Wie schaffen wir eine klimafreundliche und sozial verträgliche Wärmeversorgung?
von Kurt Rohrig
Dieses Jahr haben sich die Meldungen über extreme Wetterereignisse und damit verbundene Schäden dramatisch erhöht und zeigen deutlich, dass der Klimawandel mit zunehmender Geschwindigkeit auf uns zukommt. Wenn die Weltbevölkerung und vor allem die Industrieländer ihre Treibhausgasemissionen nicht drastisch senken, werden die Wetterereignisse neue Dimensionen annehmen und zu kaum vorstellbaren Entwicklungen von Hunger, Krieg und Armut führen.
Gerade die westlichen Industrieländer sind jetzt gefordert, weil sie als einzige wirtschaftlich und technologisch in der Lage sind, drastische Maßnahmen zum Klimaschutz umzusetzen. Deutschland und die jetzige Bundesregierung haben sich mit dem Klimaschutzgesetz hohe Ziele gesetzt, die es jetzt gilt, in reale Handlungen zu überführen. Neben der Mobilität sind im Bereich Heizen und Gebäude konkrete Ziele formuliert, die jede Bürgerin und jeden Bürger unseres Landes betreffen.
Bereits 2019 wurde das Klimaschutzgesetz von der Großen Koalition unter Kanzlerin Merkel beschlossen. Das Gesetz sieht vor, dass im Gebäudebereich die CO2-Emissionen um 40 Prozent verglichen mit 2022 sinken sollen.
Die aktuelle Ampel-Regierung hat mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) konkrete Maßnahmen formuliert. Die Entstehung dieses Gesetzes hat aber gezeigt, wie konfliktbeladen der Klimaschutz in der Politik ist und mit welcher Halbherzigkeit die Zukunft der kommenden Generationen gestaltet wird. Das Gebäudeenergiegesetz regelt im Kern die Umstellung der Heizungstechnologie auf eine fossilfreie Wärmebereitstellung. Die vorgeschlagenen Maßnahmen, wie etwa die Gebäudedämmung, die Installation von Wärmepumpen oder der Anschluss an Nah- oder Fernwärmenetze sind im Blick auf das 40-Prozent-Ziel dringend umzusetzen. Die Regel, dass 65 Prozent der Wärmeenergie bis 2030 aus nichtfossilen Energien gewonnen werden müssen, ist der richtige Weg. Das entspricht einer Absenkung von 112 auf 66 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent.
Leider werden in Politik und Medien hitzige Debatten über das Gebäudeenergiegesetz mit vielen Fehlinformationen und einem Übermaß an Polemik und Unsachlichkeit geführt und damit eine enorme Verunsicherungen bei Gebäudeeigentümer:innen und Mieter:innen hervorgerufen. Mit diesem Beitrag soll der Diskurs auf eine sachliche und faktenbasierte Grundlage zurückgeführt werden.
Nah- und Fernwärme
Die effizienteste Art der Wärmeversorgung ist der Anschluss an ein Nah- oder Fernwärmenetz, das von erneuerbaren Energien wie Biogas oder Holz oder von großen Wärmepumpen gespeist wird. In vielen Städten, wie auch in Kassel, gibt es bereits ein Fernwärmenetz. Im Oktober 2020 hat der Aufsichtsrat der Städtischen Werke Energie & Wärme GmbH einstimmig den Kasseler Ausstieg aus der Kohlekraft bis 2025 beschlossen. Damit ist ein wichtiger Schritt für die Umstellung der Fernwärme auf fossilfreie Energie erfolgt. Ein konkretes Ziel ist dabei, die Anschlüsse an das Fernwärmenetz bis 2030 von heute 21 auf 48 Prozent zu erhöhen, was einen erheblichen Ausbau des Netzes erfordert. Neben der Erweiterung des Fernwärmenetzes sollen Stadtteile und Quartiere über Nahwärmenetze mit Wärme versorgt werden. Diese werden von großen Wärmepumpen mit Erdwärme versorgt.
Wärmepumpen
Wärmepumpen werden aufgrund ihrer hohen Energieeffizienz als eine der Schlüsseltechnologien für die Wärmeversorgung sowohl in Einzelgebäuden als auch in Wärmenetzen bezeichnet.
