Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

Hier können Sie jetzt Spenden
Nur Online PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2023

von Perry Anderson
1929 stellte Lucien Febvre die ersten systematischen Überlegungen zur Entwicklung der Bedeutung des Begriffs "Zivilisation" an, vom singulären Ideal, das er auf das dritte Viertel des 18. Jahrhunderts datierte, bis zum pluralen Fakt, den er am Ende der napoleonischen Epoche ansiedelte. In den Jahren 1944-45 widmete er seine letzte Vorlesung dem Thema "Europa: Entstehung einer Zivilisation", und ein Jahr später fügte er sogar dem Titel der Zeitschrift Annales, Économies et Sociétés das Wort Civilisations hinzu. Kurz vor seinem Tod schrieb er eine scharfe Notiz, in der er einem Kollegen zustimmte, der Valérys berühmtes Diktum, diese Zivilisation, habe er nun erkannt, sei sterblich, zurückwies: "In Wirklichkeit sind es nicht die Zivilisationen, die sterblich sind. Der Strom der Zivilisation überdauert die vorübergehenden Verfinsterungen … Einfaches Luftablassen eines Windbeutels.“ Ein Jahrzehnt später stimmte Fernand Braudel zu: "Als Paul Valéry erklärte: ‚Zivilisationen, wir wissen, dass ihr sterblich seid‘, hat er sicherlich übertrieben. Die Jahreszeiten der Geschichte bringen Blumen und Früchte zu Fall, doch der Baum bleibt. Zumindest ist er viel schwerer zu fällen.“
Inwieweit hat sich Braudels Zuversicht, dass die Verwendung des Begriffs im Singular nicht mehr von großer Bedeutung sei, als gerechtfertigt erwiesen?

Eine Möglichkeit, sich dieser Frage zu nähern, besteht darin, einen Bereich des Denkens und der Praxis zu betrachten, in dem "Zivilisation" historisch deutlich hervorgetreten ist, nämlich das Völkerrecht. Hier können wir zunächst ein scheinbares Paradox feststellen. Der zeitgenössische Begriff Völkerrecht ruft sofort die Vorstellung einer Beziehung zwischen souveränen Staaten hervor. Im Westen wird allgemein davon ausgegangen, dass sich diese Beziehungen zum ersten Mal mit dem Westfälischen Frieden, der 1648 den Dreißigjährigen Krieg in Europa beendete, zu einer Art formalem System entwickelt haben. Es wäre logisch anzunehmen, dass um diesen Wendepunkt herum ein entwickeltes Gedankengut zum Völkerrecht entstanden sei. Tatsächlich müssen wir jedoch bis in die 1530er Jahre zurückgehen, um seine Ursprünge zu bestimmen. Damals begann die Geschichte des Völkerrechts mit den Schriften des spanischen Theologen Francisco de Vitoria, der sich nicht mit den Beziehungen zwischen den europäischen Staaten befasste, von denen Spanien damals der mächtigste war, sondern mit den Beziehungen zwischen den Europäern – in erster Linie natürlich den Spaniern – und den Völkern der neu entdeckten Amerikas.

Grundlagen
In Anlehnung an die römischen Vorstellungen vom ius gentium oder dem Recht der Nationen stellte Vitoria die Frage, mit welchem Recht Spanien kürzlich in den Besitz des größten Teils der westlichen Hemisphäre gelangt war. War es, weil diese Länder unbewohnt waren, oder weil der Papst sie Spanien zugewiesen hatte, oder weil es eine Pflicht war, die Heiden zum Christentum zu bekehren, wenn nötig mit Gewalt? Vitoria lehnte alle diese Gründe für die Eroberung der Neuen Welt ab. Verstieß sie deshalb gegen das Völkerrecht? Nein, denn als die Spanier in ihr Land kamen, verletzten die wilden Bewohner Amerikas das universelle "Recht auf Kommunikation", das ius communicandi, das ein wesentlicher Grundsatz des Rechts der Nationen ist.

Was war gemeint mit "Kommunikation"? Sie meinte Reisefreiheit und die Freiheit, überall zu kaufen und zu verkaufen: mit anderen Worten, Handelsfreiheit und die Freiheit zu überzeugen, d.h. den Indianern, wie die Spanier sie nannten, die christlichen Wahrheiten zu predigen. Wenn die Indianer sich diesen Rechten widersetzten, hatten die Spanier das Recht, sich mit Gewalt zu verteidigen, Festungen zu bauen, Land zu beschlagnahmen und zur Vergeltung Krieg gegen sie zu führen. Sollten die Indianer auf ihren Missetaten beharren, waren sie als verräterische Feinde zu behandeln, die ausgeplündert und versklavt werden mussten. Die Eroberungen waren also letztlich völlig legitim.

Der erste wirkliche Baustein dessen, was noch zweihundert Jahre lang als Recht der Nationen bezeichnet werden sollte, wurde also zur Rechtfertigung des spanischen Imperialismus konstruiert. Der zweite, noch bedeutendere Baustein kam mit der Schrift von Hugo Grotius im frühen 17. Jahrhundert. Grotius wird heute vor allem für seine Abhandlung über das "Recht des Krieges und Friedens" – De iure belli ac pacis – aus dem Jahr 1625 geschätzt und bewundert. Doch sein eigentlicher Einstieg in das Völkerrecht, so wie wir es heute verstehen, begann mit einem Text, der zwanzig Jahre zuvor geschrieben wurde und unter dem Titel "Über das Prisenrecht" bekannt werden sollte – De iure praedae. Darin liefert Grotius eine rechtliche Grundlage für die Beschlagnahme eines mit Kupfer, Seide, Porzellan und Silber im Wert von drei Millionen Gulden beladenen, portugiesischen Schiffes durch einen Kapitän der niederländischen Ostindien-Kompanie (einem seiner Vettern) – ein beispielloser Raubzug, der in Europa für Aufsehen sorgte; der Wert der Ladung entsprach einem Jahreshaushalt Englands zu der Zeit. Im fünfzehnten Kapitel, das später unter dem Titel Mare Liberum veröffentlicht wurde, erklärte Grotius, die hohe See sei als freie Zone sowohl für Staaten als auch für bewaffnete Privatunternehmen zu betrachten, und dass sein Vetter durchaus im Recht sei. Damit lieferte er eine juristische Begründung für den niederländischen Handelsimperialismus, so wie Vitoria sie für den spanischen Territorialimperialismus geliefert hatte.

