Rede von Jürgen Bönig am 11.11.2023 auf einer Ver.di-Kundgebung von Hafenbeschäftigten auf dem Hamburger Rathausmarkt
Vorbemerkung: Der Hamburger Senat will 49,9 Prozent der Anteile am Hamburger Hafen an die Reederei MSC verkaufen - ohne dass er dabei die gefragt hat, die vom Hafen, von Containerreederei und Geschäftsprinzipien etwas verstehen.
"Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der HHLA und den anderen Hafenbetrieben, gut, dass wir aufgewacht sind. Guten Morgen, liebe Hamburgerinnen und Hamburger, gut dass Sie aufgewacht sind und erfahren wollen, was beim Verkauf an MSC mit dem Hamburger Hafen passiert.
Staatsverfügung über Hafenanlagen und Hafenbetrieb
Der Verkauf staatlicher Gestaltungsmacht im Hafen an Private und zudem noch an die MSC als Reederei ist ein Bruch mit der jahrhundertealten Politik, dass der Staat die Bedingungen im Hafen gestaltet. Dieser Grundsatz, dass der Staat bestimmt, was im Hafen gebaut wird und wie es benutzt wird, war die Grundlage, auf der die Speicherstadt und der Freihafen errichtet worden ist. Warum hat sich diese Politik bewährt, mit der jetzt der Senat gebrochen hat? Der Grundsatz war gut, weil nur in einem Hafen im Staatsbesitz und als Staatsbetrieb alle Kunden gleichbehandelt werden. 1888, als die Speicherstadt gebaut wurde und der Freihafen errichtet, haben Bürgerschaft und Senat sich entschieden, dass nur dieser Grundsatz die Entwicklung des Hamburger Hafens fördern wird. Der Staat hat die Speicherstadt bauen lassen und die HHLA gegründet, um diese Hafenanlagen zu betreiben und zu bewirtschaften – niemand sollte Kaianlagen, Schuppen, Böden und Speicher privat besitzen, weil nur so gewährleistet war, dass sich die Privatinhaber nicht gegenseitig in die Hacken treten und der stärkere, größere bewirken kann, dass der kleinere nicht zum Zuge kam, weil er nicht bedient wurde oder die Umschlaganlagen des Kapitalstärkeren besser ausgebaut wurden. Kein Nutzer – seien es Stauer, Speicherbetriebe und Umschlaggeschäfte - sollte einen Teil der Speicherstadt besitzen, sie waren alle Mieter und das hat sich die letzten hundert Jahre bewährt, weil damit der Grundsatz galt: Alle werden gleich bedient und behandelt.
Wie ihr eben gehört habt, wurde 2006 diese Grundlage des Hamburger Hafens verteidigt, als nur ein kleiner Teil der HHLA-Aktien in Streubesitz gelangten, nur 30 Prozent, die vor allem HHLA-Mitarbeiterinnen und deren Vorstände kauften und anschließend Kursverluste hinnehmen mussten.
Wer ist mitgenommen worden beim MSC-Deal?
Ihr habt euch in dieser Woche beschwert, dass beim Verkauf von drei der vier Containerterminals des Hamburgers Hafens an die Reederei MSC die Belegschaft der HHLA nicht mitgenommen worden sei. Das ist die Untertreibung des Jahres, wenn nicht des Jahrhunderts: Niemand ist mitgenommen worden an den Frühstückstisch in Genf, als drei SPDler aus dem Senat, darunter der Erste Bürgermeister, die über den Verkauf verhandelten und einen Vertrag schlossen mit einer italienischen Familie Aponte, die tatsächlich am Frühstückstisch jeden Morgen in Zukunft entscheiden kann, wo es mit der HHLA und dem Hamburger Hafen langgeht.
