Das Heizungsgesetz sabotiert die Energiewende
dokumentiert
Von der Springer-Presse, CDU und FDP wurde das neue Gebäudeenergiegesetz geradezu verteufelt. Aber leistet es überhaupt einen Beitrag zu einer ökologisch verträglichen Energieversorgung? Keineswegs, argumentiert Klaus Schramm. Er ist Redakteur bei Radio Dreyeckland und aktiv in der Anti-Atom-Bewegung.
Angeblich zielt die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes darauf ab, durch einen schrittweisen Austausch von Öl- und Gasheizungen das Heizen in Deutschland »klimafreundlicher« zu machen. Das Spektakel auf der politischen Bühne während der vergangenen Monate hat nahezu völlig verdeckt, das dieses mittlerweile im Bundestag verabschiedete Gesetz – das sog. Heizungsgesetz – nicht die Förderung erneuerbarer Energie im Sektor Hausheizung zum Ziel hat.
In Zukunft wird vor allem der Einbau von elektrischen Wärmepumpen gefördert. Beim derzeitigen Stand der Technik und bei gerade einmal rund 50 Prozent erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung in Deutschland sind sie keineswegs klimaverträglich. Der Expert:innenrat für Klimafragen stellte in seinem jüngsten »Prüfbericht 2023 für die Sektoren Gebäude und Verkehr« fest, dass die Klimaziele für den Gebäudesektor mit den bisherigen und geplanten Maßnahmen nicht erreicht werden können.
Bundesminister Robert Habeck, zuständig für Wirtschafts- und »Klimaschutz«, trat bei der Aussprache im Bundestag Anfang September einer ökologisch orientierten Kritik entgegen – die gar nicht geäußert worden war!: »Was man allerdings nicht durchgehen lassen sollte, ist, den Menschen Sand ins Auge zu streuen. Zu sagen, wir machen Ziele, aber wir tun nichts dafür, dass diese Ziele erreicht werden.« Tatsache ist aber, dass die Bundestagswahl am 26.9.2021 nichts daran geändert hat, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien behindert wird, so wie während der 16jährigen Ära von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Ampel-Regierung setzt die Fahrt in Richtung Klimakatastrophe ungebremst fort.
Der Strombedarf wird steigen
In den vergangenen Jahrzehnten lag der Stromverbrauch in Deutschland nahezu unverändert bei rund 600 Terawattstunden (TWh) pro Jahr. Dies ist nicht etwa die Folge einer politischen Weichenstellung, die eine Bundesregierung schließlich gegen die Profitinteressen der Wirtschaft hätte durchsetzen müssen. Dieses »Nullwachstum« beruht ausschließlich darauf, dass die Produktivität wächst, während der Energiebedarf ungefähr gleich bleibt, wie es schon in der 1970er Jahren vorausgesagt wurde.
Alle wohldurchdachten Szenarien der Energiewende sind sich in einem grundlegenden Aspekt einig: Mit Hilfe von Energieeinsparung und mit einer Steigerung der Energieeffizienz muss der Stromverbrauch in Deutschland von 600 TWh um rund ein Drittel auf 400 TWh gesenkt werden.
Infolge des nun verabschiedeten Gesetzes wird der Stromverbrauch in Deutschland im Gegenteil aber stark ansteigen. Im März veröffentlichten die vier Stromnetzbetreiber Amprion, TransnetBW, 50Hertz und Tennet einen »ersten Entwurf des Netzentwicklungsplans 2037/2045«. Darin ist zu lesen, dass sie einen Anstieg des jährlichen Stromverbrauchs in Deutschland bis 2045 auf über 1000 TWh pro Jahr erwarten. Weiter heißt es in diesem Text: »Zur Deckung rechnet der Plan mit einer Verfünffachung der installierten Leistung aus erneuerbaren Energien auf rund 700 Gigawatt im Jahr 2045.«
Es ist abzusehen, dass die Ampel-Regierung den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter sabotieren wird. Der Anstieg des Stromverbrauchs wird daher nicht von einem entsprechend starken Zuwachs bei den erneuerbaren Energien gedeckt werden. Eine Verfünffachung bis 2045 wäre selbst bei einer konsequenten Förderung äußerst optimistisch. Daher wird mehr Kohle, Gas und Öl verstromt werden. Wahrscheinlich wird der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung von Jahr zu Jahr sinken – und die Treibhausgasemissionen Deutschlands steigen.