Als Grotius zwei Jahrzehnte später seine allgemeine Abhandlung über das Recht des Krieges und des Friedens schrieb, hatten die Niederländer auch Interesse an Kolonien auf dem Festland gewonnen und eroberten von Portugal bald Teile Brasiliens. Grotius vertrat nun die Ansicht, die Europäer hätten das Recht, gegen alle Völker Krieg zu führen, selbst wenn sie nicht von ihnen angegriffen worden waren, deren Sitten sie als barbarisch betrachteten – als Vergeltung für ihre Verbrechen gegen die Natur. Dies war das ius gladii, das Recht des Schwertes oder der Strafe. Er schrieb: "Könige und diejenigen, die Macht haben wie Könige, haben das Recht zu bestrafen, nicht nur bei Verstößen gegen sie selbst oder ihre Untertanen, sondern auch bei solchen Verstößen gegen das Recht der Natur oder der Nationen, die nicht speziell sie selbst betreffen, sondern wen auch immer. Mit anderen Worten, Grotius lieferte einen Freibrief, jeden anzugreifen, zu erobern und zu töten, der der europäischen Expansion im Wege stand.

Zu diesen beiden Eckpfeilern des frühneuzeitlichen Völkerrechts, dem ius communicandi und dem ius gladii, kamen zwei weitere Rechtfertigungen für die Kolonisierung der Welt außerhalb Europas hinzu. Thomas Hobbes schlug ein demografisches Argument vor: Es gebe zu viele Menschen zu Hause und so wenige in Übersee, dass europäische Siedler in Ländern mit Jägern und Sammlern das Recht hätten, "diejenigen, die sie dort vorfinden, nicht auszurotten, doch zu zwingen, dichter zusammenzuwohnen und sich nicht weit auszubreiten, um das was sie vorfinden, an sich zu reißen" – ein klares Programm für die Einrichtung von Reservaten, in die die Ureinwohner Nordamerikas schließlich getrieben werden sollten. Natürlich, wenn man Land einfach für unbewohnt halten konnte, war selbst das unnötig. Zu dieser weit verbreiteten Ansicht fügte John Locke noch das Argument hinzu, dass die Europäer, wenn es vor Ort Einwohner gab, die das ihnen zur Verfügung stehende Land nicht optimal nutzten, jedes Recht hatten, es ihnen zu entziehen, da sie durch die Steigerung der Produktivität des Bodens einen göttlichen Zweck erfüllen würden.
Damit war das Repertoire an Rechtfertigungen für die europäische imperiale Expansion am Ende des 17.Jahrhunderts vollständig: Das Recht auf Kommunikation, auf Bestrafung, auf Besatzung und auf Produktion rechtfertigten die Eroberung des restlichen Planeten.

Begrenzt auf die Zivilisierten
Im 18. Jahrhundert befassten sich die Schriften über das Recht der Nationen vorwiegend mit den Beziehungen zwischen den Staaten innerhalb Europas, und es gab aufgeklärte Stimmen – darunter Diderot, Adam Smith und Kant –, die die moralische Rechtfertigung der kolonialen Inbesitznahme von Ländern außerhalb Europas in Frage stellten, auch wenn keiner von ihnen vorschlug, sie rückgängig zu machen. Bezeichnenderweise stammte die bei weitem einflussreichste unter den neuen Abhandlungen, Le Droit des gens, von dem Schweizer Denker Emer de Vattel. Darin bemerkte Vattel kühl: "Die Erde gehört der ganzen Menschheit und ist dazu bestimmt, sie zu ernähren. Wenn jede Nation von Anfang an beschlossen hätte, sich ein riesiges Land anzueignen, damit Menschen nur von der Jagd, dem Fischfang und wilden Früchten leben können, würde unser Globus nicht ausreichen, um ein Zehntel seiner heutigen Bewohner zu ernähren. Wir weichen daher nicht von den Ansichten der Natur ab, wenn wir die Indianer auf engere Grenzen beschränken.“ (1)

In dieser Hinsicht steht Vattels Werk in der Kontinuität seiner Vorgänger, markiert aber dennoch einen diskursiven Wendepunkt hin zu einer mehr säkularen Version der göttlich verordneten Naturgesetze, die frühere Versionen des Rechts der Nationen rechtfertigten. Ohne im mindesten zu verschwinden, hörte die Religion auf, der Garant erster Ordnung für die Kolonisierung des Restes der Welt zu sein. Diese Rolle übernahm von nun an ein anderer Begriff.

Vattels Abhandlung wurde 1758 veröffentlicht. Nur ein Jahr vorher, 1757, tauchte erstmals nachweisbar das Substantiv "Zivilisation" auf, in einem Text von Graf Mirabeaus Vater – im entsprechenden Band der 1753 erschienenen Encyclopédie hatte es noch gefehlt. Wenige Jahre später führte Adam Ferguson es unabhängig davon in Schottland ein.


Der Erfolg von Vattels Werk, das sich in erster Linie mit den Beziehungen zwischen den europäischen Staaten befasste, aber auch deren Beziehungen zum Rest der Welt behandelte, war untrennbar mit dem Zeitpunkt seines Erscheinens verbunden. Es erschien inmitten des ersten globalen Konflikts, des Siebenjährigen Krieges zwischen Frankreich und Großbritannien, der nicht nur in Europa, sondern auch in Nordamerika, in der Karibik, im Indischen Ozean und in Südostasien ausgetragen wurde – eine Generalprobe für die titanischen Kämpfe in Europa, die durch die Französische Revolution ausgelöst wurden und sich über die ganze Welt ausbreiteten.

Als diese mit dem Sieg der vereinigten Anciens Régimes über Napoleon im Jahr 1815 zu Ende gingen, gab es drei bedeutende Änderungen an dem, was einst das Recht der Nationen gewesen war. 1789 kritisierte Bentham die Zweideutigkeit der Formel: War jus gentium nicht eine falsche Bezeichnung für das, was eigentlich ein jus inter gentes war? Er prägte deshalb den Begriff "Völkerrecht", der sich im darauffolgenden Jahrhundert durchsetzte. Seither ist die normative Trennlinie zwischen Europa und dem Rest der Welt nicht mehr vor allem die christliche Religion, sondern die "Zivilisation", auch wenn letztere ein wesentliches Attribut der ersteren blieb.

