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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 07/2023

Der Entwurf zum neuen Selbstbestimmungsgesetz enttäuscht auf ganzer Linie
von Liv Kühnel

Das Transsexuellengesetz (TSG) ist bald Geschichte. Bisher müssen trans und nichtbinäre Personen für eine Änderung des Geschlechtseintrags noch zwei teure und diskriminierende Gutachten über sich ergehen lassen. Dieser Prozess soll mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz vereinfacht werden.

Im Koalitionsvertrag hatte die Ampel-Regierung vereinbart: In Zukunft soll es möglich sein, den Geschlechtseintrag mit einer Selbstauskunft beim Standesamt ändern zu lassen. So steht es auch im neuen Gesetzesentwurf. Betroffenenverbände begrüßen diese Änderung, üben jedoch auch harsche Kritik am Rest des Entwurfs. Auch Sven Lehmann, Queerbeauftragter der Grünen, fordert Änderungen, aber Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) blockt dies komplett ab.

Waffen und Wartebänke
Der größte Kritikpunkt ist, dass trans Frauen*, die ihren Geschlechtseintrag haben ändern lassen, im Kriegsfall trotzdem eingezogen werden und dann wieder als Männer gelten. Im Kriegsfall soll es außerdem nicht möglich sein, den Geschlechtseintrag von Mann auf Frau oder zu divers ändern zu lassen. Dies gilt jedoch nicht für trans Männer, diese dürfen ihren Eintrag jederzeit in männlich ändern, unabhängig vom Kriegsfall.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die angesetzte Wartefrist von drei Monaten. So lange bleiben Anträge liegen, bis sie bearbeitet werden. Dies soll Fehlentscheidungen vorbeugen, schiebt aber trans Personen, die teils seit Jahren auf diese Änderung hinfiebern, nur noch länger auf die Wartebank. Dazu kommt, das kommunale Standesämter generell eine viel längere Wartezeit haben.

Die wahre Gefahr sind Queerfeinde
Das kommende Selbstbestimmungsgesetz soll Diskriminierungen von queeren Menschen reduzieren, bietet aber gleichzeitig mehr Raum für solche. Besitzern von Fitnessstudien, Saunen, Schwimmbädern und ähnlichen Einrichtungen soll künftig erlaubt sein, unabhängig vom Geschlechtseintrag, trans Personen auf Grund ihrer Identität im Rahmen des Hausrechts aus ihren Räumlichkeiten auszuschließen.
Das ist Wasser auf die Mühlen von trans-exclusionary radical feminists (TERFs) und Rechtspopulisten, die die Diskussion rund um den Gesetzentwurf ausnutzen. Dies zeigt ein Fall, in dem ein cis-männlicher, rechter Queerfeind mit Hilfe eines Ergänzungsausweises eine Frauensauna betrat. Trotz der Skepsis der Beschäftigten wurde ihm der Zugang gewährt. Später prahlte er in den sozialen Netzwerken mit seiner Tat. Diese Aktion war zutiefst transfeindlich, da dieser Mensch weder nach ihrem sex noch nach ihrem gender weiblich war. Sie diente einzig und allein dazu, trans Personen bloß zu stellen. Eine vermutliche Cis-Frau fotografierte eine trans Frau auf der Damentoilette und stellte die Aufnahme ins Netz. Solche Vorfälle zeigen, dass nicht trans Personen Frauen in ihrem Schutzräumen belästigen, sondern Rechte und TERFs.

*Trans Frauen sind Personen, die sich trotz der anfänglichen Zuweisung des männlichen Geschlechts als Frau identifizieren.

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