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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2023

Gleiche Rechte, Anerkennung und Selbstbestimmung
dokumentiert

»Gleiche Rechte« und »Selbstbestimmung« hieß es am 8.März in vielen deutschen Städten. Ver.di hatte an diesem Tag die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst zum Streik aufgerufen, 70000 sollen dem Folge geleistet haben. Parallel dazu mobilisierten unabhängige Frauengruppen zu eigenen Kundgebungen.

Zu einer gemeinsamen Demonstration kamen die beiden Stränge eher nicht zusammen, dennoch sorgten einigenorts die verschiedenen, über den Tag verteilten Aktionen dafür, dass das Anliegen dieses 8.März in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde.

Anerkennung
Für Ver.di stand die gesellschaftliche Anerkennung der Arbeit der Erzieherinnen und Sozialarbeiterinnen sowie »gleicher Lohn für gleiche Arbeit« im Mittelpunkt. Das Angebot der Arbeitgeber aus der parallel stattfindenden Tarifverhandlungsrunde für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst hatte die Gewerkschaft als »völlig unzureichend« abgelehnt.
Nach wie vor verdienen Frauen in Deutschland im Schnitt 18 Prozent weniger als Männer. Die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern symbolisiert der Equal Pay Day – das ist der Tag im Jahr, ab dem Frauen das Gehalt bekommen, das die Männer bereits am 31.Dezember des Vorjahres hatten – bis dahin haben Frauen sozusagen umsonst gearbeitet. In diesem Jahr fiel der Equal Pay Day auf den 7.März. Ver.di thematisierte an dem Tag vor allem die Lohnunterschiede in der Kulturbranche. Hier verdienen etwa selbständige Künstlerinnen im Durchschnitt sogar 24 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Besonders krass sind die Einkommensunterschiede in den Bereichen Mode (46 Prozent), Theater/Film (34 Prozent) und Malerei (29 Prozent).
Das Bundesarbeitsgericht hatte Mitte Februar entschieden, dass Unternehmer nicht ohne weiteres Frauen weniger Lohn bezahlen dürfen, nur weil die Männer ein »besseres Verhandlungsgeschick« haben. Frauen haben Anspruch darauf, für eine gleichwertige Tätigkeit auch das gleiche Gehalt zu erhalten wie ihre männlichen Kollegen. Nach Angaben der Vereinten Nationen kann es bis zu 286 Jahre dauern, bis die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen sind, die sicherstellen, dass Frauen gleiche Rechte und gleichen Schutz haben. (Die UNO will die Gleichstellung der Geschlechter bis 2030 erreicht haben.)

§218 und Gewalt
Für die unabhängigen Frauengruppen stand vielfach die vollständige Streichung des §218 und die Solidarität mit den Frauen im Iran und in der Ukraine im Vordergrund. Nach der Abschaffung des §219a (Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche) sehen Frauen in der derzeitigen Regierungskonstellation eine günstige Voraussetzung, auch den historisch überfälligen Abtreibungsparagrafen endlich zu Fall zu bringen.
Die größten Aktionen fanden in Berlin statt, dort ist der 8.März seit 2019 ein Feiertag (Mecklenburg-Vorpommern hat in diesem Jahr nachgezogen). Hier sprach das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung von mehr als 10000 Menschen, die an der eigenen Demonstration und an der von Ver.di teilgenommen hätten. Auf der abschließenden Kundgebung sprachen Frauen aus der Ukraine, aus Russland, dem Iran, Afghanistan, Syrien, Türkei, Polen und den USA. Daneben gab es verschiedene andre Veranstaltungen, wie etwa eine queerfeministische Fahrraddemo, eine Demonstration in Solidarität mit den Frauen im Iran, und ein Konzert am Abend. Tausende gingen auch in Freiburg auf die Straße.

International
Selbstbestimmung und gleiche Rechte dominierten auch die internationalen Frauenproteste.
In Indonesien forderten Frauen vor dem Parlament in Jakarta endlich die Verabschiedung eines lang erwarteten Gesetzes zum Schutz von Hausangestellten. In Manila (Philippinen) organisierten verschiedene Frauenorganisationen wie Gabriela oder Women Workers United sowie der Gewerkschaftsverband KMU eine Aktion gegen die niedrigen Löhne und die hohe Frauenarbeitslosigkeit, aber auch gegen die politische Unter­drückung und die anhaltenden Angriffe auf Frauenrechtsaktivistinnen. In ­Lahore (Pakistan) demonstrierten 2000 Frauen für fundamentale Rechte – etwa das Recht zu heiraten, wen sie wollen.
In den USA richteten sich die Kundgebungen vor allem auf die Verteidigung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch. In verschiedenen Staaten Südamerikas wurde die grassierende Gewalt an Frauen und die extreme Zahl von Femiziden angeprangert.
In Spanien versammelten sich am Abend eine Million Menschen zu verschiedenen Großkundgebungen. Die Empörung der Frauen richtete sich u.a. dagegen, dass die sozialdemokratische Regierung das erkämpfte fortschrittliche Sexualstrafrecht »Nur ja heißt ja« zurücknehmen will.
In Frankreich demonstrierten einen Tag nach der Drei-Millionen-Mobilisierung wieder Zehntausende gegen die Rentenpläne von Macron, die insbesondere Frauen benachteiligen, sowie gegen Lohnungleichheit und für die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. ­Allein in Toulouse folgten 25000 Menschen einem gemeinsamen Aufruf der feministischen Organisationen und der acht im Bündnis gegen die Rentenpläne zusammengeschlossenen Gewerkschaften. In Frankreich ist die Lohnungleichheit noch stärker ausgeprägt als bei uns: Hier liegen Frauenlöhne im Schnitt um 27 Prozent unter den Männerlöhnen, ihre Rente sogar um 40 Prozent. Thema war aber auch hier die Gewalt gegen Frauen und das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper.

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