr wurde sich darauf vorbereitet.

Für die Polen ist Johannes Paul II. natürlich ein Papst, aber vor allem ein polnisches Symbol. Ein Beweis dafür, dass die Polen wichtig sind, dass sie respektiert werden. Wir sind sehr empfindlich, wenn es darum geht, von anderen respektiert zu werden, und das kommt von unseren Komplexen. Johannes Paul II. war derjenige, der es geschafft hat. Derjenige, dem die ganze Welt zugehört hat.

Die größte Offenheit für Kritik an Johannes Paul II. ist bei den Jüngsten zu beobachten, die bereits am Rande des Pontifikats oder nach dem Tod des polnischen Papstes aufgewachsen sind. Für sie ist er ein alter Mann in Kleidern. Wahrscheinlich mit einem Sinn für Humor, denn jemand hat ihm ein Meme geschickt, auf dem er ein lustiges Gesicht macht. Aber im allgemeinen assoziieren sie nichts mit ihm. Sie lachen nicht über ihn, nicht weil sie eine schlechte Einstellung zu ihm haben, sondern weil sie keine Gefühle für ihn haben.

Bei der Wahlkampagne kommt der PiS entgegen, dass die Polen die Sehnsucht nach einer Autorität haben, besonders weil die PiS während ihrer langen Regierungszeit sich sehr darum bemüht hat, Autoritäten auszuschalten. Durch die Haltung der Bischöfe zu dem Gesetz über das Verbot der Abtreibung hat die Kirche ihre Autorität verloren. Seitdem (2020) wenden sich in immer größerem Tempo Menschen von der Kirche ab.

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