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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 11/2023

Die polnische Linke und der Krieg in der Ukraine
von Dariusz Zalega

Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine schockierte der gesamte polnische Öffentlichkeit. Eine große Welle der Solidarität und Hilfe für die geflüchteten Ukrainer durchzog ganz Polen, dies vor allem auch deshalb, weil die polnische Regierung die ganze Zeit in ihrer Propaganda eine Rhetorik gegen Geflüchtete bemühte. Allerdings richtete sich diese vorwiegend gegen Geflüchtete aus dem globalen Süden, die über die polnisch-belorussische Grenze kamen.

Alle wichtigen politischen Kräfte Polens sprachen sich für eine Unterstützung der Ukraine aus und… warfen sich gegenseitig eine prorussische Haltung vor. Eine offizielle Unterstützung Putins war jedoch nur bei den Parteioberen der polnischen Partei der extremen Rechten, der Konfederacja, zu erkennen. Dies ist nicht verwunderlich, entspricht ihr doch der traditionalistische und antieuropäische Kurs der Machthaber im Kreml.
Die gesamte parlamentarische Linke verurteilte Putins Aggression: von den Sozialliberalen der SLD bis zur Partei Razem (Gemeinsam), die sich auf die Tradition der Sozialdemokratie beruft. Ganz anders war es bei der außerparlamentarischen Linken, bei denen es recht unterschiedliche Stimmen gibt, die sich an unterschiedlichen Aktivisten festmachen und nicht an konkreten politischen Organisationen.
Manche Aktivisten nahmen eine neutrale Haltung ein, die zugleich den Aggressor und den Überfallenen in einen Topf werfen und z.B. der Partei Razem vorwerfen, eine »NATO-Linke« zu sein. Diese Personen bringen in ihrer »Antikriegs«rhetorik in erster Linie antiukrainische Argumente vor, ohne die Unterdrückung der Antikriegsbewegung in Russland auch nur zu erwähnen. Um vieles stärker jedoch ist das »linksnationale« Milieu, in dem traditionell eine starke Verwurzelung und Sympathie zu Russland – egal zu welchem Regime – vorherrscht. Dort verschwimmen die Grenzen zwischen der extremen Rechten und der extremen Linken.
Ein Beweis dafür war der »Marsch für den Frieden«, der am 1.Mai 2023 in Warschau vom Polnischen Verband gegen Krieg organisiert wurde. Diese Bewegung wurde vom prorussischen Politologen Leszek Sykulski und dem aktiven Impfgegner Sebastian Piton gegründet, die beide dem Kreis der extremen Rechten zuzuordnen sind. An dem Marsch nahmen einige hundert Menschen teil, deren Parolen sich gegen die USA und die EU richteten, aber die Rolle Russlands verschwiegen. Offensichtlich unterstützen Gruppierungen, die zuvor gegen das Impfen aufgetreten sind, den Klimawandel negieren bzw. Verschwörungstheorien verbreiten, Putin in besonderer Weise.
Die rechte Konfederacja versucht sich jetzt in antiukrainischer Stimmungsmache, indem sie von einer »Ukrainisierung Polens« spricht und immer wieder an das Massaker an Polen in Wo?y? durch die Aufständische Armee der Ukraine (der militärische Flügel der Organisation Ukrainischer Nationalisten – OUN) 1943 erinnert. Immer mehr Sprechchöre gegen die Ukraine sind von extremen Rechte in Stadien zu hören.

Hilfen
Die Linke hat vor allem Hilfe für die Geflüchteten gesammelt, es wurden Spenden in Büros der Abgeordneten abgeliefert und Erklärungen gegen die Aggression abgegeben. Eine Delegation der Partei Razem hat zusammen mit ihrer Abgeordneten Paulina Matysik im Mai dieses Jahres in Lwiw an einem Treffen linker ukrainischer Aktivisten teilgenommen. »Wir freuen uns, dass wir uns die Meinungen der ukrainischen Gewerkschafter anhören konnten. Sie berichteten über Probleme und Gefahren während der Arbeit in Kriegszeiten. Gemeinsam haben wir überlegt, welche Möglichkeiten es seitens der europäischen Linken gibt, um die kämpfende Ukraine zu unterstützen«, sagte Dorota Kolarska vom Sekretariat für ausländische Angelegenheiten der Partei Razem.
Des weiteren hat sich auf Initiative u.a. des anarchosyndikalistischen Gewerkschaftsverbands Inicjatywa Pracownicza (Arbeiterinitiative – IP) eine Reihe von Gewerkschaftern aus verschiedenen Ländern an der Organisation von Hilfskonvois für die Ukraine beteiligt. Es wurden schon drei solcher Konvois organisiert; Partner auf ukrainischer Seite sind unabhängige Gewerkschaften, ein Teil von ihnen gehört der Konföderation der freien Gewerkschaften der Ukraine (KWUP) an.
Ignacy Józwiak von der Inicjatywa Pracownicza schreibt: »Die ukrainischen Arbeiterinnen und Arbeiter führen einen Kampf an zwei Fronten. Die eine Front ist der bewaffnete Widerstand gegen die Invasoren des Kreml. Die zweite ist die Front der Arbeits- und Sozialrechte angesichts der Deregulierung des Arbeitsrechts und der Kürzungen der Sozialausgaben. An beiden Fronten ist internationale Solidarität gefragt.«

Der Autor ist Journalist und Historiker mit Schwerpunkt »Oberschlesien – Geschichten des Volkes und der Arbeiterbewegung«.

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