Energiekonzerne sind die größten Verbraucher, die Landwirtschaft der größte Verschmutzer
von Gerhard Klas
Der Sommer steht vor der Tür – und das Wasser in den Urlaubsregionen wird knapp oder ist so verschmutzt, dass niemand mehr dorthin will. In Barcelona soll wegen Knappheit die Wassernutzung für Touristen eingeschränkt werden. An Karibikstränden bleiben die Sonnenliegen leer, weil es nach verfaulten Eiern und verdorbenem Fisch stinkt.
Ursache ist eine Braunalgenplage. Grundsätzlich sind diese Algen ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems und Schutzraum für Krabben, Fische und Schildkröten. Aber wenn es zuviele davon gibt, wird die Alge zur Gefahr. Bei der Verrottung entstehende toxische Verbindungen, die zu Ausschlägen und Hautreizungen führen. Derzeit erstreckt sich von Mexiko bis nach Afrika ein 8000 Kilometer langer Braunalgenteppich.
Ein Grund für das übermäßige Wachstum sei, so Experten, dass die Flüsse mehr Nährstoffe mit sich führen als früher. Das habe mit der intensiven Landwirtschaft zu tun: Weil zu viel mineralischer Dünger eingesetzt wird, entsteht im Boden ein Überschuss an Stickstoff, Kalium und Phosphor, den die Pflanzen nicht aufnehmen können. Die Nährstoffe werden in die Gewässer gespült. Bodenerosion verschärft das Problem. Normalerweise halten die Bäume den Boden samt Nährstoffen fest. Werden sie abgeholzt, wird die Erde weggespült und Nährstoffe gelangen ins Meer. Dort befördern sie dann das Wachstum von Algen.
Ein Beispiel dafür ist der intensive Anbau von Soja, z.B. am Amazonas, am Kongo oder am Mississippi. Dünger wird auf den abgeholzten Flächen für neu angelegte Sojafelder verteilt und gelangt über die Flüsse ins Meer. Ein weiterer Grund: Die erhöhten Wassertemperaturen durch die Klimaerhitzung fördern die Ausbreitung der Braunalge. Für Tourist:innen mag das bedauerlich sein, schlimmer ist es für diejenigen, deren wichtigste Einkommensquelle ein Job in der Tourismusbranche ist.
Geradezu apokalyptisch ist die Situation allerdings für die zwei Milliarden Menschen im globalen Süden, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Die Klimaerhitzung wird ihre Situation nicht verbessern. Im Gegenteil: Wassermangel wird zu einer existentiellen Bedrohung, für viele Menschen wird es um Leben oder Tod gehen. Hauptverursacher der Verschmutzung und Knappheit von Trinkwasser sind Bergbauprojekte, Energieversorgung, verarbeitende Industrie und industrielle und bewässerungsintensive Landwirtschaft.
Das Grundrecht auf Wasser ist in Gefahr
In Ländern wie Frankreich oder Deutschland sind die größten Wasserschlucker jedoch weder die Landwirtschaft noch die Privathaushalte, sondern die Energieversorger: Auf ihr Konto geht knapp die Hälfte des gesamten Wasserverbrauchs in Deutschland, vor allem für das Kühlen der Kohle- und Gaskraftwerke.
In Frankreich verbraucht die Atomkraft nach Angaben des Umweltministeriums rund 30 Prozent des insgesamt genutzten Wassers. Während bestimmte Reaktorlinien den Großteil des Kühlwassers wieder zurück in die Flüsse speisen, nachdem es im Reaktor erwärmt wurde, entweicht bei anderen Kraftwerksarten die Flüssigkeit als Wasserdampf in die Luft. So muss Frankreich in trockenen Zeiten nicht nur um seine Ernte, sondern auch um seine Energieversorgung fürchten.
Wassermangel droht künftig auch in Deutschland. Um ihm zu begegnen, hat die Bundesregierung im März eine nationale Wasserstrategie verabschiedet. Das 120-Seiten-Papier spricht viele wichtige Aspekte an und unterstreicht ein international gültiges Menschenrecht auf Wasser. Dennoch ist das Dokument geprägt von faulen Kompromissen.
Die NGO Campact kritisiert etwa, dass einige Punkte im Vergleich zum Ursprungsentwurf aus dem Umweltministerium regelrecht entkernt worden seien – auch durch Lobbyarbeit der Industrie. So ist in der Beschlussfassung nicht mehr die Rede davon, dass nur so viel Grundwasser entnommen werden darf, wie natürlich neu gebildet werden kann. Zudem seien die Versorgungsprioritäten im Fall eines Wassernotstands verschoben worden. Hier komme nicht mehr die öffentliche Trinkwasserversorgung an erster Stelle, vielmehr würden die Interessen der industriellen Landwirtschaft einschließlich der Getränkehersteller gleichwertig behandelt.
Problem Privatisierung
Das Recht auf Wasser gerät in Konflikt mit der fortschreitenden Privatisierung der Wasserversorgung in vielen Ländern, so in Lateinamerika, aber auch in Europa.
Die griechische Regierung treibt derzeit die Privatisierung der Wasserwirtschaftsunternehmen in Athen und Thessaloniki voran, um Geld zu akquirieren und damit das Staatsdefizit zu senken. Die Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen gehört zu den Vereinbarungen zwischen der Troika (Europäische Kommission, Zentralbank und IWF) und der griechischen Regierung. Dagegen regt sich aktuell massiver Widerstand.
Wasser ist auf dem besten Weg, ebenso zum Spekulationsobjekt zu werden wie Ackerland oder Grundnahrungsmittel. Es ist bereits vom »Watergrabbing« die Rede: Je knapper das Gut, umso höher die Preise, aus dem Mangel wollen Aktionäre und Anleger Profite schlagen.
Widerstand lohnt sich: In Berlin musste die Teilprivatisierung nach massiven Protesten und einer erfolgreichen Volksbefragung im Jahr 2019 wieder zurückgenommen werden. Nach dem Verkauf von knapp 50 Prozent der Wasserversorgung an den französischen Konzern Veolia und die RWE war es zu Entlassungen von Beschäftigten gekommen, die Preise waren um ein Drittel gestiegen und gleichzeitig wurden Rekordgewinne eingefahren.
Um das Schlimmste zu verhindern, muss nicht nur ein schneller Ausstieg aus den Großverbrauchertechnologien der fossilen und atomaren Energieversorgung erfolgen. Die Wasserversorgung muss auch in öffentlicher Hand bleiben.
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