Im zweiten Jahrzehnt des 19.Jahrhunderts schließlich führte der Wiener Kongress dort, wo Vattel in Übereinstimmung mit den diplomatischen Gepflogenheiten der Zeit von der nominalen Gleichheit souveräner Staaten ausgegangen war, erstmals eine formale Hierarchie der europäischen Staaten ein, einen Rangunterschied zu den fünf "Großmächten" – der so genannten Pentarchie aus England, Russland, Österreich, Preußen und Frankreich –, denen besondere Privilegien eingeräumt wurden und die die Landkarte des Kontinents und aller anderen Staaten bestimmten. Diese Neuerung sollte die Einheit der konterrevolutionären Koalition besiegeln, die Napoleon besiegt und die Monarchien in ganz Europa wiederhergestellt hatte. Doch es war eine Neuerung, die die Zeit der Restauration überdauerte. In den 1880er Jahren konnte der führende schottische Rechtsgelehrte James Lorimer feststellen, dass die Gleichheit der Staaten "nun, so glaube ich, mit Sicherheit von der Geschichte verworfen worden ist", um nicht zu sagen von der Vernunft, eine "durchsichtigere Fiktion als die Gleichheit aller Individuen".

Zusammen mit diesen Änderungen entstand neben der klassischen Diplomatie auch das Völkerrecht als Beruf. Die erste wichtige Erklärung stammt von Henry Wheaton, einem ehemaligen amerikanischen Botschafter in Preußen, dessen 1836 veröffentlichte Elements of International Law vielfach im Ausland übersetzt wurden – ins Französische, Deutsche, Italienische, Spanische, in den 1860er Jahren sogar ins Chinesische – und den Maßstab für die Definition der Disziplin setzte. Unter Berufung auf Grotius, Leibniz, Montesquieu und andere erklärte Wheaton, dass mit wenigen Ausnahmen "das öffentliche Recht der Nationen immer auf die zivilisierten und christlichen Völker Europas oder solche europäischer Herkunft beschränkt war und ist", da es "durch den Fortschritt der auf dem Christentum beruhenden Zivilisation" geschaffen wurde. Als 1873 in Brüssel das erste Institut de Droit International gegründet wurde, war eine Verbindung zur Religion nicht mehr erforderlich, Zivilisation genügte.

Klassifizierungen
Das war der Standard, der die Welt zerteilte in einer Zeit, in der der europäische Imperialismus nicht länger nur in Länder mit schwachen Gegnern eindrang – Jäger- und Sammlergesellschaften oder Staaten ohne Feuerwaffen wie in den Amerikas, die Anlass zu den Schriften von Vitoria und Grotius, Locke und Vattel gegeben hatten –, sondern auch in die großen Reiche Asiens und andere entwickelte Staaten, die sich besser verteidigen konnten. Dieser Expansionsschub hatte bereits während der Napoleonischen Kriege begonnen, als die Briten große Teile Indiens unter der Herrschaft der Moguln und der Marathen eroberten und die Franzosen das osmanische Ägypten besetzten. Doch nach 1815 eskalierte der Schub zusehends, brachte die Opiumkriege nach China, Seestreitkräfte nach Japan, die Eroberung Burmas, Indochinas und des größten Teils des heutigen Indonesiens, ganz zu schweigen von der gesamten nordafrikanischen Küste, wiederholten Invasionen in Afghanistan und vieles mehr.

Wie sollten diese Staaten eingestuft und behandelt werden? Hatten sie die gleichen Rechte wie die europäischen Mächte? Der Wiener Kongress hatte stillschweigend seine Antwort gegeben: Das Osmanische Reich war vom Konzert der Mächte, das er ins Leben gerufen hatte, ausgeschlossen, woran das Konzert schließlich scheiterte. Dieser Ausschluss konnte noch mit Glaubensfragen gerechtfertigt werden. Doch in den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich die Doktrin des "Zivilisationsstandards". Nur Staaten, die in den Augen der Europäer als zivilisiert galten, hatten das Recht, mit den europäischen Mächten gleichgestellt zu werden.

So wie es nun eine anerkannte Hierarchie innerhalb der Gemeinschaft der europäischen Nationen gab, so wurde auch die unzivilisierte Welt in verschiedene Kategorien eingeteilt. Lorimer verfasste die systematischste Theorie dieser neuen Doktrin, die in der damaligen Völkerrechtsliteratur zu einer anerkannten Referenz wurde. Drei Arten von Staaten entsprachen nicht dem Standard der Zivilisation. Es gab kriminelle Staaten, die man heute als geächtete oder Schurkenstaaten bezeichnen würde, wie die Pariser Kommune oder fanatische muslimische Gesellschaften – wenn Russland dem Nihilismus zum Opfer fallen würde, würde es sich dort einreihen. Es gab Staaten, die nicht in der gleichen Weise die zivilisierten europäischen Normen herausforderten, aber – "halbbarbarisch" – diese auch nicht verkörperten, wie China oder Japan. Es gab auch Staaten, die entweder senil oder schwachsinnig waren und gar nicht als verantwortliche Akteure behandelt werden konnten – die man heute als "gescheiterte Staaten" bezeichnen würde. Keine dieser Kategorien konnte zur internationalen Gemeinschaft gehören, die erste und die dritte Kategorie erforderte sogar deren bewaffnete Unterdrückung – "Kommunismus und Nihilismus sind nach dem Völkerrecht verboten", erklärte Lorimer. Mit der zweiten Gruppe, den Halbbarbaren, konnten jedoch diplomatische Beziehungen aufrechterhalten werden, sofern die europäischen Mächte in diesen Ländern extraterritoriale Rechte erwarben.

Lorimer schrieb am Vorabend der Berliner Konferenz von 1884, die das Schicksal Afrikas besiegelte so wie der Wiener Kongress einst das Schicksal Europas besiegelt hatte, und die eine gewaltigen Aufteilung der kolonialen Beute unter den versammelten europäischen Staaten vornahm. Den größten Teil dieser Beute erwarb jenes Land, in dem die aufkommende Disziplin des Völkerrechts ihren Sitz hatte, und zwar in Form einer privaten Gesellschaft, die vom belgischen König kontrolliert wurde. In Brüssel feierte das Institut de Droit International den Erwerb und seine Zeitschrift erklärte 1895, dass es unter Leopolds Herrschaft "ein ganzes Gesetzeswerk [gab], dessen Anwendung die einheimische Bevölkerung vor allen Formen der Unterdrückung und Ausbeutung schützt". Die geschätzte Zahl der Todesopfer, für die seine Herrschaft im Kongo verantwortlich war, variiert, einige gehen von 8 bis 10 Millionen getöteten Einwohnern aus.