Die Behauptung, dass eine Wärmepumpe in Bestandsgebäuden eine aufwendige und teure Modernisierung erfordert und dass die Installation einer Flächenheizung (Fußboden-, Wand-, oder Deckenheizung) vorausgesetzt wird, hat zu einer enormen Verunsicherung geführt. Es stimmt, dass Wärmepumpen in einem gut gedämmten Gebäude effizienter sind und dass große Heizkörper oder eine Flächenheizung die Effizienz noch steigern. Diese Maßnahmen sind jedoch nicht immer notwendig. Ein Gebäude bis zur Energieeffizienzklasse C und D kann auch ohne aufwendige bauliche Änderungen mit einer Wärmepumpe versorgt werden. Hier hilft schon der Austausch weniger Heizkörper und ein hydraulischer Abgleich.
Bei über 50 Prozent der Mehrfamilienhäuser und über 30 Prozent der Einfamilienhäuser, die die Effizienzklassen C und D aufweisen, dürfte die Umstellung auf eine Wärmepumpe mit nur geringem Aufwand möglich sein. Für Wohnhäuser der Klassen F, G und H sind Maßnahmen zur Gebäudedämmung erforderlich, die durch bessere Förderprogramme vorangebracht werden müssen.
Kosten und Förderung
Im letzten Jahr sind durch die Energiekrise, ausgelöst durch den Ukrainekrieg, die Nachfrage und damit die Preise für Wärmepumpen sprunghaft gestiegen. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass sich diese Entwicklung zeitnah wieder beruhigt. Ebenso sind die Kosten für Infrastrukturmaßnahmen (Fernwärme, Nahwärme) gestiegen. Um den Umstieg auf klimafreundliche Technologien nicht zu verzögern, ist jetzt der Staat gefordert; er muss den Wechsel durch Zuschüsse ermöglichen und somit auch anreizen. Die Debatte zum Gebäudeenergiegesetz hat hier eher das Gegenteil bewirkt.
Im Jahr 2021 wurde in Deutschland mit dem CO2-Preis für den Wärme- und Verkehrssektor ein wichtiger Hebel zur Senkung der CO2-Emissionen eingeführt. Der Preis beträgt heute etwa 30 Euro pro Tonne CO2 und soll bis 2026 auf 65 Euro steigen. Wenn sich der CO2-Preis als ein wesentliches Instrument zur Reduktion der CO2-Emissionen im Gebäudesektor voll entwickelt, sind stark steigende Preise zu erwarten, die 200–300 Euro pro Tonne betragen können. Bei einem CO2-Preis von 200 Euro pro Tonne steigt der Gaspreis um 4 Cent pro Kilowattstunde an; bis 2040 würden einem Durchschnittshaushalt Mehrkosten von über 15000 Euro für eine Gasheizung entstehen. Daher ist langfristig eine Umstellung der Heizung auf erneuerbare Energien die wirtschaftliche Lösung.
Für die Eigentümer:innen von Gebäuden und für Mieter:innen werden durch diesen Wechsel kurzfristig Mehrkosten entstehen, die sich durch die stetig steigenden CO2-Emissionskosten mittelfristig amortisieren. Hier ist jetzt die Politik gefragt, solche Kosten durch gezielte Fördermaßnahmen oder -programme zu reduzieren.
Nach einer Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag von Greenpeace werden in Deutschland aktuell mehr als 16 Milliarden Euro Steuergeld pro Jahr in klimaschädliche Subventionen für die Industrie investiert und damit rund sechsmal so viel wie in deren klimafreundlichen Umbau. Berücksichtigt man weiter das 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr, so kommt der Verdacht auf, dass die Politik die dramatische Situation des Klimawandels für die gesamte Weltbevölkerung nicht begriffen hat.
Zur Erreichung der Klimaschutzziele sind Bund, Länder und Gemeinden gefordert und müssen alle Maßnahmen unterstützen und umsetzen, die eine schnelle, nachhaltige und sozial verträgliche Transformation der Energieversorgung schaffen.
Der Autor war Institutsleiter am Fraunhofer IEE und ist Honorarprofessor an der Universität Kassel. Er arbeitet aktuell im Klimaschutzrat der Stadt Kassel in der Themenwerkstatt Energieversorgung mit.
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