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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2023

Blue Community Berlin
von Dorothea Härlin und Johanna Erdmann

Am 22.März 2018 beschloss das Berliner Abgeordnetenhaus, dass Berlin eine »Blue Community« wird. Die Kanadierin Maude Barlow, Trägerin des alternativen Nobelpreises, initiierte dieses globale Projekt. Als weltbekannte Wasserkämpferin war sie beteiligt, als 2010 das Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung in die UN-Charta aufgenommen wurde. Aber seitdem hat sich die Lage weltweit verschlechtert.

Dorothea Härlin und ­Johanna Erdmann sind Gründungsmitglieder des Berliner Wassertischs und gaben in Berlin den Anstoß zur Blue Community.

Was ist eine Blue Community? Kommunen verpflichten sich zu folgenden Prinzipien:

  1. Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung lokal umsetzen, d.h. Trinkwasserbrunnen und Toiletten gratis im öffentlichen Raum.
  2. Wasser als öffentliches Gut, d.h. Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung muss kommunal bleiben und ist keine Quelle für Profite privater Konzerne.
  3. Das Berliner Abgeordnetenhaus ergänzte: Schutz der Berliner Gewässer zur Sicherung der Qualität des Trinkwassers und der Wasserqualität von Flüssen, Kanälen und Seen.
  4. Leitungswasser vor Flaschenwasser: Die Menschen sollen angeregt werden, Leitungswasser zu trinken, da Flaschenwasser extrem umweltbelastend und ein Raub privater Konzerne am Gemeingut Wasser ist. 
  5. Bern fügte hinzu: Internationale Partnerschaften, also nichtmonetärer Wissens- und Erfahrungsaustausch mit Städten in Ländern des Südens.
    So ein Beschluss muss mit Leben gefüllt werden, sonst bleibt er ein Stück Papier. Als Insiderinnen wollen wir einen Einblick in unsere Arbeit geben. Wir freuen uns zwar über die Erfolge, aber die Liste unserer Forderungen ist noch lang, die Zeit drängt. Wir müssen mit Politik und Wirtschaft zusammenarbeiten, die Druck von unten brauchen um sich zu bewegen.
    Wasseraktive aus verschiedenen Initiativen, NGOs und ehrenamtliche Wasserkämpfer:innen haben sich zu einer Gruppe, den »Aktiven für Blue Community«*, zusammengefunden. In Treffen mit Politik, Verwaltung und den Berliner Wasserbetrieben (BWB) wird um die Umsetzung weiterer Forderungen gerungen. Das wird mit dem nun schwarz-roten Senat nicht einfacher werden. 2022 fand ein erstes Gespräch mit der damaligen Umweltsenatorin (Grüne) statt. Jetzt gilt es, mit der neuen Umweltsenatorin (CDU) in den Austausch zu kommen über Blue Community – zusätzlich zu den Gesprächsrunden mit den umweltpolitischen Sprecher:innen aller Fraktionen – außer der AfD.

Toiletten und Brunnen
Die Umsetzung kostet Geld, das vorhanden ist: Der Berliner Senat schöpfte 2022 Gewinne in Höhe von 177,5 Mio. Euro von den BWB ab, die wir für unser Wasser bezahlten.
Über Blue Community ist es gelungen, eine Tür in die Umweltverwaltung, die Politik und die BWB zu öffnen. Einige unserer Ideen wurden schon umgesetzt und möglich gemacht durch engagierte Mitarbeite­r:innen in diesen Institutionen:
– Sichtbarer Erfolg sind die 222 öffentlichen Trinkbrunnen in der Stadt (2018 waren es 40), steigende Tendenz. Gerne würden wir in Zukunft an der Planung beteiligt werden, weil z.B. das jetzige Modell schön, aber unpraktisch ist und die Brunnen nur im Sommer sprudeln.
– Es gibt Wasserspender an allen Grundschulen. Weitere Schulen sollen folgen.
– Öffentlichkeitsarbeit ist ein gemeinsames Ziel aller beteiligten Akteure. Wir informieren durch Filme, Straßenaktionen, Zeitungsartikel und Pressemitteilungen, Infostände und eigene Veranstaltungen, wie im Mai 2022 mit der Initiatorin Maude Barlow.
Noch immer wissen zu wenige Berliner:innen, dass wir Blue Community sind. Eine Wanderausstellung durch die zwölf Bezirke soll das ändern. Danach soll sie im Hauptsitz der BWB stehen, um auch mit den Beschäftigten ins Gespräch zu kommen. Die Eröffnung wird mit der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat geplant.??
Nicht nur die Umweltverwaltung, die Bauverwaltung muss ebenfalls einbezogen werden, um Wassersparen bei Neubauten zu bedenken. Innovative Wasserkonzepte liegen seit langem vor. So können durch die Nutzung von Grauwasser 30–70 Prozent Trinkwasser eingespart werden. Die landeseigene Immobiliengesellschaft BERLINOVO machte beim Bau eines Studierendenwohnheims (450 Plätzen) den ersten Schritt. Die integrierte Recyclingtechnik soll nun in weiteren Neubauten angewendet werden. 
An freien öffentlichen Toiletten fehlt es noch, auch wenn die neue Umweltsenatorin die dreiundzwanzigste EcoToilette einweihte, die ohne Wasser und Strom funktioniert.
Der Druck der Privat- und Finanzwelt auf das Wasser, das als Produkt an die Börsen kommen soll, ist derzeit größer denn je. Gerade erst ist durch den Beschluss des Obersten Gerichtshofs in Griechenland die Wasserprivatisierung in Thessalo­ni­ki und Athen vorläufig gestoppt worden. Auch unsere Politiker:innen und Wassermanager:innen sind dieser Logik ausgesetzt. Umso mehr liegt es an uns allen, den Druck von unten zu verstärken.

Weitere Informationen auf: www.bluecommunityberlin.de, blue-community-deutschland.com, berlin.de/sen/uvk/umwelt/wasser-und-geologie/blue-community, canadians.org/bluecommunities

*»Aktive für Blue Community Berlin« sind: a tip:tap; Attac Berlin; Berliner Wassertisch.net; EcoToiletten; Forum Umwelt und Entwicklung; Flussbad Berlin; Innovative Wasserkonzepte; Karuna Family; Living Rivers; Quelle der Nachhaltigkeit; Wasser Grüne Liga; WeltFriedensDienst.

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