Um die Jahrhundertwende hatten fünf asiatische Staaten – China, Japan, Persien, Siam und die Türkei – ihren halbbarbarischen Status hinter sich gelassen und waren zusammen mit neunzehn europäischen Ländern, den Vereinigten Staaten und Mexiko zur ersten Haager Friedenskonferenz zugelassen worden, die 1899 vom russischen Zaren einberufen wurde. Bedeutete das eine neue Gleichberechtigung?

Zur zweiten Haager Konferenz von 1907, die diesmal von Theodore Roosevelt einberufen wurde, wurde die Teilnehmerschar erweitert um die Republiken Süd- und Mittelamerikas sowie die Monarchien Äthiopiens und Afghanistans. Der wichtigste Vorschlag, der der Konferenz vorgelegt wurde, war die Einrichtung eines Internationalen Schiedsgerichtshofs. Wer sollte dieses Gericht bilden? Die Vereinigten Staaten und die europäischen Großmächte sahen es als selbstverständlich an, dass sie ständige Mitglieder benennen würden, während die anderen Staaten nur zeitweilig um sie herum rotieren würden. Zu ihrem Erstaunen und ihrer Empörung griff Brasilien in Person des bedeutenden Anti-Sklaverei-Vertreters, Denkers und Staatsmannes Rui Barbosa das anglo-deutsch-amerikanische Modell an und erklärte, es beinhalte "eine Gerechtigkeit, die dem Wesen nach eine juristische Unterscheidung der Staaten nach ihrem Wert treffe", wodurch sichergestellt würde, dass "die Großmächte sich nicht länger nur durch das Gewicht ihrer Armeen und ihrer Flotten auszeichneten. Sie würden auch auf dem Gebiet des Rechts in der internationalen Gerichtsbarkeit überlegen sein, da sie sich eine privilegierte Stellung in den Institutionen anmaßen, denen wir anvertrauen, dass sie den Nationen Gerechtigkeit widerfahren lassen". (2)


Barbosa, der den Grundsatz der rechtlichen Gleichheit aller souveränen Staaten vehement vertrat, sammelte die Unterstützung derer, die ein europäischer Beobachter als "Ochlokratie der kleineren Staaten" bezeichnete – der klassische griechische Begriff für die Regierung durch den Pöbel – und bestand darauf, dass der künftige Internationale Gerichtshof die ihn bestellenden Staaten gleichberechtigt und nicht hierarchisch vertreten müsse. Natürlich weigerten sich die Großmächte, dies zuzulassen und die Konferenz ging ohne Ergebnis zu Ende. Die Vergeblichkeit ihres nominellen Ziels, zur Sicherung des internationalen Friedens beizutragen, offenbarte sich sieben Jahre später mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs.

Das Prinzip der Hierarchie
Am Ende des Krieges beriefen die Siegermächte England, Frankreich, Italien und die Vereinigten Staaten die Konferenz von Versailles ein, um Deutschland die Friedensbedingungen zu diktieren, die Landkarte Osteuropas neu zu zeichnen, das Osmanische Reich aufzuteilen und – nicht zuletzt – mit dem Völkerbund eine neue internationale Einrichtung zu schaffen, die sich der "kollektiven Sicherheit" widmen und für dauerhaften Frieden und Gerechtigkeit zwischen den Staaten sorgen sollte. In Versailles sorgten die Vereinigten Staaten nicht nur dafür, dass Rui Barbosa aus der brasilianischen Delegation ausgeschlossen wurde, sondern auch dafür, dass die Monroe-Doktrin – Washingtons offene Anmaßung der Herrschaft über Lateinamerika – als Friedensinstrument in den Vertrag des Völkerbundes aufgenommen wurde. In Den Haag wurde ein Ständiger Internationaler Gerichtshof eingerichtet, dessen Artikel 38 sich weiterhin auf "die von den zivilisierten Nationen anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze" berief. Zu den Verfassern der Statuten gehörte auch der Autor einer 600seitigen Verteidigung der bewundernswerten Bilanz der belgischen Verwaltung des Kongo.

Der US-amerikanische Senat lehnte schließlich den Beitritt der USA zum Völkerbund ab, aber die Gestalt der neuen Organisation entsprach genau den Anforderungen der Siegermächte, da der Völkerbundsrat – der Vorläufer des heutigen UN-Sicherheitsrats – von den anderen vier Großmächten auf der Siegerseite des Krieges, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan kontrolliert wurde; sie erhielten nach dem Vorbild des amerikanischen Modells auf der Haager Konferenz von 1907 eine exklusive ständige Mitgliedschaft. Angesichts dieser unverhohlenen Durchsetzung einer hierarchischen Ordnung des Völkerbunds weigerte sich Argentinien von Anfang an daran teilzunehmen; einige Jahre später zog sich auch Brasilien zurück, als seine Forderung, einem lateinamerikanischen Land einen ständigen Sitz im Rat zu geben, abgelehnt wurde. Bis Ende der dreißiger Jahre zogen sich nicht weniger als acht weitere große und kleine lateinamerikanische Länder zurück. Unbeeindruckt davon stellte das damals führende, bis heute weit verbreitete Lehrbuch über das Völkerrecht jener Zeit, das Lassa Oppenheim und Hersch Lauterpacht zugeschrieben wird, mit Genugtuung fest, dass "die Großmächte die Führer der Völkerfamilie sind und jeder Fortschritt im Recht der Nationen in der Vergangenheit das Ergebnis ihrer politischen Hegemonie war", die nun endlich im Völkerbundsrat zum ersten Mal eine formale "Rechtsgrundlage und einen Ausdruck" erhalten hatte. (3)

Lauterpacht, dessen Leistungen weithin als von keinem Völkerrechtler des letzten Jahrhunderts übertroffen gelten, bleibt bis heute ein Prüfstein liberaler Rechtsprechung. Er hatte keine Zeit darüber zu klagen, dass Mächte wie die USA oder Großbritannien sich falsch verhielten, wenn es ihnen passte. "Sind wir tatsächlich", so fragte er mit Blick auf die amerikanische Außenpolitik, "mit Beispielen für eindeutig unmoralisches Verhalten konfrontiert, die den normalen Bürger erröten lassen"? Die Abtrennung Panamas von Kolumbien mag illegal gewesen sein, aber konnte man sie als unmoralisch bezeichnen? Oder handelte es sich nicht vielmehr "um einen Fall, in dem ein Staat in Ermangelung eines internationalen Gesetzgebers dazu aufgerufen war, als Gesetzgeber für das allgemeine Wohl der internationalen Gemeinschaft zu handeln? Die Frage war, ob ein segensreiches und zivilisatorisches Unternehmen durch einen Staat, der zufällig im Besitz des fraglichen Gebietes war, verzögert oder behindert werden sollte".

