Das Wirken exilkroatischer Gruppen in Deutschland
von Peter Nowak
Matthias Thaden: Migration und Innere Sicherheit. Kroatische Exilgruppen in der Bundesrepublik Deutschland 1945–1980. Berlin: De Gruyter, 2022
Sie warfen die Sprengkörper in die jugoslawische Handelsmission. Dann übergossen sie Möbel, Teppiche und Akten mit Benzin, sodass binnen weniger Minuten alles in Flammen stand. Der Hausmeister der Handelsmission wurde im Beisein seines 12jährigen Sohnes durch einen Lungenschuss getötet.
Dieser Anschlag ereignete sich am 29.November 1962 in Mehlem bei Bonn und war der Höhepunkt der Terrorwelle von rechten exilkroatischen Gruppen. Sie konnten über Jahre in der BRD fast unbehelligt agieren und Terror nicht nur gegen jugoslawische Einrichtungen, sondern auch gegen Menschen aus Jugoslawien ausüben, die sich nicht vor den Karren der Rechten spannen lassen wollten.
Bisher ist über die rechten Strukturen der Exilkroat:innen wenig bekannt. Da hat der Historiker Matthias Thaden mit seinem Buch Migration und innere Sicherheit. Kroatische Exilgruppen in der Bundesrepublik 1945–1980 Pionierarbeit geleistet. Es ist auch ein Stück verspätete Geschichtsaufarbeitung. Schließich handelte es sich größtenteils um Anhänger des kroatischen Ustaša-Regimes, eines engen Bündnispartners von Hitlerdeutschland. Sie einte der Hass auf Linke und Juden. Nachdem die jugoslawische Partisanenbewegung unter Tito die kroatischen Faschisten vertrieben hatte, fanden führende Funktionär unter ihnen in Nazideutschland Zuflucht. München wurde ihre inoffizielle Hauptstadt.
Thaden beginnt mit einem Exkurs zum Ustaša-Staat, der sich Unabhängiger Staat Kroatien (NDH) nannte und im Krieg an der Seite von Nazideutschland und dem faschistischen Italien stand. In den zwei Jahren der Ustaša-Herrschaft von 1941 bis 1943 wurden nach neuesten Schätzungen 310000 Serb:innen, rund 26000 Jüdinnen und Juden und 20000 Angehörige der Romaminderheit ermordet. Nicht wenige der Täter, denen die Flucht vor der siegreichen Partisanenbewegung gelang, konnten sich in der BRD im beginnenden Kalten Krieg bald wieder im alten Sinne betätigen. Selbst Mitglieder der wegen ihrer Mordaktionen besonders berüchtigten Waffen-SS-Division Handžar konnten in der BRD unbehelligt agieren. Unterstützt wurden sie vom Klerus, politisch hielt das Bundesvertriebenenministerium die Hand über sie.
Kämpfer gegen den Bolschewismus
Auch in den kroatischen Exilstrukturen sorgte die Frage, ob man zumindest taktische Zugeständnisse an die neue Zeit machen sollte, für Zerwürfnisse und Spaltungen. So bemühte sich das Kroatische Nationalkomitee (HNO) nach dem Vorbild vieler Exnazis in Deutschland, als Kämpfer für das Abendland gegen den Bolschewismus aufzutreten und die NS-Bezüge zurückzustellen. Dagegen standen die Vereinigten Kroaten Deutschlands (UHNj), die ein ungebrochen positives Verhältnis zur faschistischen Vergangenheit Kroatiens propagierten und selbst taktische Neuausrichtungen als Verrat bezeichneten.
Thaden zeigt aber auch an verschiedenen Beispielen, dass auch die angeblich gemäßigtere HNO enge Kontakte zu Altnazis unterhielt.
Lange wurden diese Aktivitäten auch von den westdeutschen Behörden zumindest toleriert. Das änderte sich in den 60er Jahren im Zuge der Entspannungspolitik. Das blockfreie Jugoslawien wurde zum Partner der BRD und da passten die Aktionen der Ewiggestrigen nicht mehr so ins Bild. Plötzlich wurde über Ausländerkriminalität gesprochen, und die exilkroatischen Strukturen wurden zum ersten Beispiel. Thaden beschreibt sehr detailreich, wie hier ein neues Betätigungsfeld für die repressiven Staatsapparate geschaffen wurde.
Die 90er Jahre
Thadens materialreiche Studie endet 1980. In einem der letzten Kapitel geht er auf die Kontakte zwischen rechten Kroaten und verschiedenen alt- und neofaschistischen Gruppen in der BRD ein. Mit Verweis auf das Antifaschistische Infoblatt erwähnt der Autor, dass diese Verbindungen in den 90er Jahren dazu führten, dass bekannte Rechte aus Deutschland auf der Seite Kroatiens gegen die jugoslawische Armee kämpften. Damals wurde mit der von Deutschland mit vorangetriebenen Politik der Zerschlagung Jugoslawiens ein zentrales Ziel der rechten Exilkroaten umgesetzt: ein eigener Staat, der sich in der Gedenkpolitik positiv auch auf Gestalten aus dem Ustaša-Regime bezieht. Damals gab es noch eine deutschlandkritische Linke, die auf diese Kontinuitätslinien hinwies.
Heute scheint sich die damals von vielen befürchtete Schlussstrichpolitik weitgehend durchgesetzt zu haben, wie sich an der Ukraine zeigt. Wer heute kritisiert, dass in der Ukraine zeitweilige Nazikollaborateure wie Stefan Bandera Denkmäler gesetzt werden, gilt schon als Putin-Versteher. Dabei bestehen viele Parallelen zwischen den rechten exilkroatischen und den exilukrainischen Strukturen, die sich beide vorzugsweise in München niedergelassen haben. Es wäre zu hoffen, dass es auch dazu Forschungen und aufklärerische Bücher geben wird, wie sie Matthias Thaden am Beispiel der Exilkroat:innen geleistet hat.
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