Die demokratische Opposition hat gewonnen
von Oko.press
Nachstehend bringen wir einen Kommentar zum Wahlausgang in Polen vom polnischen Online-Portal Oko.press.
Wir haben acht Jahre lang auf ein solches Wahlergebnis und mit wachsender Hoffnung auf den Wahlsonntag gewartet. Die »Leaks«, die im Internet kursierten, deuteten auf einen Vorsprung der drei prodemokratischen Parteien gegenüber der potenziellen, aber noch ungewissen Regierungskoalition aus PiS und Konfereracja hin.
Auch die Umfragewerte über die Wahlbeteiligung zeigten einen im Vergleich zu 2019 höheren Anstieg – eine stärkere Mobilisierung in den Provinzen, die die PiS traditionell ablehnen, als in denen, die der PiS traditionell freundlich gesinnt sind.
Man kann durchaus von einem demokratischen Erfolg sprechen, da die Wahlbeteiligung beeindruckende 72,9 Prozent betrug. Das ist viel höher als bei den Wahlen im Juni 1989 (62 Prozent) und 2019 (61,7 Prozent), mehr sogar als in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen 2020 (68,2 Prozent).
Die prodemokratische Opposition, bestehend aus drei Listen, erhielt insgesamt 53,2 Prozent der Stimmen gegenüber 43 Prozent für PiS und Konfederacja. Das ist ein grundlegender Wandel, denn bei den Wahlen 2015 und 2019 erhielten sie nur 48 bzw. 48,5 Prozent der Stimmen.
Der Erfolg der Opposition ist umso größer, als sie einer organisierten Armee aus Gewalt, Geld und Propaganda gegenüberstand. Enorme öffentliche Gelder flossen in die Kampagne der Regierungspartei, die, von staatlichen Unternehmen überwiesen, unter anderem zur »Förderung des Referendums« verwendet werden sollten. Inzwischen könnte diese reine Propagandaübung den Behörden sogar geschadet haben. Die Unverfrorenheit der Idee und die Fragen des Referendums, die die Intelligenz beleidigten, mobilisierten die liberale Öffentlichkeit weiter und könnten auch einen Teil der PiS-Wähler verunsichert haben.
Auf der Seite der Regierung stand die Polizei, die, anstatt die Demonstrierenden zu schützen, sie in eine Schlägerei verwickelte. Das Ministerium und die Schulaufsichtsbehörden schüchterten die Schulen ein. Öffentliche Gelder wurden ohne Scham an regierungsnahe, katholische und konservative (im polnischen Sinne des Wortes) Stiftungen und Medien verteilt. Trotz der erklärten Neutralität des Episkopats unterstützte die katholische Kirche die Regierung – zumindest auf Gemeindeebene. Vielleicht war deshalb am Wahlsonntag das Programm auf dem regierungsabhängigen Fernsehkanal TVP voll mit Sendungen zu Johannes Paul II. Geholfen hat es nicht.
Die »öffentlich-rechtlichen« Medien produzierten – gemeinsam mit PiS-Politikern – fleißig aufeinander folgende Angstkampagnen. Von Deutschland, Brüssel, Russland, illegalen Einwanderern und sogar vom widerspenstigen ukrainischen Präsidenten würde eine Bedrohung der polnischen Interessen und des Nationalstolzes ausgehen, aber schließlich endete es immer bei Tusk, weil es Tusk war, der Migranten ins Land holen wollte, um polnische Frauen zu vergewaltigen, und es war Tusk, mit dem sich Frau Holland geeinigt hat (die Regisseurin Agnieszka Holland hat in ihrem Film »Die Grüne Grenze« das polnische Grenzregime angegriffen).
Der schmerzlichste Punkt betrifft die Verletzung der Chancengleichheit bei den Wahlen. Sie waren nicht gleich, denn die öffentlich-rechtlichen Medien, die »den öffentlichen Auftrag erfüllen und der gesamten Gesellschaft und ihren einzelnen Teilen vielfältige Programme anbieten sollten, die sich durch Pluralismus, Unparteilichkeit, Ausgewogenheit und Unabhängigkeit auszeichnen«, haben der Partei Recht und Gerechtigkeit blind, demütig und unterwürfig gedient.
Durch ihre Blockade von Änderungen des Wahlrechts verschaffte sich die PiS zudem einen Vorteil, da sie leichter Sitze gewinnt als die Opposition.
OKO.press, 15.10.2023
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