Großbritanniens Bombardierung Kopenhagens, der Hauptstadt des friedlichen neutralen Dänemarks, im Jahr 1807 und die Zerstörung seiner Flotte? Wenn "die Existenz Großbritanniens auf dem Spiel stand", war ein solcher plötzlicher Angriff "weder mit dem Völkerrecht noch mit der internationalen Moral unvereinbar", denn "Recht und Moral können legitimerweise dem Wohl der internationalen Gemeinschaft untergeordnet werden" (gleichbedeutend mit der Niederlage Frankreichs).

Lauterpacht überließ es anderen, "die Vernünftigkeit und Gradlinigkeit" im Umgang seines Landes mit der gesamten Menschheit aufzuzeigen, ein Land, das sich an Prinzipien hält, ohne die es "aufhören würde, Teil der zivilisierten Welt zu sein". Aber er konnte "getrost behaupten, dass ein Überblick über die Außenpolitik der modernen Staaten zeigen wird, dass Unmoral im internationalen Verhalten so etwas wie ein Mythos ist" – eine "Fiktion".

Ein solches Urteil war nicht panglossisch [es behauptete nicht, dass die Welt sich deterministisch zum bestmöglichen Zustand entwickele]. Das notwendige Rechtsgebäude hatte einige Lücken, die es zu schließen galt. Aber das war kein Grund für Pessimismus: "Das Völkerrecht sollte als unvollständig und in einem Zustand des Übergangs zu dem endgültigen und erreichbaren Ideal einer Gesellschaft von Staaten unter der verbindlichen Herrschaft des Rechts betrachtet werden, wie es von zivilisierten Gemeinschaften innerhalb ihrer Grenzen anerkannt und praktiziert wird." (4) Das letzte, durchaus erreichbare Ziel des Völkerrechts war die Entstehung einer supranationalen, dem Frieden gewidmeten Weltföderation.

Lauterpachts ebenso hochgesinnter Kollege Alfred Zimmern, eine weitere intellektuelle Säule des Völkerbundes, war realistischer und gestand in einem unbedachten Moment, dass das Völkerrecht wenig mehr sei als "ein schicklicher Name für die Bequemlichkeit der Kanzleien", der am nützlichsten sei, wenn er "eine harmonische Verbindung zwischen Recht und Gewalt" verkörpere.

Worte und Schwerter
So war die Lage in der Zwischenkriegszeit. Der Zweite Weltkrieg brachte eine neue Situation. Da ein großer Teil des Kontinents in Trümmern lag oder verschuldet war, war die Vorrangstellung Europas dahin. Bei der Gründung der Vereinten Nationen 1945 in San Francisco wurde das Prinzip der Hierarchie vom Völkerbund übernommen und im neuen Sicherheitsrat beibehalten, dessen ständige Mitglieder mit noch größeren Befugnissen ausgestattet wurden als ihre Vorgänger im alten Völkerbundsrat, da sie nun Vetorecht besaßen. Doch das Monopol des Westens auf dieses Privileg wurde gebrochen: Die UdSSR und China waren nun neben den Vereinigten Staaten und einem geschrumpften Großbritannien und Frankreich ständige Mitglieder, und als die Entkolonialisierung in den darauffolgenden zwei Jahrzehnten Fahrt aufnahm, wurde die Generalversammlung zu einem Forum für Resolutionen und Forderungen, die dem Hegemon und seinen Verbündeten zunehmend unangenehm waren.

Carl Schmitt stellte 1950 in seinem beeindruckenden Rückblick Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum fest, dass im 19. Jahrhundert "das Konzept des Völkerrechts ein spezifisch europäisches Völkerrecht war. Dies war auf dem europäischen Kontinent, insbesondere in Deutschland, selbstverständlich. Dies galt auch für so weltweite, universelle Begriffe wie Humanität, Zivilisation und Fortschritt, sie prägten die allgemeinen Vorstellungen und Theorien sowie das Vokabular der Diplomaten. Das ganze Bild blieb durch und durch eurozentrisch, denn unter 'Menschheit' verstand man vor allem die europäische Menschheit, unter Zivilisation selbstverständlich nur die europäische Zivilisation und unter Fortschritt die lineare Entwicklung dieser Zivilisation". Aber, so Schmitt weiter, nach 1945 sei "Europa nicht mehr der heilige Mittelpunkt der Erde" und der Glaube an "Zivilisation und Fortschritt sei zu einer rein ideologischen Fassade gesunken". „Heute", verkündete er, "geht die frühere eurozentrische Ordnung des Völkerrechts unter. Mit ihr verschwindet der alte Nomos der Erde, der aus der märchenhaften, unerwarteten Entdeckung einer neuen Welt, einem unwiederholbaren historischen Ereignis, hervorgegangen ist.“ Das Völkerrecht war nie wirklich international gewesen. Was den Anspruch erhob, universell zu sein, war lediglich partikular. Was im Namen der Menschheit sprach, war ein Imperium.

Wie Schmitt gesehen hatte, hörte das Völkerrecht nach 1945 auf, ein Geschöpf Europas zu sein. Aber Europa verschwand natürlich nicht. Es wurde einfach unter eine seiner überseeischen Ausdehnungen, die Vereinigten Staaten, subsumiert, was die Frage offen lässt: Inwieweit ist das Völkerrecht seit 1945 ein Geschöpf nicht mehr Europas, sondern des Westens geblieben, mit der amerikanischen Supermacht an der Spitze? Jede Antwort auf diese Frage verweist auf eine andere. Was ist die juristische Natur des Völkerrechts als solchem, abgesehen von seinen historischen Ursprüngen? Für seine ersten Theoretiker im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts war die Antwort klar: Das Recht der Nationen beruhte auf dem Naturrecht, d.h. auf einer Reihe von Dekreten, die gottgegeben waren und von keinem Sterblichen in Frage gestellt werden durften. Mit anderen Worten: Die christliche Gottheit war der Garant für die Objektivität ihrer Rechtssätze.

Im 19.Jahrhundert untergrub die zunehmende Säkularisierung der europäischen Kultur allmählich die Glaubwürdigkeit dieser religiösen Grundlegung des Völkerrechts. An ihre Stelle trat die Behauptung, das Naturrecht sei nach wie vor gültig, aber nicht mehr als göttliches Gebot, sondern als Ausdruck einer universellen menschlichen Natur, die alle vernünftigen Menschen anerkennen könnten und sollten. Diese Idee wurde jedoch bald durch die Entwicklung der Disziplinen Anthropologie und vergleichende Soziologie angreifbar gemacht; sie zeigten die enorme Vielfalt menschlicher Sitten und Überzeugungen in der Geschichte und in der Welt auf, was solch einer einfachen Universalität widersprach. Wenn aber weder die Gottheit noch die menschliche Natur eine sichere Grundlage für das Völkerrecht bieten konnten, wie sollte es dann konzipiert sein?

