Wasserkrise, Klima und Landwirtschaft – Tiefgreifende Einschnitte sind erforderlich
von Bäuerin Paula Gioia von der AbL
Paula Gioia ist Imkerin und Bäuerin in einem Hofkollektiv in Brandenburg und Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) sowie im Koordinationskomitee der Europäischen Koordination der internationale Bewegung La Via Campesina.
Seit 2010 anerkennen die Vereinten Nationen ein Menschenrecht auf Wasser. Wasser in angemessener Qualität und ausreichender Quantität ist für die bäuerliche Landwirtschaft genauso lebensnotwendig wie der Zugang zu Trinkwasser der gesamten Weltbevölkerung. Deshalb hat die UN-Generalversammlung 2018 eine Erklärung über die Rechte von Bauern und Bäuerinnen und anderen Menschen, die in ländlichen Regionen arbeiten, ratifiziert, in der dieses Recht speziell für Kleinbäuer:innen ausgelegt wurde.
Trotzdem besitzen 2,2 Milliarden Menschen auf der Erde, insbesondere Frauen und die ländliche Bevölkerung, weiterhin keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Das steht auch im Widerspruch zum sechsten Ziel der sog. Agenda 2030 der Vereinten Nationen: Bis dahin sollen alle Menschen Zugang zu Wasser haben, einschließlich für sanitäre Versorgung. Das Ziel ist kaum noch zu erreichen, denn die Agenda 2030 ist freiwillig und das Engagement bisher sehr dürftig.
Nutzungskonflikte über Grundwasserressourcen nehmen vor dem Hintergrund des Klimawandels in vielen Ländern zu, sogar in Deutschland. Deshalb verabschiedete die Bundesregierung im vergangenen März eine Nationale Wasserstrategie, deren Ziele bis zum Jahr 2050 erreicht werden sollen. Darin anerkennt sie Wasser als Grundlage allen Lebens und somit als öffentliches Gut.
Die Landwirtschaft in Deutschland wird seit Jahren stark durch dem Klimawandel beeinträchtigt, 2018, 2019 und auch 2022 sind als Dürrejahre in Erinnerung geblieben. Grünland wurde vielerorts zu brauner Steppe, Tierbestände aus Weidehaltung musste notgeschlachtet werden, weil das Futter nicht ausreichte. Anbaukulturen auf dem Acker mussten stark bewässert werden um zu gedeihen. 2023 beschert uns wieder Überraschungen: Die landwirtschaftliche Saison startete langsam, da wir den kältesten April der letzten 30 Jahren erlebten.
Wassergrabbing
Bäuer:innen erleben Extremwetterereignisse hautnah. Letztendlich sind wir tagtäglich im Kontakt mit der Natur und müssen proaktiv und lösungsorientiert agieren, um uns dieser neuen Realität anzupassen.
Wir leiden allerdings nicht nur unter den Folgen des Klimawandels, sondern auch unter vielen Maßnahmen, die vermeintlich dazu gedacht sind, gegen ihn zu wirken. Nicht selten verletzen diese das Recht auf Wasser von indigenen und bäuerlichen Gemeinden. In Chile wurden bspw. vor einigen Jahrzehnten riesige Wasserauffangbecken eingeführt, die durch Anzapfen des Grundwassers gefüllt werden. Wer profitiert davon? Milliardäre aus der Avocadoproduktion, während die umliegenden Dörfer trocken gelegt wurden. Der Slogan der Bevölkerung im Widerstand lautete: »¡No es sequia, es saqueo!« (Es ist keine Dürre, sondern Plünderung!)
Von Großkonzernen kommen viele dubiose Versprechungen wie precision farming, genetische Verfahren wie die neue Genschere (CRISPR/CAS) und climate smart agriculture. Lösungen, die weiterhin auf einem industrialisierten, produktivistischen und ausbeuterischen landwirtschaftlichen Ansatz basieren. Dabei ist dieses Landwirtschaftsmodell einer der großen Treiber der Klimakrise und der Wasserverschmutzung. Ist es nicht fragwürdig, dass die neuen Versprechungen größtenteils von denselben Playern kommen, die uns den Wassermangel beschert haben?
Ein wesentlicher Teil der Wasserressourcen wird für die Konsuminteressen des globalen Nordens ausgebeutet – sei es in der Lebensmittelproduktion, im Bergbau oder im Energiesektor. Im globalen Norden ist zwar gerne davon die Rede, den eigenen Lebensstil zu »dekarbonisieren« – tatsächlich gibt es wenig Bereitschaft zu grundlegenden Veränderungen. Dabei wird die Zerstörung von Gebieten in Kauf genommen, die über Generationen hinweg die Lebensgrundlage von Bäuer:innen und indigenen Gemeinschaften waren.
In der neuen Wasserstrategie erkennt auch die Bundesregierung an, dass der Wohlstand hierzulande mit globalen wirtschaftlichen Verflechtungen zusammenhängt. Sie trägt somit Mitverantwortung an der weltweiten Übernutzung von Wasserressourcen und der Verschmutzung von Gewässern.