Das Trio hat niemand mitgenommen außer einer Anwaltskanzlei, die sie beriet. Die Verhandlungskommission des Senates hat nicht mal die HHLA mitgenommen und um Rat gefragt. Sie hat nicht den Vorstand der HHLA mitgenommen, weil der offensichtlich zu viel von der Sache versteht. Sie hat nicht die politischen Parteien der Regierungskoalition mitgenommen und informiert – nur von dem Ergebnis. Sie hat nicht die Bürgerschaft mitgenommen und beraten lassen, ob die mit dem Grundsatz brechen will, auf dem die Speicherstadt steht und der Hamburger Hafen, dass Anlagen und Betrieb im Staatsbesitz sind. Sie hat die Bürgerschaft nicht gefragt, ob sie die HHLA-Anteile knapp unterhalb einer Mehrheit ausgerechnet an eine Rederei verkaufen will, die in Konkurrenz zu anderen Reedereien steht.
Und bereits am nächsten Tag zeigte sich, dass das Trio besser auf die gehört hätte, die wenigstens etwas von der Sache verstehen. Und das betrifft auch die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten der HHLA.
Absichten bitte nicht so ernst nehmen
In dem Kaufangebot für die Aktien steht der schöne Satz: MSC beabsichtigt, die Rechte der Arbeitnehmer zu respektieren. Im Kaufangebot an die HHLA-Aktionäre steht nicht, MSC wird sich an Recht und Gesetz halten, eine Versicherung, die schon sehr sonderbar wäre, sondern MSC beabsichtigt, die Rechte zu respektieren, was immer das auch heißen mag. Absichten sind gut, schade, wenn es dann nicht klappt.
Und in allen Verträgen und Äußerungen über diesen Deal folgt am Ende das Kleingedruckte, eine Erklärung gegenüber den Aktienhaltern, kleingeschrieben in zwanzig Zeilen, was mit beabsichtigt gemeint ist oder eben nicht gemeint ist, dass man diese Absichten nicht allzu ernst nehmen sollte: Absichten können sich ändern, die Stimmung wechselt, am nächsten Tag sehen wir es aus unseren Interessen anders – auf diese Absichten könnt ihr euch nicht verlassen.
Und euer Vorstand, Frau Titzrath [Vorstandsvorsitzende der HHLA, d.Red.], musste nur einmal auf diesen Vorvertrag gucken, um zu wissen, dass das so gemeint ist – als unverbindliche Absicht, der bei Nicht- Verwirklichung keine Sanktionen folgen. Und sie hat euch, so leid es mir tut, den Arsch gerettet, wenigstens teilweise, weil sie sofort verstanden hat: MSC beabsichtigt die Rechte der Arbeitnehmer zu respektieren – nur zu respektieren und nicht unter Sanktionsdrohung auch tatsächlich einzuhalten. Und die Rechte der Arbeitnehmer, die respektiert werden sollen - welche Rechte der Arbeitnehmer sind gemeint nach welchem Recht? Nach dem Recht Italiens, aus der die Familie Aponte kommt, der MSC gehört? Oder nach dem Recht der Schweiz, in der MSC beheimatet ist und keine Steuern zahlt? Oder dem Recht Zyperns, wo eine GmbH die Anteile halten wird und das bestimmt gewählt worden ist als Standort, weil die Sonne dort so schön scheint? Oder dem Recht Luxemburgs, wo die zweite GmbH angesiedelt ist, keine Steuern zahlen wird und über die nur eben sehr beschränkt durchgegriffen werden kann auf das Familienvermögen der Familie Aponte, dessen Umfang und Struktur unbekannt ist und nicht veröffentlicht wird - ebensowenig wie das der MSC oder der GmbHs, die zwischengeschaltet und zu keinerlei Veröffentlichung ihrer Finanzgrundlagen verpflichtet sind.
Was passiert, wenn Versprechen nicht eingehalten werden?
Frau Titzrath hat dann in einem Nebenvertrag durchzusetzen versucht, dass das deutsche Recht gelten solle, die Mitbestimmung eingehalten und die Zusagen über Investitionen wenigstens für die nächsten fünf Jahre so verbindlich sein sollen, wie
Absichten der MSC eben sind. Es gibt keinen einzigen Satz im Vorvertrag und in dem Angebot an die HHLA-Aktionäre, der die Sanktionen benennt und verbindlich festlegt, die mit der Nicht-Einhaltung von Zusagen seitens MSC verbunden sind. Es endet alles mit dem Grundsatz: wir hatten die gute Absicht, schade, wenn es nicht klappt und es folgt nichts: kein Schadensersatz an Hamburg, keine Eigentumsrückübertragung, keine Straf- oder Ersatzzahlungen – nichts, keine Folgen für MSC, wenn es Zusagen nicht einhält.