Keine Anreize zum Stromsparen
Fachleute weisen darauf hin, dass die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes strombasierten Systemen Vorrang einräumt. Beispielsweise wird der Ausbau der Solarthermie mit dem neuen »Heizungsgesetz« sogar behindert. Sogar Stromdirektheizungen, die seit vielen Jahren glücklicherweise de facto verboten waren, werden wieder zugelassen. Bei den elektrischen Wärmepumpen wurden die Effizienzanforderungen deutlich abgesenkt, um eine rasche Marktdurchdringung zu ermöglichen.
Für Energieberater:innen galt bislang der Grundsatz, dass vor einer Heizungssanierung oder einem Heizungsaustausch der Wärmebedarf des Hauses zunächst drastisch gesenkt werden muss. Eine solche Reduktion des Wärmebedarfs wird jedoch mit dem neuen Heizungsgesetz nicht als Erfüllungsoption anerkannt, auch nicht die Eigenstromproduktion. Kraft-Wärme-Kopplung – etwa mit Blockheizkraftwerken – wird mit diesem Gesetz sabotiert. Der Einsatz von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien im Zuge eines EE-Ausbaus, um so nach und nach Erdgas bei Blockheizkraftwerken durch grünen Wasserstoff zu ersetzen, wird ebenfalls blockiert.
Sämtliche andere Arten von Effizienzsteigerung und Einsparung bleiben in diesem Gesetz außen vor. Diese ökologisch sinnvollen Schritte werden daher in den kommenden Jahren bei den Investitionsentscheidungen von Hausbesitzer:innen hintenan gestellt. Kurz, das Gesetz ist eine Sabotage der Energiewende.
Abhängigkeit von den Stromversorgern
Die nach dem Heizungsgesetz in den kommenden Jahren vorzunehmenden Investitionen lassen sich?nur mit einem Anschluss an ein Wärmenetz umgehen. Dabei sind Hausbesitzer:innen jedoch in aller Regel auf die konventionellen Stromversorgungsunternehmen angewiesen. Diese werden aus Profitgründen nicht etwa auf ökologisch verträgliche Nahwärmenetze setzen, sondern im Gegenteil in aller Regel auf Fernwärmenetze, die energetisch ineffizient und daher klimaschädlich sind.
Für die unsinnige Ausweitung des Stromverbrauchs werden per Heizungsgesetz umfangreiche Fördermittel – bis zu 70 Prozent Förderquote bei 90000 Euro je Wohnungseinheit – in Aussicht gestellt. Die Fördersätze für Effizienzmaßnahmen in Höhe von 15 Prozent bzw. 30000 Euro je Wohnungseinheit werden jedoch beibehalten, obwohl sie offensichtlich unzureichend sind.
Vor zwei Jahren hatte die Ampel-Koalition angekündigt, den Neubaustandard und die Anforderungen an Bauteile bei Bestandssanierungen anzuheben und das »Fit-for-55-Paket« der EU-Kommission zu unterstützen. Darin sind gesetzliche Mindeststandards für die Effizienz von Gebäuden vorgesehen. Davon ist keine Rede mehr – angeblich, weil es die FDP verhindert hat.
Fazit
Wer den inszenierten Streit auf der Bühne zwischen den Parteien der Ampel-Regierung für bare Münze nimmt, sollte sich die Frage stellen: Wie kann eine kleine Partei wie die FDP den anderen beiden Koalitionspartnern überhaupt die Richtung der Politik aufzwingen? Über welche Machtmittel verfügt die FDP, um eine antiökologische, gegen die Energiewende und jeglichen Klimaschutz gerichtete Politik durchzusetzen?
Statt an dieser Stelle vor einem unlösbaren Rätsel zu kapitulieren, ist eine andere Frage viel naheliegender: Sind die anderen an der Ampel beteiligten Parteien glaubwürdig, wenn sie Energiewende und Klimaschutz als ihre Ziele verkünden – oder handelt es sich dabei schlicht und einfach um Heuchelei?
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