Nicht allein die Dürre macht Trinkwasser knapp
von Christine Poupin
Massive und entschlossene Mobilisierungen gegen Megabecken, Frühjahrsbrände, Dürrewarnungen, Wasservergiftung… Die Nachrichten erinnern auf grausame Weise daran, wie lebensnotwendig Wasser ist und wie sehr der Zugang zu Wasser für alle sowohl durch das Klimachaos als auch durch die kapitalistische Aneignung ernsthaft bedroht ist.
Mitte April zerstörte das Feuer mehr als 930 Hektar im Département Pyrénées-Orientales, das zwischen den Pyrenäen und der Mittelmeerküste liegt. Waldbrände, die den ganzen Sommer über sehr häufig auftreten, verwüsten regelmäßig die südfranzösischen Regionen und die Landes, aber noch nie wurde ein so starkes Feuer so früh in der Saison verzeichnet.
Die starken Winde haben das Feuer sehr schnell angefacht und ausgebreitet, doch die eigentliche Ursache für die Katastrophe ist in erster Linie die Dürre, die die Region seit Monaten hart trifft. Die Böden sind trocken, das Grundwasser kann sich nur schwer wieder auffüllen und die ausgetrocknete Vegetation ist leicht zu entflammen. Alle Voraussetzungen waren und sind gegeben, um Brände wüten zu lassen.
Die Flammen sind der spektakulärste Ausdruck einer globalen Dürre, die dieses Département besonders hart trifft, den Zugang zu Trinkwasser einschränkt und die landwirtschaftliche Produktion unter Druck setzt. Lächerlich und beunruhigend zugleich: Am 18.März fantasierte der für Wasser zuständige Stadtrat von Perpignan (vom Rassemblement National, der Partei von Marine Le Pen) eine katholische Prozession herbei, um Regen zu erzeugen!
Am 9.Mai gab die Präfektur bekannt, dass für den größten Teil des Départements aufgrund der historischen Dürre der Notstand, d.h. die höchste Alarmstufe, ausgerufen worden sei. Dieses Gebiet weist nach Angaben der Behörden ein »Niederschlagsdefizit auf, das sehr außergewöhnlich bleibt, zwischen -60 und -65 Prozent in den letzten zwölf Monaten«.
Das Phänomen ist jedoch viel allgemeiner. Ende April hatten siebenundvierzig Départements die Wachsamkeits-, Alarm- oder die Krisenstufe ausgerufen.
Im Sommer 2022 hatte eine schwere Dürre geherrscht, tausend Gemeinden hatten ernsthafte Probleme, fast vierhundert mussten mit Flaschen oder Tanks versorgt werden.
Der Sommer 2023 verspricht, noch schlimmer zu werden. Laut dem Büro für bergbauliche und geologische Untersuchungen (BRGM – Bureau de recherches géologiques et minières) lagen im Februar 2023 80 Prozent der Grundwasserspiegel unter dem Normalwert. »Die Grundwasserstände von 2023 sind deutlich niedriger als die von 2022«.
Grund dafür sind die »Hinterlassenschaften« des Hitzesommers und der anhaltenden Hitze bis November sowie 32 Tage ohne Regen zwischen dem 21.Januar und dem 22.Februar, während das Grundwasser sich normalerweise von September bis März auffüllt und durchschnittlich 88 Prozent der jährlichen Süßwasservorräte liefert.
Obwohl der regnerische März die Bodenfeuchtigkeit an der Oberfläche teilweise wiederhergestellt hat, ist die Lage der Grundwasserspiegel mit niedrigen und sehr niedrigen Werten weiterhin besorgniserregend. Hinzu kommt, dass es auf fast allen Bergmassiven an Schnee mangelt, dessen Schmelze im Frühjahr ist unerlässlich, um die Flüsse und Seen zu speisen.
Die Dürren stehen in engem Zusammenhang mit dem Klimawandel, erklärt Simon Mittelberger, Klimaforscher bei Météo-France: »Dort wo die Dürren der 1980er und 1990er Jahre hauptsächlich auf Regenmangel zurückzuführen waren, beginnen die heutigen und zukünftigen Dürren mit Regenmangel, fallen aber aufgrund der steigenden Temperaturen viel intensiver aus.«
Brunnenvergifter
Am 6.April entdeckte ein Bericht der Nationalen Agentur für die gesundheitliche Sicherheit der Ernährung und der Umwelt (ANSES) hohe Konzentrationen eines Abbauprodukts des Fungizids Chlorthalonil im Trinkwasser, es wird als krebserregend eingestuft und ist seit 2019 in Europa verboten. Zwischen einem Drittel und der Hälfte der Bevölkerung soll davon betroffen sein.