Gleichbehandlung der Kunden im Hafen nicht gesichert
Nachträglich hat Frau Titzrath in einem Zusatzvertrag, dessen Verbindlichkeit fraglich ist, etwas vereinbart, was mich sprachlos gemacht hat – weil es vorher im Senatsvertrag eben nicht vereinbart worden ist: Sie erst hat den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Kunden der HHLA in einem Zusammenarbeitsvertrag nachträglich eingebracht. Die Grundlage des Hamburger Hafens, alle Kunden gleich zu behandeln, niemand zu benachteiligen oder zu bevorzugen, egal wie viel Geld er mitbringt, ist nicht im ursprünglichen Vertrag enthalten gewesen. Wahrscheinlich wusste das Verhandlungstrio noch nicht einmal, dass es ihn gibt und dass dieser Grundsatz der Grund ist, warum Hafenanlagen und Hafenbetrieb in öffentlicher Hand bleiben müssen. Und warum die HHLA mit ihren Anlagen auf keinen Fall an nur einen Kunden, eine Reederei und dazu noch die größte und fragwürdigste, nämlich die MSC, verkauft werden sollte.
Unzulässige Vermischung von Entscheidungen
Frau Senatorin Leonhard, die ich als integre Kollegin aus den Museen kenne, hat die Entscheidung für MSC damit begründet, dass diese größte Reederei der Welt von den drei angesprochenen die einzige gewesen sei, die mit einer Beteiligung knapp unter der Mehrheit einverstanden gewesen sei. Ihr müsst euch das so vorstellen, sie pries einen Apfel an, weil der so groß sei und rote Bäckchen habe und im Übrigen der einzige sei, den sie habe kriegen können und ihr antwortet: ich wollte gar keinen Apfel haben.
Das vergiftete Angebot ist so grotesk, weil die Verhandlungskommission ihr nicht vorhandenes Verhandlungsmandat zum Abschluss eines Vorvertrages in einer Form genutzt hat, die ich für illegitim halte: Sie hat das in einen Beschluss eines Kaufangebots an die Reederei MSC gefasst, der nur mit großen Schäden und Schadensersatzansprüchen gegen Hamburg abgelehnt werden könnte. Sie hat dies mit einer Begründung getan, die nicht sticht, nämlich dass Insidergeschäfte und Spekulation mit den HHLA-Aktien verhindert werden müssten, die bei Bekanntwerden des Angebotes vor der Zeit eintreten würden.
Bürgerschaft nicht gefragt zu grundlegender Umorientierung
Aber niemand hat den Senat gezwungen, nicht schon vor zwei Jahren die Bürgerschaft zu fragen: Wollt ihr von den Grundlagen unseres Hafens der Gelichbehandlung abweichen und einen Teil der HHLA-Aktien an Private verkaufen statt sie weiter in Staatsbesitz zu halten? Niemand hat den Senat gezwungen, einen Bürgerschaftsbeschluss zu unterlassen, ob diese Anteile denn überhaupt ausgerechnet an einen Kunden, eine Reederei verkauft werden sollen und ob der größte Kunde, die Reederei MSC mit dem größten Appetit, den stärksten Spekulationsgewinnen und als Familienvermögen mit der undurchsichtigsten Geschäftsführung der geeignete ist oder nicht. Erst auf der Grundlage eines Bürgerschaftsbeschlusses wären die drei SPD-SenatorInnen bevollmächtigt gewesen, solche Verhandlungen zu führen, weil sie erst dann gewusst hätten, ob ihre Maßstäbe für den Verkauf der HHLA-Anteile fast bis zur Mehrheit vom Souverän, dem Parlament Hamburgs, geteilt werden.