Eine Antwort auf diese Frage konnte nur in einer früheren Frage gesucht werden: Was ist das Wesen des Rechts selbst? Darauf gab Thomas Hobbes, der größte politische Denker des 17. – oder vielleicht jedes – Jahrhunderts eine klare Antwort in der lateinischen Fassung seines 1668 erschienenen Meisterwerks Leviathan: sed auctoritas non veritas facit legem – nicht die Wahrheit, die Autorität macht das Gesetz, oder, wie er es an anderer Stelle ausdrückte: „Pakte ohne das Schwert sind nur Worte." Dies wurde im Laufe der Zeit die "Befehlstheorie des Rechts" genannt. Das war zwei Jahrhunderte später das Werk von John Austin, einem klar denkenden Freund und Anhänger Benthams, der Hobbes mehr als alle anderen Denker bewunderte und mit der Feststellung, dass "jedes Gesetz ein Befehl ist", erkannte, was dies für das internationale Recht bedeutete. Seine Schlussfolgerung lautete: "Das sogenannte Recht der Nationen besteht aus Meinungen oder Gefühlen, die unter den Völkern allgemein verbreitet sind. Es ist daher kein Recht im eigentlichen Sinne … [denn] ein Gesetz, das durch die allgemeine Meinung gesetzt wird, hat folgende Konsequenzen: Die Partei, die es gegen künftige Übertreter durchsetzt, ist niemals bestimmbar und zuzuordnen."

Gravierende Worte: niemals bestimmbar und zuzuordnen. Warum war das so? Austin fuhr fort: "Daraus folgt, dass das zwischen den Nationen geltende Recht kein positives Recht ist; denn jedes positive Recht wird von einem bestimmten Souverän einer oder mehreren Personen auferlegt, die sich in einem Zustand der Unterwerfung unter den Urheber befinden." Da aber in einer Welt souveräner Staaten "keine oberste Regierung sich in einem Zustand der Unterwerfung unter eine andere befindet", folgt daraus, dass das Recht der Nationen "im richtigen Wortsinn dieser Begriffe nicht mit Sanktionen ausgestattet ist und keine Pflicht auferlegt. Denn im richtigen Wortsinn ist eine Sanktion ein Übel, das einem Gebot beigefügt wird." Mit anderen Worten: In Ermangelung einer bestimmbaren Autorität, die in der Lage ist, das Völkerrecht entweder anzuwenden oder durchzusetzen, hört es auf, Recht zu sein, und wird zu einer bloßen Meinung.

Das war und ist eine Schlussfolgerung, die die liberale Einstellung der überwältigenden Mehrheit der heutigen internationalen Juristen und Anwälte zutiefst erschüttert. Es wird oft vergessen, dass der größte liberale Philosoph des 19.Jahrhunderts, John Stuart Mill, selber diese Meinung teilte und Austins Vorlesungen zur Rechtswissenschaft zweimal überprüfte und billigte. Als Antwort auf Angriffe auf die Außenpolitik der kurzlebigen französischen Republik im Jahr 1849, die dem aufständischen Polen Beistand angeboten hatte, schrieb er: "Was ist das Völkerrecht? Etwas das überhaupt als Gesetz zu bezeichnen eine falsche Anwendung des Begriffs wäre. Das Recht der Nationen ist schlicht die Sitte der Nationen." War diese Sitte, so fragte Mill, "die einzige, die in einem Zeitalter des Fortschritts keiner Verbesserung unterworfen werden durfte? Sollte sie allein unverändert bleiben, während alles um sie herum veränderlich war? Im Gegenteil, schloss er mit Nachdruck und in einem Geiste, den Marx gebilligt hätte: "Ein Gesetzgeber kann Gesetze aufheben, aber es gibt keinen Kongress der Nationen, der internationale Sitten aufheben, und keine gemeinsame Kraft, die die Entscheidungen eines solchen Kongresses verbindlich machen kann. Die internationale Moral kann nur durch eine Reihe von Verstößen gegen bestehende Regeln verbessert werden … [Wo] es nur eine Sitte gibt, besteht die einzige Möglichkeit sie zu ändern darin, ihr zuwiderzuhandeln.“

Doppelt unbestimmt
Mill schrieb im Geiste revolutionärer Solidarität zu einer Zeit, als das Völkerrecht kaum mehr als eine fromme Phrase war, auf die sich die Regierungen beriefen, um welche Handlungen auch immer zu rechtfertigen, die ihnen gerade passten – es hatte keine institutionellen Dimensionen und internationale Juristen gab es noch nicht. Anfang der 1880er Jahre konnte Salisbury dem Parlament noch unverblümt sagen: "Ein Völkerrecht in dem Sinne, in dem der Begriff Recht gewöhnlich verstanden wird, gibt es nicht. Es hängt im allgemeinen von den Vorurteilen der Verfasser von Lehrbüchern ab. Es kann von keinem Gericht vollstreckt werden."

Ein Jahrhundert später war die Institutionalisierung jedoch in vollem Gange: Es gab die Charta der Vereinten Nationen, einen Internationalen Gerichtshof, eine Gruppe von Berufsjuristen und eine wachsende akademische Disziplin. Von den 1940er Jahren an versuchte eine umfangreiche Literatur – Hans Kelsen und Herbert Hart sind die bekanntesten Namen –, Austin zu widerlegen, indem sie all jene Dimensionen des Rechts aufzeigte, ob kommunales oder internationales, die nicht als Befehle bezeichnet werden können. Vergeblich, denn kein Autor war in der Lage zu zeigen, dass bei solchen Bestimmungen das Recht ohne die souveräne Autorität auskommt, die in der Lage ist, es unter Androhung von Strafe durchzusetzen – eine zwar nicht eine hinreichende, aber doch notwendige Bedingung für seine Existenz als Recht. Alles andere ist, wie Austin es ausdrückte, bloße Metapher.

