Ein einmaliges Reservoir von Flora und Fauna
von Angelica María Bernal
Im Jahr 2008 war Ecuador das erste Land, das die Rechte der Natur in der Verfassung verankerte.
Der Yasuní-Nationalpark befindet sich zum Teil auf angestammtem Gebiet der Waorani. Er ist einzigartig, da er die höchste Artenvielfalt je Quadratkilometer auf der Welt aufweist und Südamerikas Reichtum an Pflanzen-, Amphibien-, Vogel- und Säugetierarten hier voll zur Geltung kommt. Mehr als 150 bedrohte Arten sind dort beheimatet.
Drei Waorani-Gruppen – die Tagaeri, Taromenane und Dugakeaeri – leben hier in freiwilliger Isolation von den natürlichen Ressourcen im Nationalpark und gelten als »unkontaktierte Völker«.
Die Ölförderung hat zu Krankheiten, Ernährungsunsicherheit und Massakern in diesem Gebiet geführt. Silvana Nihua, Präsidentin der Organisation der Waorani von Pastaza, hat die Auswirkungen aus erster Hand erfahren. »Als Frauen arbeiten wir hart, um unsere Kinder aus dem Wald zu ernähren«, sagte sie. »Früher gab es nicht so viel Ölverschmutzung und Erdrutsche in den Bergen und Flüssen.«
Seit den 1950er Jahren hat die Erdölförderung die Nahrungsversorgung der Waorani dramatisch beeinträchtigt und hatte darüber hinaus extreme soziale und kulturelle Auswirkungen. Diejenigen, die in der Nähe von Ölquellen leben, wurden für Lebensmittel und Medikamente von den Ölfirmen abhängig, und selbst diese Zuwendungen waren nicht immer zuverlässig. »Sie erfinden Ausreden, um keine Lebensmittel mehr zu geben«, sagte Nihua. »Sie geben weder Lebensmittel noch Arbeitsplätze, sie haben unsere Lebensweise beendet und keine Wiedergutmachung geleistet.«
Die Waorani wurden erstmals in den 50er Jahren von Missionaren kontaktiert, die mit Shell Oil zusammenarbeiteten. Sie haben dramatische Veränderungen ihrer Lebensumstände erlebt. Von den 60000 Waorani, die hier vor der Ölförderung gelebt haben sollen, lebten in den 80er Jahren nur noch schätzungsweise 2500. Die Ölförderung löste eine beträchtliche Umsiedlung von Gemeinschaften in die Städte im Amazonasgebiet aus, schürte Uneinigkeit und Konflikte und trieb die Jugend dazu, auf der Suche nach Arbeit ihre traditionellen Gebiete zu verlassen.
Die noch unkontaktierten Tagaeri und Taromenane wurden in den 70er und 80er Jahren durch eine Reihe von Ölkonzessionen nach Süden gedrängt, bis 1999 per Präsidentenerlass die »Unberührbare Zone der Tagaeri-Taromenane« eingerichtet wurde. Der Yasuní ist seit 1979 ein geschütztes Gebiet. Was genau unter »geschützt« zu verstehen ist, hat sich jedoch im Laufe der Zeit geändert.
Die bereits bestehenden Ölkonzessionen wurden jedoch nicht aufgehoben. In den 90er und 2000er Jahren bauten die Ölgesellschaften Straßen und erleichterten den illegalen Holzfällern den Zugang zum Yasuní-Nationalpark. Erdöl- und Holzfällerinteressen übten Druck auf die kontaktierten Waorani aus, um mit den Tagaeri und Taromenani in Kontakt zu treten, was zu einer Reihe von Morden führte, darunter der Brand eines Hauses im Jahr 2003, bei dem schätzungsweise 20 Menschen getötet wurden. Konfrontationen zwischen unkontaktierten Gruppen und Holzfällern führten 2008 zu weiteren Todesfällen, als die Taromenane ein illegales Holzfällerlager angriffen, wobei mindestens ein Holzfäller getötet wurde und es Berichte über Rachemorde durch die Holzfäller gab.
Im Jahr 2007 startete Präsident Rafael Correa einen Plan zur Beschaffung von über 3 Milliarden Dollar, um den Block 43 zu »schützen«, der in Yasuní ITT umbenannt wurde. Die Initiative wurde als Versuch bezeichnet, durch einen internationalen Fonds eine Kompensation für die entgangenen Einnahmen aus fossilen Brennstoffen zu schaffen und als wegweisender Plan gefeiert, um das Öl im Boden zu halten.
Der Schutz war jedoch unvollständig: Yasuní ITT bezieht sich nur auf Block 43, doch es überschneiden sich auch mehrere andere Blöcke mit der Unberührbaren Zone. Da wohlhabende Nationen das Geld nicht beisteuerten, beantragte Correa 2013 bei der Nationalversammlung, den Yasuní zu einem Gebiet »von nationalem Interesse« zu erklären und damit von den verfassungsrechtlichen Schutzbestimmungen auszunehmen.
Der Verbleib des Yasuní-Öls im Boden könnte genau der Anstoß sein, den die ecuadorianische Wirtschaft braucht, um über eine Zukunft nach dem Erdöl. Denn selbst wenn das Yasuní-Gebiet weiter ausgebeutet würde, wären die Ölreserven Ecuadors einer geologischen Studie zufolge bis 2029 weitgehend erschöpft.
Die Autorin lehrt an der Universität Massachusetts-Amherst.
Quelle: https://nacla.org/
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