Das Trio hat aber nach einem Prinzip gehandelt, dass man Amalgam nennen kann und das unserem parlamentarischen System fremd ist: Der amerikanische Souverän handelt so. Der eine will mehr Waffen beschaffen, der andere das Abtreibungsrecht verschärfen, packen wir das also in ein Gesetz und Republikaner und Demokraten können im Parlament zustimmen.
Bisher war dieses Verfahren, das jetzt angewandt wird, in Hamburg nicht üblich: nämlich mit einem empfindlichen Übel zu drohen durch die Folgen der Ablehnung des Deals, wenn man der darin eingebetteten Grundsatzentscheidung nicht folgt – Gestaltungsmacht des Staates über den Hafen abzugeben durch Verkauf und das noch an eine Reederei und ausgerechnet diese MSC.
S-Aktien der HHLA mit im Angebot - Die Speicherstadt im Strudel
Ich mag die Speicherstadt, ich kann nichts dafür, ich habe da eine gewisse sentimentale Neigung. Grund und Boden der Speicherstadt sind im Besitz der HHLA und wurden innerhalb der HHLA in die besondere Form von Staatsaktien gebündelt, in Form von S- oder Staats-Aktien, die nicht verkauft werden sollten. Verkauft werden sollen nur sogenannte A-Aktien, die das operative Geschäft der HHLA mit drei der vier Conatinerterminals Hamburgs betreffen und das Geschäftsfeld der Metrans, eine Eisenbahnbetriebsgesellschaft, die über ein bis nach Triest reichendes System des Gütertransportes verfügt, das dem Hamburger Hafen bisher ermöglicht hat, einen ungewöhnlich hohen Anteil an Containern vom Schiff direkt auf die Schiene zu bringen statt auf die Straße.
Überraschenderweise bezieht sich aber das veröffentlichte Kaufangebot von MSC, mit dem der Senat einverstanden ist, auf beide Formen von Aktien: Sowohl die A- Aktien über das Umschlaggeschäft als auch die S-Aktien über Grundbesitz unter anderem der Speicherstadt, stehen zum Verkauf. Die Verhandler hatten erklärt, S-Aktien sollten nicht verkauft werden. Aber kaum hat die Bafin, die Bundesfinanzaufsicht, auf den Vertrag geguckt, teilt die kühl mit – wir kennen einen solchen Unterschied zwischen Staatsaktien über den Grundbesitz der Speicherstadt u.a. und A-Aktien für das operative Geschäft an den Hafenanlagen und auf dem Schienennetz nicht, sondern nur Aktien ein und derselben Gesellschaft. Deshalb steht am Kopf des Kaufangebots der MSC, des freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebotes durch die Port of Hamburg Beteiligungsgesellschaft SE in den ersten Zeilen 16,75 Euro für eine A-Aktie und 38,96 Euro für die S-Aktien des Hamburger Staates. Das erste Mal, dass eine Instanz mit Verstand auf die Vereinbarung guckt, ergibt: ihr könnt den Grundbesitz der Speicherstadt und des Hafens nicht aus dem Verkauf heraushalten. Warum ist das so? Weil S-Aktien der HHLA und A-Aktien der HHLA ein und dieselbe Gesellschaft betreffen, zwar im Inneren der Gesellschaft getrennt behandelt werden, aber rechtlich nicht getrennt organisiert sind. Das bedeutet in der furchtbaren Konsequenz, das MSC vom Grundbesitz und dessen Erträgen profitiert und im Konkursfall auf die Grundstücke der HHLA zurückgreifen wird, weil in einer Gesellschaft Erträge und Verluste der verschiedenen Sparten ausgeglichen werden und in den Pott kommen, wenn alles verramscht werden soll.
Speicherstadt mitverkauft?