In der Zwischenkriegszeit war es wieder einmal Carl Schmitt, das Gegenteil eines liberalen Denkers, der auf die fortdauernde Gültigkeit von Austins Argumenten pochte. In einer Reihe von vernichtenden Kritiken der Ansprüche des Völkerbundes und seines Internationalen Gerichtshofs zeigte Schmitt, dass die unparteiische Herrschaft des Gesetzes, die zu verteidigen sie vorgaben, stets unbestimmt war, genau wie Austin vorhergesagt hatte. Und zwar in doppelter Hinsicht: unbestimmt in Bezug auf ihren Inhalt – wie bei den Deutschland in Versailles auferlegten Reparationen mit völlig offenem Ende, die von den Siegermächten den Besiegten nach Belieben auferlegt werden konnten, was sie in einen wahren Abgrund der Unbestimmtheit stürzte. Unbestimmt, "nicht zuzuordnen", aber auch, wie Austin es ausdrückte, in Bezug auf ihre Ausführung, die einfach von der Entscheidung der Mächte abhing, die den Völkerbund und seinen Gerichtshof leiteten. Die Doktrin der "Nichteinmischung", mit der England und Frankreich den Sieg des Faschismus in Spanien sicherten, war ein weiterer klassischer Fall dieser Unbestimmtheit, die beste Veranschaulichung des berühmten Diktums von Talleyrand, dass "Nichteinmischung ein metaphysischer Begriff ist, der mehr oder weniger das Gleiche bedeutet wie Einmischung".

Das Wesen des nach 1918 entstandenen Völkerrechts, mit dessen entwickelter Form wir heute noch leben, war das, was Schmitt als seinen grundlegend diskriminierenden Charakter bezeichnete. (5) Kriege, geführt von den liberalen Mächten, die das System beherrschten, waren selbstlose Polizeiaktionen zur Wahrung des Völkerrechts. Kriege, die von anderen geführt wurden, waren kriminelle Unternehmen, die das Völkerrecht verletzten. Was sie anderen verboten, behielten sich die liberalen Mächte vor selbst zu tun. Historisch gesehen, so Schmitt, war das langjährige Verhalten der Vereinigten Staaten in der Karibik und in Mittelamerika wegweisend für dieses Muster.

Praxis
Die Welt, in der wir heute leben, hat eine enorme Ausweitung und Vermehrung dessen erlebt, was als Völkerrecht gilt und damit Schmitts Diagnose in zwei Richtungen erweitert. Einerseits hat sich eine Rechtskategorie entwickelt, die Austins Charakterisierung des Rechts der Nationen so perfekt veranschaulicht, wie er es sich selbst kaum hätte träumen lassen: ein Begriff von Recht, das nicht, wie es im Fachjargon heißt, "justiziabel" ist, das also nicht einmal vorgibt, in der realen Welt irgendeine Vollstreckungskraft hinter sich zu haben, sondern lediglich ein nominaler Anspruch bleibt – mit anderen Worten eine simple Meinung, wie Austin sagt, die aber dennoch von Juristen feierlich als Recht bezeichnet wird. Andererseits hat die Zahl der Handlungen, die führende Mächte nach eigenem Gutdünken entweder im Namen des Völkerrechts oder unter Missachtung desselben begehen – grenzenlose Unbestimmtheit – exponentiell zugenommen. Aggression ist kein Monopol des Hegemons. Invasionskriege wurden ohne Absprache, in heimlicher Absprache oder in offener Kollision mit ihm geführt: England und Frankreich gegen Ägypten, China gegen Vietnam, Russland gegen die Ukraine; ganz zu schweigen von kleineren Mächten wie der Türkei gegen Zypern, Irak gegen Iran oder Israel gegen Libanon. Keine dieser Handlungen entzieht sich dem historischen Urteil. Dieses Urteil ist jedoch notwendigerweise ein politisches, kein juristisches. Seit 1945 haben sich Kriege dieser Art, wenn überhaupt, nur selten auf das Völkerrecht berufen (die anglo-französischen Versuche von 1956 fanden in Washington kein Gehör). Das ist das Vorrecht des Hegemons und seiner Helfer bei jeder gemeinsamen Operation.

Einige Beispiele sollen genügen. Schon bei der Gründung der höchsten offiziellen Verkörperung des Völkerrechts, nämlich der Vereinten Nationen, deren Charta die Souveränität und Integrität ihrer Mitglieder festschreibt, waren die Vereinigten Staaten an deren systematischer Verletzung beteiligt. Auf einem Armeestützpunkt in einem alten spanischen Fort, nur wenige Meilen von der Eröffnungskonferenz zur Gründung der Vereinten Nationen in San Francisco 1945 entfernt, fing ein Spezialteam des amerikanischen militärischen Geheimdienstes den gesamten Kabelverkehr der Delegierten mit ihren Heimatländern ab; die entschlüsselten Nachrichten landeten am nächsten Morgen auf dem Frühstückstisch des amerikanischen Außenministers Stettinius. Der Offizier, der für diese Rund-um-die-Uhr-Überwachung zuständig war, berichtete, "man habe in der Abteilung das Gefühl gehabt, der Erfolg der Konferenz sei zu einem großen Teil ihrem Beitrag zu verdanken gewesen". Was hieß hier Erfolg? Der amerikanische Historiker, der diese systematische Spionage beschreibt, freut sich, dass "Stettinius einem Unternehmen vorstand, das seine Nation bereits beherrschte und formte" – denn die UNO war "von Anfang an ein Projekt der Vereinigten Staaten, erdacht vom Außenministerium, fachkundig geleitet von zwei tatkräftigen Präsidenten und angetrieben von der US-Macht … . Für eine Nation, die zu Recht stolz ist auf ihre zahllosen Errungenschaften“ – die jüngste war der Abwurf der Atombomben auf Japan – „sollte diese einzigartige Errungenschaft immer an der Spitze ihrer illustren Liste stehen".

Sechzig Jahre später sieht die Sache nicht anders aus. In der UN-Konvention von 1946 heißt es: "Das Gelände der UN ist unverletzlich. Das Eigentum und die Vermögenswerte der Vereinten Nationen, wo immer sie sich befinden und in wessen Besitz sie sich befinden, sind der Durchsuchung, Beschlagnahme, Einziehung, Enteignung und jeder anderen Form der Einmischung durch die Exekutive, die Verwaltung, die Justiz oder die Legislative entzogen.“ 2010 wurde aufgedeckt, dass Clintons Frau, die damalige Außenministerin, die CIA, das FBI und den Secret Service angewiesen hatte, das Kommunikationssystem des Generalsekretärs der Vereinten Nationen sowie der Botschafter aller vier anderen ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats zu knacken, sich Passwörter und Verschlüsselungscodes anzueignen und die biometrischen Daten, Kreditkartennummern, E-Mail-Adressen und sogar Vielfliegernummern von "wichtigen UN-Beamten, darunter Unterstaatssekretären, Leitern von Sonderbehörden und Chefberatern, hochrangigen Beratern des Generalsekretärs, Leitern von Friedenseinsätzen und politischen Feldmissionen" zu sichern. Natürlich zahlten weder Frau Clinton noch der amerikanische Staat irgendeinen Preis für ihren dreisten Verstoß gegen das Völkerrecht, das angeblich die UNO selbst, den offiziellen Sitz eines solchen Gesetzes, schützt.