Gertrud Falk von FIAN Deutschland beschreibt das Phänomen wie folgt: In verschiedenen Ländern werden ausländische Unternehmen von den lokalen Regierungen bei der Nutzung der Wasserressourcen gegenüber der eigenen Bevölkerung begünstigt. Solche Praxen sind durch postkoloniale Abhängigkeiten, Freihandelsabkommen und Privatisierung von Wasserressourcen gestützt, so Falk. Wir sind gespannt, wie die Bundesregierung ihrer Verantwortung bezüglich des globalen Rechts auf Wasser nachkommen wird.
Auch im Norden knapp
Wassergrabbing findet nicht nur im globalen Süden statt. Aktuell setzt sich ein großes Zivilgesellschaftsbündnis von Bäuer:innen und Umweltaktivist:innen in Frankreich gegen ein Projekt ein, dass ähnlich angelegt ist wie das in Chile.
Auch in Deutschland, wo mehr als 70 Prozent des Trinkwassers aus Grundwasser gewonnen wird, wächst die Sorge um Wassersicherheit. Die häufigeren Hitzeperioden und die steigende Entnahme führen zu einem seit Jahren deutlich sinkenden Grundwasserspiegel. In diesem Kontext ist die Rodung von knapp 100 Hektar Wald im Wasserschutzgebiet Grünheide bei Berlin für die Ansiedlung der Tesla-Gigafactory völlig unverständlich. Der dortige sandige Boden kann Wasser kaum speichern und die Region leidet seit Jahren unter Trockenheit.
Pläne für die Erweiterung des Geländes um weitere 100 Hektar schreiten trotzdem schnell voran. Nun soll auch die größte Batteriefabrik der Welt nach Grünheide kommen. Wieder einmal untergraben Konzerninteressen Menschen- und Umweltrechte.
Die konventionelle und intensive Landwirtschaft verschärft die Verschmutzung des Grundwassers, vor allem durch ihre Abhängigkeit von Agrarchemikalien, die Nutzung von Hormonen und den großzügigen Eintrag von Stickstoff in den Boden, etwa durch Gülle. Es ist längst bekannt, dass die industrielle Landwirtschaft stark zu Klima- und Umweltkrisen beiträgt. Trotzdem werden weiterhin Ernteeinbußen durch Dürren größtenteils mit denselben Mitteln ausgeglichen, die uns diese beschert haben: steigende Bewässerung, Düngung und mehr Agrarchemie, damit der Weltmarkt bedient werden kann.
Vielfalt statt Spezialisierung
Eine agrarökologische Transformation sieht anders aus. Gesunde Wasserhaushalte hängen unmittelbar damit zusammen, was mit unseren Böden geschieht. Diese können wichtiger und voluminöser Speicherplatz für Wasser sein, es also in der Fläche halten und in natürliche Grundwasserreservoirs speisen. Die bäuerliche Praxis, die sich seit Generationen hinweg als klimaschonend und naturverträglich bewiesen hat, muss gestärkt werden. Denn zu den Kernkompetenzen der Bäuer:innen gehören die Beobachtung der Natur und die Achtung ihrer Signale.
Wir wissen dadurch, wie wichtig bspw. die Kompostierung, der Zwischenfruchtanbau und eine möglichst große Vielfalt bei der Fruchtfolge sind, um unsere Böden gesund zu halten, sie wieder aufzubauen und seinen Wasserhaushalt zu regulieren. Dies verringert zudem das Risiko von Ertragsausfällen und ist einer unserer Beiträge zum Schutz und Erhaltung gesunder Lebensräume.
Eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung in möglichst geschlossenen Kreisläufen, d.h. mit Ressourcen aus dem eigenen Hof, ist ebenso von Bedeutung wie eine Lebensmittelerzeugung, die die Versorgung der eigenen Region im Fokus hat. Zu einem wird das Risiko von Gewässerverunreinigungen dadurch verringert und zum anderen verursachen kurze Transportwege vom Acker bis zum Teller weniger Treibhausgasen.
Es braucht also eine landwirtschaftliche Transformation, in der auf Vielfalt statt auf Spezialisierung gesetzt wird, denn einseitige Systeme reagieren grundsätzlich empfindlicher auf Veränderungen, während Vielfalt Widerstandsfähigkeit mit sich bringt. Letzten Endes tragen agrarökologische Systeme qualitativ und quantitativ dazu bei, dass das Grundwasser geschützt wird.
Die neue Nationale Wasserstrategie der Bundesregierung kann ein wichtiger Beitrag sein, wenn sie ihre Versprechen einhält und Bäuer:innen in Planung und Umsetzung einbezieht – und wenn sie Klima- und Umweltziele nicht gegen soziale Aspekte ausspielt.
In Chile, Frankreich und auch hier in Deutschland leisten Bäuer:innen Pionierarbeit und entwickeln Anpassungsstrategien an die Klimakrise und die Wasserknappheit – sei es durch neue Weidemanagementverfahren, die Änderung der Fruchtfolgen oder der Anbausorten, die Entwicklung von Agroforstsystemen oder durch den Aufbau von Agrarökologieschulen von der bäuerlichen Bewegung selbst, damit das bäuerliche Wissen – inklusive seiner politischen Dimensionen – weitergegeben wird und wir jüngere Generationen, Quereinsteiger:innen und Umstellungsbetriebe in die sozialökologische Transformation der Landwirtschaft mitnehmen können.
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