Die Speicherstadt und die Hafengrundstücke sind jetzt mit im Angebot, bringen Erlöse für die MSC und kommen in die Konkursmasse, weil die Verhandelnden nicht den Grundbesitz und das operative Geschäft von Hafenanlagen und Bahnverkehr der HHLA in zwei getrennte Gesellschaften eingebracht haben. Der Senat wähnte die Staatsaktien sicher und musste erleben, dass die Bafin seine Illusionen über die Trennung von Staats- und Anteilsaktien nicht teilt. Warum wurde nicht bei Beginn der Verkaufssondierungen die Trennung in zwei getrennte Gesellschaften von der Bürgerschaft beschlossen? Das wäre unauffällig möglich gewesen und hätte sicherlich mit Verkaufsabsichten einer dieser Gesellschaften begründet werden müssen. Warum war die Verhandlungsdelegation so überheblich, dass sie die Speicherstadt sicher wähnte vor dem Zugriff der MSC? Und jetzt ist sie mitten im Strudel dieses Verkaufs und wird Erlöse an MSC abführen müssen, für die Geschäfte der anderen Sparten der HHLA geradestehen und die gegebenenfalls in die Konkursmasse einfließen.
Kein Verkauf der Speicherstadt an Private!
Warum aber hat der Senat nicht in dem Moment, als diese Aufteilung in S-Aktien und A-Aktien aufflog, die Notbremse gezogen und seinen Irrtum bekannt, dass auf diese Weise die S-Aktien nicht aus dem Deal mit MSC herausgehalten werden können? Warum hat der Senat nicht nach der Intervention der Bafin, die das Kaufangebot auf Staatsaktien der HHLA auszudehnen zwingt, den Verkauf von HHLA-Aktien sofort gestoppt? Das vorliegende Kaufangebot von MSC bedeutet, dass der Grundbesitz der HHLA tatsächlich mitverkauft wird, ohne dass sich der Preis der A-Aktien erhöht und ohne dass sich der Gesamterlös für Hamburg bei diesem Verkauf von Anlagen und Grundbesitz ändert. Der Verkaufserlös für Hamburg aus dem Bestand seiner A-Aktien erlöst, die zur Aufstockung des MSC-Anteils auf 49 Prozent reichen, wird gerade einmal 225 Mio. Euro einbringen und das einmalig. Der Erlös für Hamburg aus dem ganzen Geschäft wird so viel bringen, wie die Ausbaggerung der Elbe auf die neue Tiefe in ein bis zwei Jahren kostet - 120 Mio. Euro gibt Hamburg pro Jahr aus, um die neue Tiefe der Elbe zu erhalten.
Aber das Angebot an MSC hat nicht nur den Grundsatz einer staatlichen Hafenpolitik gesprengt und die Grundstücke und Bauten der Speicherstadt in die Verfügung von privaten Geldbesitzern gebracht, sondern MSC hat mit den beiden anderen großen Reedereibündnissen die Fundamente erschüttert und zerstört, auf dem die Speicherstadt und der Hamburger Hafen stehen.
Fundamente des Hamburger Hafens zerstört
Vor drei Jahren fragte mich Manfred Braasch vom BUND, ob es richtig sei, dass die Pfähle, auf denen die Speicherstadt steht, vergammeln, weil sie zu lange trockenfallen. Das kann man untersuchen, hab ich gesagt und mir den Verlauf von Ebbe und Flut zeigen lassen, der sich durch die letzten Elbvertiefungen verändert hat. Und tatsächlich – und das könnt ihr alle merken – läuft die Flut später auf und überspült die Pfähle der Speicherstadt nur im letzten Moment vor der Hochflut und danach fließt das Wasser schneller wieder ab mit der Folge, dass die Pfähle der Hafenanlagen zu lange trocken liegen und vergammeln. Ich habe mich damals damit zufriedengegeben, dass HPA schon Abhilfe geschaffen hat, indem sie Spundwände rammte und Bretter legte, die den Sand und das Wasser über den Pfählen festhielten. Hamburg Port Authority war dabei, Abhilfe zu schaffen. Das ist in der Speicherstadt mit Millionen-Aufwendungen geschehen – aber überall dort, wo das nicht gemacht worden ist, wo das Wasser die Köpfe der Holzpfähle nicht mehr schützen kann, vergammeln die Grundpfeiler der Hamburger Hafenanlagen.