Gleichzeitig werden die Ergebnisse einer im Februar 2022 von der damaligen Umweltministerin in Auftrag gegebenen Studie zu Per- und Polyfluoralkylen (PFAS), die im Oktober 2022 veröffentlicht werden sollten, vom Büro der Premierministerin immer noch unter Verschluss gehalten. Aufgrund ihrer hohen Persistenz in Böden, im Wasser und in bestimmten lebenden Organismen werden sie auch als ewige Schadstoffe bezeichnet. Ihre toxischen Auswirkungen sind vielfältig und nachgewiesen: Krebs, Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit und die Entwicklung des Fötus, auf das Immunsystem…
Die Vergiftung des Wassers durch verschiedene Industrien und die industrielle Landwirtschaft ist eine Katastrophe und ein Gesundheitsskandal, zu dem die zerstörerischen Folgen für die Artenvielfalt noch hinzukommen. Dennoch findet sich in dem von Macron vorgelegten Wasserplan kein einziges Wort zu diesem Thema.
Schlimmer noch, der Landwirtschaftsminister, ein großer Freund des Bauernverbands FNSEA (Fédération nationale des syndicats d’exploitants agricoles), setzt sich dafür ein, das Verbot von S-Metolachlor aufzuheben, einem als krebsverdächtig eingestuften Herbizid, das für die fast flächendeckende Verschmutzung des Grundwassers verantwortlich ist.
Wasser für wen und wofür?
Die Wasserknappheit wirft die Frage auf, wie Wasser genutzt und geteilt wird. In Frankreich verbraucht die Landwirtschaft 58 Prozent des Wassers, wovon etwa 90 Prozent für die Bewässerung verwendet werden, die wiederum zur Hälfte dem Anbau von Mais dient. Ein Viertel des Wassers wird also nicht, wie von der Präsidentin des Verbands der Agrargewerkschaften behauptet, für die »Produktion (unserer) Lebensmittel« verbraucht, sondern für den Anbau von Kulturen, die für den Export, als Tierfutter oder für Bioethanol bestimmt sind.
Diese Frage wird jetzt dank der außerordentlichen Mobilisierung von Bassines non merci (Becken nein danke) und den Soulèvements de la Terre (»Aufstände der Erde«, einer Bewegung, der vom Innenminister die Auflösung angedroht wurde) gegen die Megabecken im Poitou, die von zahlreichen Organisationen, darunter der Confédération Paysanne (Mitglied von Via Campesina) unterstützt wurde, mit aller Macht gestellt.
Ein Megabecken ist ein Stausee mit einer Fläche von bis zu 18 Hektar (das entspricht 25 Fußballfeldern), der mit einer Plastikplane ausgekleidet und mit abgepumptem Grundwasser gefüllt wird, in dem das Wasser steht und teilweise verdunsten wird, bis es im Sommer den Mais bewässert, der dem Agrobusiness und der Massentierhaltung zugute kommt.
Die Antikapitalist:innen, Umweltschützer, Bäuerinnen und Bauern, die gemeinsam nach Sainte-Soline mobilisierten, prangern ein kapitalistisches, klimaschädliches und staatlich gefördertes Agrarmodell an, das hauptsächlich aus öffentlichen Geldern und von den Nutzern finanziert wird, und stellen sich ihm entgegen.
Es ist mehr als dringend, Wasser endlich als das kostbare, seltene und lebensnotwendige Gemeingut zu behandeln, das es ist, indem man es aus den Klauen der kapitalistischen Konzerne befreit, den kostenlosen Zugang zur Befriedigung der Grundbedürfnisse garantiert und mit der industriellen Landwirtschaft bricht, die es sich aneignet, verschmutzt und verschwendet.
Dringend notwendig sind auch der Kampf gegen den Klimawandel und der Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe.
Christine Poupin ist Sprecherin der französischen NPA (Nouveau Parti Anticapitaliste) und in der Umweltbewegung aktiv
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