In Hanau machen Ver.di und IG Metall vor, wie man sich gegenseitig unterstützen kann
von Friedhelm Winkel, Hanau
Das Interview mit Andreas Müller von der EVG in der Mai-Ausgabe der SoZ steht unter dem Motto: »Eine Strategie der Gemeinsamkeit«. Das nehme ich zum Anlass, um über eine solche Strategie von IG Metall und Ver.di in Hanau (Main-Kinzig-Kreis) zu informieren, auf die in diesem Gespräch leider nicht hingewiesen wurde.
Mitte Oktober einigten sich IG Metall, Ver.di und örtliche Initiativen in Hanau über ein gemeinsames Vorgehen in gewerkschaftlichen, sozialen und friedenspolitischen Fragen. Die Folge war die Gründung des »Bündnisses für Frieden und soziale Gerechtigkeit«, das immer noch aktiv ist. Ihm gehören an: DGB-Region Südosthessen, IG Metall Hanau/Fulda, Ver.di Main-Kinzig/Osthessen, Hanauer Friedensplattform, DIDF Hanau (einschließlich DIDF-Jugend), VVN-BDA Main-Kinzig, Fridays for Future Hanau und der Internationale Jugendverein Hanau.
Die IG Metall bestimmte die inhaltliche Richtung für die Warnstreikaktion am 17.November. Das Besondere in Hanau lag aber gerade darin, dass die örtliche Gewerkschaftsführung sozial- und friedenspolitische Fragen mit den Tarifforderungen verknüpfen wollte, weil diese Themen die Lohnabhängigen in erster Linie angehen, die höheren Gewerkschaftsebenen aber nichts unternehmen, um eine solche breite Auseinandersetzung zu führen. Sie sah sich darin einig mit großen Teilen ihrer Basis, besonders in den großen und kampfstarken Betrieben in Hanau und Umgebung wie Vacuumschmelze und ThermoFisher. Irgendwer muss doch irgendwo damit anfangen, sonst bewegt sich gar nichts, so die Logik.
Die DGB-Gewerkschaften, vor allem die höheren Ebenen und Vorstände, zeigen sich einig mit dem Kurs der Bundesregierung (Ampelkoalition), die sich wiederum im geostrategischen Vorgehen zur Schwächung Russlands der »westlichen« Führungsmacht USA unterordnet.
Das Mobilisierungsflugblatt, das die IG Metall in Zusammenarbeit mit Vertreter:innen der Initiativen entworfen hatte, enthält auf der Vorderseite die tariflichen, auf der Rückseite die sozial- und friedenspolitischen Forderungen.
Konkret werden folgende Themen angesprochen: diplomatische Bemühungen zur Beendigung des Krieges, Stopp der Aufrüstung der Bundeswehr, Umwidmung des 100-Milliarden-Aufrüstungspakets in ein Investitionsprogramm für Jugend, Soziales, Umwelt, Gesundheit und Bildung, eine Energiepreispauschale und weitere wirksame staatliche Regelungen, Nahverkehrsticket, Übergewinnsteuer, allgemein höhere Besteuerung von Kapitaleinkünften, Erbschaften und Vermögen, klimafreundliche Energieversorgung, Ausweitung der Tarifbindung und Erhöhung der Mindestausbildungsvergütung.
An der Kundgebung am 17.November 2022 beteiligten sich je nach Schätzung 800–1000 Kolleg:innen. Die Stimmung unter den Anwesenden war gut. Neben dem Meer von IG-Metall-Fahnen waren auch viele Ver.di-Fahnen sowie Transparente der verbündeten Initiativen zu sehen.
Der Erfolg konnte am 23.März 2023 bei der Ver.di-Warnstreikaktion in der Tarifrunde ÖD B/K wiederholt werden: Hier waren es 2000 Kolleg:innen aus Hanau und Umgebung und auch Fahnen aus der IG Metall.
Im Ver.di-Flugblatt, das im Layout dem der IG Metall angeglichen war, lauteten die Forderungen (auf die Tarifrunde ÖD bezogen): »Aufrüstungspakete in die Bereiche, die ein gutes Leben für alle Menschen sichern und fordern: Umwidmung des 100-Milliarden-Aufrüstungspakets der Bundeswehr in Bildung, Pflege, soziale Arbeit, die öffentliche Verwaltung, eine funktionierende Infrastruktur, klimagerechte Mobilität, gepflegte Grünanlagen und Parks, interessante Kulturangebote, in gelungene Integration und sozialen Zusammenhalt – kurzum in die öffentliche Daseinsvorsorge. 15 Milliarden Euro kostet die Umsetzung der Tarifforderung und würde eine bedeutsame Steigerung der Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit im öffentlichen Dienst bedeuten.«
Hanau ist mit rund hunderttausend Einwohner:innen eine eher kleine Stadt, bundesweit nicht von besonderem Gewicht. Da hilft auch nicht der Status einer relativ starken Industrialisierung oder die Position am Rande des wirtschaftsstarken Rhein-Main-Gebiets. Der Versuch der Politisierung der gewerkschaftlichen Tarifarbeit, der in Hanau gemacht wurde, hat insofern Bedeutung, als jemand den Anfang machen muss. Es wäre wünschenswert, wenn es aufgegriffen würde.
Weitere Infos: zum 17.November 2022: https://arbeiterpolitik.de/2022/12/was-zum-teufel-hat-der-krieg-in-der-ukraine-mit-dem-warnstreik-zu-tun/; zum 23.März 2023: https://arbeiterpolitik.de/2023/04/die-richtung-bleibt-frieden-und-soziale-gerechtigkeit/