Erpressung eines Oligopols der Reeder
Was hat MSC damit zu tun? Die Elbvertiefung fand statt, weil die großen Reedereien größere Schiffe in die Häfen fahren lassen wollen. Drei alte Männer haben vor ungefähr zehn Jahren beschlossen, größere Schiffchen bauen zu lassen, riesige Containerschiffe, die mehr Container laden können – 20.000 bis 24.000 Standardcontainer auf einem Schiff und die deshalb breiter, höher, länger und tiefer sein müssen. Und wer die Dummheit besessen hat, diese Schiffe in seinen Hafen zu lassen, der konnte seine Containerbrücken wegschmeißen, weil die höher sein mussten und länger, der musste größere Wendebecken haben oder anlegen, damit die längeren Schiffe wenden konnten und der musste tiefes Wasser haben oder sein Fahrwasser erheblich vertiefen, damit die Containerschiffsriesen an den Kai kamen.
Die nordamerikanischen Häfen waren klug und stark genug, diese Schiffe abzulehnen. Deshalb können Containerschiffe aus Nordamerika heute noch die Elbe runterfahren und unter der Köhlbrandbrücke durchfahren. Die europäische Politik hat die Hafenstädte im Stich gelassen und sich nicht gegen die großen Containerschiffe gewehrt. Rotterdam hat einen Tiefwasserhafen neben die Rheinmündung gesetzt und verlädt von dort hauptsächlich Container auf andere Schiffe, die weiterfahren und tut das im hinteren Hafenteil für die kleinen Feederschiffe und Schuten im Gegensatz zu der gängigen Legende mit veralteter, aber angemessener Technik und technischen Geräten für diesen Zweck, die bei uns im Hafenmuseum stehen.
Warum keinen gemeinsamen Tiefwasserhafen und Zusammenarbeit der Häfen?
Hamburg hat die Dummheit begangen, keinen Tiefwasserhafen mit Bremen zusammen zu entwickeln, noch nicht einmal einen Tiefwasserhafen an der Elbmündung eingerichtet, sondern hat das Fahrwasser der Elbe so vertieft mit Milliardenaufwand, dass die großen Pötte zu besonderen Zeiten bis in den Hamburger Hafen gelangen können. Und diese Elbvertiefung, die unter anderem MSC erzwungen hat und der aus Dummheit die Hamburger Politik nachgegeben hat, hat das Fahrwasser der Elbe zerstört, hat das Netz der Wasserwege in einer Millionenstadt ruiniert. Dass die Elbe nur bei höchster Flut alle Bereiche der Elbe überspült, weil das Wasser im tieferen Graben der Fahrrinne versackt, könnt ihr euch so vorstellen wie eine Autobahn für seltene Containerschiffe. Eine Autobahn, die mitten durch das Rathaus hier führt und die leider die anderen Verkehrsteilnehmer nur zweimal am Tag für begrenzte Zeit überqueren können.
Und wozu das? Damit einmal im Monat mit der Springtide große Containerschiffe der MSC mit der Flutwelle die Elbe hinaufsegeln. Und Gnade uns wer auch immer, dass der Kapitän einen schlechten Tag hat oder der Lotse seine Geliebte grüßen möchte oder die Bagger eine Stelle nicht tief genug ausgegraben haben, dann ist Suezkanal an der Elbe, für einen Monat, bis zur nächsten Springtide. Dann hängt der Kahn fest und die Engel oder Hubschrauber können die 20.000 Container abholen und das Schiff leichtern, damit es wieder fahren kann. MSC ist für Gefahren- und Waffentransporte bekannt, in seiner Anfangszeit auf schrottreifen Kähnen, um so übermäßig Gewinne zu machen und zu wachsen. Aber wenn MSC nicht so risikofreudig ist und Hamburg dazu zwingt, das Fahrwasser zu vertiefen und größere Wendebecken für die langen Schiffe auf Kosten der Stadt einzurichten, dann vergrößert sich der Schaden für unser großstädtisches Hafenrevier noch – dann kommt die Flut noch später überallhin und die Fähre nach Cranz muss nicht, wie jetzt, eine Stunde vor Niedrigwasser den Betrieb einstellen, sondern gibt vielleicht ganz auf.
