Nr.141/142, 2022/2023, 10 Euro
von ak
Die neue Ausgabe des telegraph überrascht durch ihre eindeutige geopolitische Positionierung. Die Ostberliner Zeitschrift ist aus den Umweltblättern hervorgegangen, die eine wichtige oppositionelle Stimme in der DDR war.
Magda Dyachenko untersucht den Zusammenhang zwischen Nationalismus im Innern und der Renationalisierung der Außenpolitik am Beispiel der Ukraine – ein dankbares Thema, das gerne noch weiter aufgefächert werden darf. In den Focus gerät wieder der rechte Nationalismus; eine mögliche – oder auch nicht mögliche – Besetzung des Thema von links wird nicht diskutiert. Erhellend ist, was sie über »Selenskys Pirouetten« schreibt – wie er, der nicht selber eine oligarchische Hausmacht hinter sich hat, zum Spielball der verschiedenen in- und ausländischen Mächte wird, die auf ukrainischem Territorium operieren.
Jörg Kronauer geht den globalen Kräfteverschiebungen nach, die durch den Ukrainekrieg deutlich – und verstärkt – werden. Allen Geländegewinnen der NATO zum Trotz konstatiert er eine Erosion westlicher Dominanz – allein gemessen in Anteilen am Weltsozialprodukt, aber dies ist natürlich nicht der einzige Gradmesser. Die Messen sind jedoch nicht gesungen – das kommt bei ihm ein bisschen zu kurz, mal abgesehen davon, dass Linke sich natürlich fragen müssen, was die arbeitende Klasse davon hat, wenn eine imperialistische Dominanz durch eine andere abgelöst wird.
Was diese Ausgabe aber vor allem lesenswert macht, ist der Beitrag von Malte Daniljuk, in dem er erläutert, wie der Krieg dazu beigetragen hat, eine von längerer Hand geplante Liberalisierung der Gasmärkte durch ein hartes Sanktionsregime gegenüber Russland mit der entsprechenden Verknappung von Gas zu puschen und die EU in die Abhängigkeit von US-amerikanischen Lieferungen zu drängen.
Und natürlich Helmut Höge, dieses journalistische Urgestein, der höchst aufmerksam verfolgt, wie im Angesicht des Krieges die freiwillige Gleichschaltung der Presse funktioniert.