Buchtipp zum Thema Cybermobbing
von Gerhard Klas
Miriam Leroy: Rote Augen. Aus dem Französischen von Daniele Högerle. Hamburg: Nautilus, 2023. 176 S., 22 Euro
Mobbing in sozialen Medien kann in jede Nische des Alltags vordringen und das Leben vergiften. Das liegt auch an der immer noch weit verbreiteten Verharmlosung des Phänomens. Der belgischen Autorin und Journalistin Miriam Leroy ist es gelungen, die zerstörerische Wucht des Cybermobbings zur Sprache zu bringen.
Was als harmlose Facebookkorrespondenz beginnt, entwickelt sich zu einer realen Bedrohung. Eine junge, profilierte Radiojournalistin bekommt den Hass eines »zurückgewiesenen« Verehrers zu spüren. Behörden und ihr persönliches Umfeld sind ihr keine Hilfe, sie beschwichtigen und relativieren. Leroy hat selber gegen einen Mann prozessiert, der sie jahrelang in den sozialen Medien gemobbt hatte.
Das Buch zitiert die Posts eines Mobbers, der sich »Denis, the Menace« nennt. Die Journalistin kommt nicht zu Wort – Leroy präsentiert den Blick von Denis, der sich als Famlienvater und Verwaltungsbeamter vorstellt. Er arbeitet sich an ihren Radiosendungen ab, erzählt dabei mehr und mehr von sich und seinem Leben.
Denis, der traditionelle Frauenbilder gut findet und Linke, Umweltschützer und Araber zu Feinden erklärt, scheint nach dem Motto vorzugehen: Kennenlernen schafft Nähe. Er wird immer distanzloser, versucht über Mitleid die Zuneigung der Journalistin zu erheischen. Eine Penetranz, die schon beim Lesen schwerste Beklemmung erzeugt. Als die Journalistin seine immer wiederkehrenden Einladungen ablehnt und sogar seinen Kontakt blockt, schlagen die Versuche der Anbiederung in offenen Hass um, den er überall im Netz verbreitet und damit regelrechte Shitstorms auslöst.
Später sind es nicht nur die Posts von Denis, die der Protagonistin zusetzen. Sie zitiert schließlich auch solche von Freundinnen und Kolleginnen, die relativieren und beschwichtigen, von Ermittlungsbehörden und Anwälten, die abwiegeln.
Die Perspektive der anderen hat die Schriftstellerin bewusst als Stilmittel gewählt. »Damit der Leser begreift, was das bedeutet, bloßes Spielzeug im Diskurs der anderen zu sein«, erklärt Leroy in einem Interview. Das ist ihr gelungen.
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