Suezkanal an der Elbe – die Elbe einer Containerautobahn geopfert
Und wenn tatsächlich dieser Unfall eintritt, wenn das Fahrwasser für Wochen und Monate gesperrt ist für allen Schiffsverkehr, dann wird keine Versicherung mehr das Risiko solcher Fahrten übernehmen. Dann wird die Reederei MSC, die so dumm gewesen ist, in der Spekulationsblase mit künftigem Containerverkehr die meisten dicken Pötte zu bestellen und nicht wie die anderen, sich bei Zwanzigtausend- Container-Schiffe zurückzuhalten, in große wirtschaftliche Probleme geraten.
Wenn man die Steuern berechnet, die MSC dort nicht zahlt, wo die Kosten entstehen, sondern in Schweiz, Zypern oder Luxemburg, wenn man die Kosten berechnet, die die Elbvertiefung an Milliarden Euro verschlungen hat und die Hundert Millionen Euro, die der Erhalt größerer Fahrwassertiefe jedes Jahr erfordern, und wenn man die Schäden betrachtet, die das von MSC erzwungene tiefere Fahrwasser an den nicht geschützten Fundamenten im ganzen Hafenbereich und Trockenfallen von Hafenbecken zur Unzeit verursacht, und wenn man das Risiko betrachtet, das MSC mit jeder Fahrt eines großen Containerschiffes über die Elbe nach Hamburg eingeht, dann dürfte MSC nicht über drei der vier Containerterminals Hamburgs verfügen dürfen und den dahinterliegenden Eisenbahnbetrieb der HHLA, sondern dann müsste ein erheblicher Teil von MSC der Freien und Hansestadt Hamburg gehören.
Was können wir dagegen tun?
Was ist zu tun? Als ich von dem Verkauf an MSC hörte, habe ich sofort an zwei Kämpfe gedacht, die ich selber mitmachen durfte: vor 40 Jahren, im September 1983 besetzten die Werftarbeiter die HDW, weil sie nicht einsehen wollten, dass 1000 Kolleginnen gehen sollten in einem vom Staat stark bestimmten Schiffbaugeschäft. Wir haben den Kampf verloren, aber die Besetzung ist danach von der IG Metall auf deren Gewerkschaftstag als Mittel des Kampfes aufgenommen worden. Wir haben auch Selbstbewusstsein gewonnen, weil wir wenigstens gekämpft haben und die Bevölkerung von Hamburg uns unterstützt hat.
Nach Bremen fahren
Aber wir haben vermutlich einen Fehler gemacht: Wir sind nicht früh genug nach Bremen gegangen, wo die Werft später ebenfalls besetzt worden ist. Ich glaube, es wäre sehr nützlich, wenn ihr nach Bremen fahren würdet zu den Kolleginnen der Hafenbetriebe und sagen, wir können nichts für unseren Bürgermeister, wir arbeiten jedenfalls mit euch zusammen, wissen, dass nur ein gemeinsamer Kampf unsere Häfen rettet und wir machen die Zusammenarbeit der Hafenstandorte, die die Hamburger Regierung nicht zustande bekommt und mit dem Verkauf an die MSC sabotiert.
Mit der Bevölkerung der Stadt Speicherstadt und Hafen verteidigen!
