In Schweden, Deutschland und den USA kommt der E-Autobauer erstmals unter Beschuss
von Hermann Dierkes
Die enormen Umsätze und Profite des US-Elektrofahrzeugbauers Tesla haben eine wesentliche Ursache: Der Konzern mit dem superreichen Herrn Elon Musk an der Spitze zwingt seinen Belegschaften Ausbeutungsbedingungen auf, die weit schlimmer sind als bei den meisten Konkurrenten in der Autobranche. Musk hat sein Management auf strikten Anti-Gewerkschaftskurs gebürstet, behindert gewerkschaftliche Organisierung, lehnt Tarifverträge ab, verstösst massiv gegen Arbeits- und Gesundheitsschutz, verlangt höchste Produktionszahlen und lässt bestenfalls handzahme Betriebsräte zu. Das gilt für alle seine Standorte, sei es in den USA, in Deutschland oder in Schweden. Doch inzwischen bekommt er mächtig Gegenwind.
Die Belegschaften beginnen sich zu wehren und die gewerkschaftlichen Organisationen entdecken wieder, wofür sie eigentlich da sind. Die Politik, die sich (bis auf die LINKE) in aller Regel zum willigen Handlanger des Konzerns gemacht hat – mit zweifelhaften Genehmigungsverfahren, Verstössen gegen Umwelt- und Naturschutz, hohen Subventionen, Reklameläufen für die ”Wohltaten” des Konzerns sowie nachlässiger Behördenüberwachung beim Arbeits- und Gesundheitsschutz – kommt zunehmend unter Druck.
Auftakt in Grünheide
Die sogenannte Gigafabrik in Grünheide (Brandenburg) wurde in Rekordzeit und gegen den Widerstand vieler Bürger:innen der Region hochgezogen. Es hat 11000 Beschäftigte aus vielen Ländern. Bei der Einweihung im Februar 2022 pries Bundeskanzler Scholz im Beisein von Musk dessen Investition und sparte auch nicht mit Lob für die Belegschaft: ”Die Beschäftigten hier schaffen unseren (!) Wohlstand."
Doch das Bild vom ”Wohltäter” Musk bekommt Kratzer. Im neuen Tesla-Werk, wo die schlimmen Arbeitsbedingungen durch sog. Whistleblower, ”Wallraffiaden” von Journalisten von RTL und Stern-TV, in den letzten Monaten eine breite Öffentlichkeit erreicht haben (siehe SoZ 11/23), versucht das Management mit einseitigen Lohnerhöhungen, den beginnenden gewerkschaftlichen Widerstand auszubremsen und tariffrei zu bleiben: Ab November gibt es 4 Prozent mehr, eine einmalige Inflationsausgleichsprämie im Dezember sowie eine einmalige Produktionsprämie für das nächste Jahr, die im Februar gezahlt werden soll.
Die IG Metall sieht darin einen ersten notwendigen Schritt, der allerdings einen Tarifvertrag nicht ersetzt. Sie führt ihn auf die Aktionswoche für faire Bedingungen zurück, an der erstmals viele Beschäftigte teilgenommen haben. Und selbst mit diesen Ankündigungen des Managements, deren Eckpunkte in Anwesenheit von Musk ausgebrütet worden waren, liegt Tesla immer noch deutlich unter den branchenüblichen Entgelten.
Arbeitskampf in Schweden
In Schweden zeichnet sich der ”Wohltäter” Musk durch die genau gleichen Methoden aus. Aber jetzt hat die dortige IF-Metallgewerkschaft am 27.10. in Teslas Tochtergesellschaft TM einen Arbeitskampf für die Durchsetzung eines Tarifvertrags ausgerufen – eine Weltneuheit. Laut IndustrieAll, dem industriegewerkschaftlichen Zusammenschluss in 140 Ländern, handelt es sich um den ersten Streik gegen den E-Autoriesen. Tesla hat nochmals bekräftigt, dass man nicht bereit ist, irgendwo einen Tarifvertrag abzuschliessen.
IF Metall hat daraufhin den Streik am 3.11. ausgeweitet. Er erfasst jetzt auch die 17 Reparatur- und Service-Werkstätten im Land. Der Gewerkschaftsverband Transport hat seine Mitglieder zur Solidarität aufgerufen und bestreikt seit dem 7.11. die Verladung von Tesla-Pkw in den vier Häfen Göteborg, Malmö, Södertälje und Trelleborg. Auch der nordische Gewerkschaftsverband hat Maßnahmen angekündigt. Wenn bis zum 17.11. kein Tarifvertrag zustandekommt, wollen auch die Elektriker in den Streik treten mit der Folge, dass es keine Wartungs- und Reparaturarbeiten in den zwölf Tesla-Werkstätten und an den 213 Ladestationen in Schweden mehr geben wird.
Tesla versucht, die Belegschaften zu spalten und Streikbrecher einzusetzen. Der Arbeitskampf ist von fundamentaler Bedeutung für beide Seiten und den künftigen Arbeitsmarkt, nicht nur in Europa. Auch die US-amerikanische Gewerkschaft UAW, die soeben nach wochenlangen Streiks gegen die Autoriesen Ford, GM und Stellantis erfolgreich war, hat nun auch Tesla mit seinen vier Großbetrieben aufs Korn genommen.
Stand 10.11.23
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen
Spenden
Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF
Schnupperausgabe
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.