Dokumentarfilm: Liebe, D-Mark und Tod
von Ayse Tekin
Liebe, D-Mark und Tod
Deutschland 2022
WDR-Mediathek bis 25.1.2024
Deutschlandlieder – Almanya Türküleri
Deutschland 2022
3sat-Mediathek bis 26.1.2024
Man brauchte unsere Arbeitskraft
die Kraft die was am Fließband schafft
Wir Menschen waren nicht interessant
darum blieben wir euch unbekannt
(Aus dem Lied »Es kamen Menschen an« von Cem Karaca, 1984)
Der Dokumentarfilm Liebe, D-Mark und Tod überrascht mit seinen Charakteren, die wie aus einem Spielfilm wirken. Er überrascht auch mit seiner Erzählung der Migrationsgeschichte an Hand der Musik aller Couleur der Migranten aus der Türkei, sog. Volkslieder, die mit einer Laute (Saz) gespielt werden, aber auch Pop- und Rockmusik und nicht zuletzt von die von der jungen Generation entwickelte Wutmusik Rap. Die Musik der Migranten, die auf türkisch »Deutschländer-Musik« genannt wird, ist aus der jeweiligen Ist-Situation, aber auch aus den Bedürfnissen der Menschen entstanden, die, wie oben in dem Lied beschrieben, fürs Fließband angeworben wurden, nicht um Menschen kennenzulernen.
Der Filmtitel ist aus einem Gedicht des in Berlin lebenden türkischen Dichters Aras Ören. »Liebe« beschreibt darin die 60er, 70er Jahre, Anwerbezeit, Anwerbestopp und danach. Sie beschreibt insbesondere die Sehnsucht der Menschen, die hier auf sich allein gestellt sind und wie sie damit zurecht kommen. »D-Mark« ist die Zeit der Etablierung, wo Menschen ihre Nischen für ihre Kultur geschaffen haben. Sogenannte Parallelgesellschaften, die in dem Film ganz gut erklärt werden, warum das notwendig geworden ist. Die 80er Jahre wurden nach dem Putsch 1980 auch durch die politische Migration aus der Türkei bestimmt. Entsprechend sind die Lieder auch linkspolitischer geworden. »Tod« symbolisiert die 90er und 2000er Jahre, die mit rassistischen Anschlägen auch die Migrant:innen überraschten, aber auch ein Gefühl des »Jetzt erst recht« und Widerstand erzeugt haben. Dieser Widerstand findet seinen Ausdruck in der Rap-Musik.
Der Film erhält für Migrant:innen aus diesem Kulturkreis – wie für mich – und für die Nichtkenner:innen der Szene sehr viele Informationen, macht aber auch an Hand der Musikgeschichte verständlich, wie Migrationsgeschichte geschrieben werden kann. Der Regisseur ist hier geboren, aufgewachsen und hat studiert. Sein »anderer Blick« als der von Menschen, die mit ihrer Migration auch ein Gepäck mitgebracht haben, macht den Film zu einem Lehrstück. Er sagt in einem Interview im Deutschlandfunk: »Dann hat man sich das halt hier selbst erschaffen. Und diese ganzen popkulturellen Produkte, Musikkassetten, Videokassetten, aber auch Zeitungen, das waren die Sachen, die uns das so ein bisschen haben fühlen und erfahren lassen. Da haben wir auch Türkisch gelernt.«
Warum solche Dokumentationen für eine Erinnerungskultur wichtig sind, zeigt auch die Aussage eines Musikers, der im Film sagt: »Vorher dachte ich immer, dass ich allein oder der erste gewesen bin.« Dazu zeigt der Film eine 60jährige Musikgeschichte.
Der Film, Deutschlandlieder, ist auch eine Dokumentation, sie wurde von einem Künstler aus dieser Musikszene gedreht, im gleichen Jahr und fast mit denselben Personen. Der Regisseur, gleichzeitig auch Erzähler im Film, ist den Leser:innen dieser Zeitung aus Köln bestimmt bekannt. Der Film dokumentiert die für diesen Zweck organisierten Konzerte in Köln und in Istanbul.
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen
Spenden
Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF
Schnupperausgabe
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.