Und ich muss an einen anderen Kampf denken, an dem ich beteiligt war als Ver.di-Mitglied und Personalrat - die Verteidigung des Altonaer Museums, als eine grün-schwarze Regierung es schließen wollte. Wir wussten gleich, wenn sie das Altonaer Museum schließen, dann machen sie vor nichts mehr halt, dann sind wir auch bald dran. Wir haben das Altonaer Museum verteidigt. Wir haben verhindert, dass das Gedächtnis der Stadt zerstört oder beschädigt wird - mit großer Unterstützung der Bevölkerung. Wir haben am Anfang nicht im Traum daran gedacht, dass wir eine Regierung stürzen könnten – aber das ist geschehen. Der Verkauf an MSC, der Bruch der Grundsätze von staatlicher Hafenpolitik und der Angriff auf die Speicherstadt hat das Talent, die SPD in Hamburg um die Macht zu bringen. Egal, ob sie diesen Vertrag durch die Bürgerschaft bringt oder daran scheitert: Wenn der Deal mit MSC durchgeht, wird sichtbar werden, das MSC sich an nichts halten muss und den Gesamthafen ruiniert durch die ausschließlich auf die Profite der Reederei gerichtete Form rücksichtsloser Schifffahrt – oder wenn die Bürgerschaft das Geschäft auf Kosten des Hafens und Hamburgs ablehnt, erweist sich, dass die drei SPD-SenatorInnen, darunter der Erste Bürgermeister Hamburgs so schlecht verhandelt haben, wie man sich das bisher nicht vorstellen konnte.
Dr. Jürgen Bönig, Technikhistoriker, ehemals am Museum der Arbeit, Ver.di-Aktivist unter anderem bei der Verteidigung des Altonaer Museums
Das von MSC und der Verhandlungskommission des Senates am vereinbarte Kaufangebot ist in der von der Bafin veränderten Form abrufbar unter: https://poh-ffer.de/download/companies/ma3006/3006_01offer/PoH_SE_Angebotsunterlage.pdf
Die Gemeinsame begründete Stellungnahme des Vorstands und des Aufsichtsrats der HHLA ist abrufbar unter https://hhla.de/beteiligung-msc
Die Vorstandsvorsitzende der HHLA Angela Titzrath erläutert in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt [HA Mi. 8. November 2023 S. 21] ihre Sicht auf die Vereinbarungen.
Pressemitteilungen über die getroffenen Vereinbarungen enden mit der Feststellung, die sich jede/r merken sollte, der sich auf Absichtserklärungen in Verträgen verlässt:
Diese Pressemitteilung und die gemeinsame Begründete Stellungnahme enthalten bestimmte in die Zukunft gerichtete Aussagen. Zukunftsbezogene Aussagen drücken Absichten, Ansichten oder Erwartungen aus und schließen bekannte oder unbekannte Risiken und Unsicherheiten ein, da sich diese Aussagen auf Ereignisse beziehen und von Umständen abhängen, die in der Zukunft geschehen werden. Wörter wie „sollte“, „werden“, „erwarten“, „beabsichtigen“, „anstreben“, „davon ausgehen“, „glauben“, „planen“ oder ähnliche Ausdrücke weisen auf zukunftsbezogene Aussagen hin.
Auch wenn der Vorstand und der Aufsichtsrat der HHLA davon ausgehen, dass die in solchen zukunftsbezogenen Aussagen enthaltenen Erwartungen auf berechtigten Annahmen basieren und nach bestem Wissen und Gewissen zum heutigen Tag zutreffend und vollständig sind, kann keine Zusicherung dahingehend abgegeben werden, dass diese Erwartungen eintreten werden oder sich als zutreffend erweisen. Auch kann keine Garantie hinsichtlich der zukünftigen Richtigkeit und Vollständigkeit solcher Aussagen übernommen werden. Bezüglich jeder zukunftsbezogenen Aussage ist zu berücksichtigen, dass die tatsächlichen Ereignisse oder Ergebnisse aufgrund politischer, wirtschaftlicher oder rechtlicher Veränderungen in Märkten oder Umfeldern, in denen die HHLA ihre Geschäftstätigkeit entfaltet, Wettbewerbsbedingungen oder Risiken, welche das Geschäftsmodell der HHLA mit sich bringt, sowie Unsicherheiten, Risiken und Volatilität in den Finanzmärkten und anderer Faktoren, die auf die HHLA einwirken, wesentlich von den getätigten zukunftsbezogenen Aussagen abweichen können.
Diese Veröffentlichung stellt weder ein Angebot zum Verkauf noch eine Aufforderung zum Kauf von Wertpapieren dar.
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