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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2023

Hafenanteile werden im Hinterzimmer verkauft
von Violetta Bock

Vor gut einem Jahr waren die Hafenarbeiter:innen im Norden Herz des Kampfs gegen die steigenden Preise. Unter dem Motto »Inflationsmonster stoppen« kämpften sie im Rahmen der Tarifauseinandersetzung für einen Inflationsausgleich. Vor ein paar Wochen fand ein wilder Streik am Hamburger Hafen statt. Der Grund diesmal: Am 6.November sprachen sich Vorstand und Aufsichtsrat der Hamburger Hafen und Logistik GmbH (HHLA) für einen Teilverkauf an die aktuell größte Reederei der Welt, die Mediterranean Shipping Company (MSC) aus.

49,9 Prozent der Anteile möchte der rot-grüne Senat verkaufen, der die Hamburger Hafenanlagen betreibt und bewirtschaftet – angeblich wegen notwendiger Investitionen. Tatsächlich soll die Privatisierung die Mitbestimmung aushöhlen und den Widerstand gegen Automatisierung, Arbeitsplatzabbau und Kostensenkung brechen. Daraufhin traten rund 200 Hafenarbeiter:innen bis zum 8.November in einen wilden Streik. Aufgrund zahlreicher Abmahnungen beendeten sie ihn, aber sie schafften es, Öffentlichkeit auf das Thema zu lenken. Denn der Verkauf selbst fand bislang im Hinterzimmer statt.

Hafen oder Casino
Auf einer Kundgebung von Ver.di am 11.November unter dem Motto »Unser Hafen, nicht euer Casino« stellte Jürgen Bönig eindringlich klar, weshalb das jetzige Vorgehen mit einer jahrhundertealten Politik der Gestaltung der Bedingungen durch die öffentliche Hand bricht: »Dieser Grundsatz, dass der Staat bestimmt, was im Hafen gebaut wird und wie es benutzt wird, war die Grundlage, auf der die Speicherstadt und der Freihafen errichtet wurden. Der Grundsatz war gut, weil nur in einem Hafen im Staatsbesitz und als Staatsbetrieb alle Kunden gleichbehandelt werden.
»1888, als die Speicherstadt gebaut und der Freihafen errichtet wurde, haben Bürgerschaft und Senat entschieden, dass nur dieser Grundsatz die Entwicklung des Hamburger Hafens fördern wird. Der Staat hat die Speicherstadt bauen lassen und die HHLA gegründet, um die Hafenanlagen zu betreiben und zu bewirtschaften – niemand sollte Kaianlagen, Schuppen, Böden und Speicher privat besitzen, weil nur so gewährleistet war, dass sich die Privatinhaber nicht gegenseitig in die Hacken treten und der Stärkere, Größere bewirken kann, dass der Kleinere nicht zum Zuge kam, weil er nicht bedient wurde oder die Umschlaganlagen des Kapitalstärkeren besser ausgebaut wurden.«
Das Kaufangebot enthält lediglich Absichtserklärungen, weder Mitbestimmung noch Gleichbehandlung der Kunden sind abgesichert. Eine öffentliche Information und Beteiligung fand nicht statt.

Verkauf gescheitert? Noch mehr Verkauf!
2007 wurden Teile des ehemals vollständig in städtischer Hand und Kontrolle befindlichen Unternehmens mit der Umwandlung der HHLA in eine Aktiengesellschaft und dem darauffolgenden Börsengang in Streubesitz gegeben. Versprochen wurden finanzielle Spielräume und ein Aufschwung des Hafens. Stattdessen stagnierte der Hafenumschlag. Nun soll es nach dem Willen des Senats mit MSC ein »strategischer Partner« richten, der die in Streubesitz befindlichen Aktien aufkaufen und zusätzlich weitere Anteile von der Stadt übertragen bekommen soll. Statt noch mehr zu verkaufen, fordern Ver.di und Die LINKE den Rückkauf der Teile in Streubesitz durch den Senat.
»Hier bekommen Reedereien Millionen in den Arsch gestopft und dann nehmen sie das Geld und kaufen unsere öffentlichen Unternehmen auf. Das muss in Europa gestoppt werden«, sagte David Stoop bei der Aufstellung der Europaliste der LINKEN zu den Machenschaften am Hafen. Er kritisierte unter anderem die Tonnagesteuer. Bei dieser Methode der Gewinnermittlung wird der Gewinn pauschal nach der Größe (Nettoraumzahl, Innenvolumen) des Schiffes anstelle des tatsächlichen Gewinns oder Verlusts ermittelt. Sie bedeutet Privilegien für große Reedereien durch eine sog. Gruppenfreistellung. Es wird gestattet, Kartelle zu bilden, und sie bekommen steuerliche Vorteile. Das führt dazu, dass eine Reederei wie Hapag-Lloyd, die Milliarden Gewinne macht, weniger als ein Prozent Steuern auf diese Gewinne zahlt. Im Jahr 2022 wären das 2 Milliarden Euro mehr für Hamburg gewesen.

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