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Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2023

…und was für eine!
von Rolf Euler

Diesen Nachruf hätte die SoZ lieber gar nicht schreiben wollen. Zu unserem und auch vieler anderer Lesenden großen Bedauern hat nach dem Tod von Winfried Wolf die Redaktion von Lunapark21 mitgeteilt, dass das Heft nicht mehr weiter erscheinen kann – zu groß war die Rolle des verstorbenen Gründers und Chefredakteurs Winnie gewesen.

Die letzte Ausgabe ist neben Aktuellem eine bemerkenswerte Sammlung früher erschienener Artikel von Winfried Wolf sowie vieler Grafiken und Fotomontagen von Joachim Römer, der für Lunapark so viele Titel, Tische, politische Bilder und vieles mehr gestaltet hat.
Ein »Nachruf« fällt schwer. Lunapark21 war nach mehreren Zeitungsprojekten von Winnie, der auch längere Zeit »Chef« bei der SoZ war, seine ureigenste Wunschzeitschrift. Wer schrieb schon über die grundlegenden ökonomischen Zusammenhänge der kapitalistischen Gesellschaften fachlich aber lesenswert aufbereitet, immer mit der Absicht, nicht nur aufzuklären, sondern zur Veränderung beitragen zu wollen. Die Leserinnen und Leser von Lunapark21 wurden aber nicht nur mit Ökonomie bedient, sondern auch mit politischen Zusammenhängen, mit feministischen Artikeln, mit Antikriegsberichterstattung und vielem mehr – immer aber mit dem Schwerpunkt, der globalen Ökonomie die Maske der scheinbaren Fortschrittlichkeit zu nehmen. Insbesondere während der Finanzkrise 2009 erschienen Artikel mit Hintergründen, den weltweiten Akteuren und den verbrecherischen Folgen für Millionen.
Ein weiterer Schwerpunkt – Winnies Dauerthema – war die Kritik an der Autogesellschaft, an der Runterwirtschaftung der Bahn, an den Stuttgart-21-Plänen und wie gegen die Interessen an einem gut funktionierenden öffentlichen Nah- und Fernverkehr allein Kapitalinteressen bedient wurden. Einige von Winnies besten Kolumnen sind in der letzten Ausgabe von Lunapark versammelt.
Am Rand erinnern die vielen Titelseiten und eingestreuten Bilder an jahrelange beste grafische Umsetzung der jeweiligen Schwerpunkte. Joachim Römers Leistung, immer wieder zornig-ironisch passende Bilder aus Fotomontagen und Grafiken zu schaffen, macht einen großen Teil der Wirkung der Zeitschrift aus.
Mehrere Weggefährt:innen lassen Winnies Geschichte und Wirkung in Rückblicken aufleben. Begegnungen mit dem unermüdlichen Workaholic in den wenigen Freizeiten, etwa in Bad Dreikirchen, erinnern an die besten Diskussionen mit ihm. Im Gespräch mit hunderten Autorinnen und Autoren gelang es ihm, immer wieder neu ein Quartalsheft auf die Beine zu stellen und – in der immer wieder für jeden linken Journalisten motivierenden Hoffnung auf Wirkung bei der Leserschaft – Lunapark21 zu einer 62maligen und 15jährigen Erfolgsgeschichte zu machen.
Die SoZ-Redaktion kann sich nur dem Dank an die Lunapark21-Redaktion anschließen und hoffen, die vielen Anregungen, die die Hefte enthielten, weiterzutragen. Und wir hoffen auch, dass die vielen Autorinnen und Autoren »den Stift nicht aus der Hand legen« und weiter mit ihren Analysen, Kritiken und Kommentaren zu linken Publikationen beitragen.
Trauer um Winnie verbindet sich mit dem Bedauern, dass eine wichtige Zeitschrift »zur Kritik der globalen Ökonomie« nun Geschichte ist.

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