Was ist mit der internationalen Gerechtigkeit, die das Völkerrecht zu wahren vorgibt? Das Tokioter Tribunal von 1946-48, das von den Vereinigten Staaten organisiert wurde, um die militärische Führung Japans wegen Kriegsverbrechen anzuklagen, schloss den Showa-Kaiser vom Prozess aus, um die amerikanische Besatzung des Landes zu erleichtern, und behandelte Beweise mit einer derartigen Missachtung eines ordnungsgemäßen Verfahrens, dass der indische Richter des Tribunals in einer 1000seitigen Verurteilung des Tribunals feststellte, die Tokioter Prozesse seien kaum mehr als "eine Gelegenheit für die Sieger, Vergeltung zu üben," und erklärte: "Nur ein verlorener Krieg ist ein Verbrechen." Der niederländische Richter des Tribunals gab offen zu: "Natürlich waren wir uns in Japan der Bombenangriffe und der Brandschatzung von Tokio, Yokohama und anderen Großstädten bewusst. Es war schrecklich, dass wir dorthin reisten, um den Kriegsgesetzen Geltung zu verschaffen, und doch jeden Tag sahen, wie die Alliierten sie auf schreckliche Weise verletzten" – Schmitt's diskriminierende Rechtsauffassung auf den Punkt bringend. Die darauf folgenden amerikanischen Kriege in Ostasien, zunächst in Korea und dann in Vietnam, waren, wie amerikanische Historiker gezeigt haben, mit Gräueltaten aller Art gespickt. Natürlich hat kein Tribunal sie jemals zur Rechenschaft gezogen.

Hat sich seither viel verändert? 1993 richtete der UN-Sicherheitsrat einen Internationalen Strafgerichtshof für Jugoslawien ein, um diejenigen strafrechtlich zu verfolgen, die sich beim Zerfall des Landes der Kriegsverbrechen schuldig gemacht hatten. In enger Zusammenarbeit mit der NATO sorgte die kanadische Chefanklägerin dafür, dass erfolgreich Anklagen wegen ethnischer Säuberungen gegen Serben erhoben wurden, die im feindlichen Visier der USA und der EU standen, nicht aber gegen Kroaten, die von den USA für ihre eigenen ethnischen Säuberungsaktionen bewaffnet und ausgebildet worden waren; und als die NATO 1999 ihren Krieg gegen Serbien begann, schloss sie alle ihre Aktionen – die Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad und den Rest – von Ermittlungen über Kriegsverbrechen aus. Das war völlig logisch, denn wie der amerikanische Pressesprecher der NATO damals erklärte: "Es waren die NATO-Länder, die das Tribunal eingerichtet haben, die es täglich finanzieren und unterstützen." Kurzum, wieder einmal führten die USA und ihre Verbündeten Prozesse, um ihre besiegten Gegner zu kriminalisieren, während ihr eigenes Verhalten einer gerichtlichen Überprüfung entzogen blieb.

In der jüngsten Wiederholung des gleichen Musters wurde der 2002 eingerichtete, nunmehr ständige Internationale Strafgerichtshof auf Betreiben der Vereinigten Staaten ins Leben gerufen, die an seiner Konzeption und Vorbereitung maßgeblich beteiligt waren, dann aber dafür sorgten, dass die USA selbst nicht seiner Gerichtsbarkeit unterworfen würden. Als zum großen Ärger der Clinton-Administration der Entwurf des Statuts dahingehend geändert wurde, dass auch Mitglieder eines Staates, der das Statut nicht unterzeichnet hat, strafrechtlich verfolgt werden können, wodurch amerikanische Soldaten, Piloten, Folterer und andere potenziell unter das Mandat des Gerichtshofs fallen konnten, unterzeichneten die USA umgehend über hundert bilaterale Abkommen mit Ländern, in denen ihr Militär präsent war oder ist, um amerikanisches Personal von jeglichem Risiko auszuschließen. Schließlich wies Clinton in einer typischen Farce an seinem letzten Tag im Weißen Haus den US-Vertreter an, das Statut des künftigen Gerichtshofs zu unterzeichnen, wohl wissend, dass diese Geste keine Chance auf Ratifizierung im Kongress hatte. Natürlich lehnte der IStGH, der mit geschmeidigem Personal besetzt ist, es ab, gegen irgendwelche US-amerikanischen oder europäischen Aktionen im Irak oder in Afghanistan zu ermitteln, und konzentrierte seinen Eifer ganz auf die Länder Afrikas, gemäß der unausgesprochenen Maxime: ein Recht für die Reichen, ein anderes für die Armen.

Diskriminierungen
Was den UN-Sicherheitsrat angeht, den nominellen Hüter des Völkerrechts, so spricht seine Bilanz für sich. Die irakische Besetzung Kuwaits im Jahr 1990 führte zu sofortigen Sanktionen und einer millionenschweren Gegeninvasion in den Irak. Die israelische Besatzung des Westjordanlandes dauert bereits ein halbes Jahrhundert, ohne dass der Sicherheitsrat einen Finger gerührt hätte. Als die USA und ihre Verbündeten 1998/99 keine Resolution durchsetzen konnten, die sie zum Angriff auf Jugoslawien ermächtigt hätte, setzten sie stattdessen die NATO ein – ein klarer Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen, die Angriffskriege verbietet –, woraufhin der von Washington ernannte Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, der Welt seelenruhig mitteilte, das Vorgehen der NATO sei zwar nicht legal, aber legitim – als hätte Schmitt ihm die Worte diktiert, um zu veranschaulichen, was er mit der konstitutiven Unbestimmtheit des Völkerrechts meinte. Als vier Jahre später die Vereinigten Staaten und Großbritannien ihren Angriff auf den Irak starteten und dabei den UN-Sicherheitsrat umgehen mussten, weil Frankreich mit einem Veto gedroht hatte, segnete derselbe Generalsekretär die Operation erneut ex post facto ab und sorgte dafür, dass der Sicherheitsrat Bush und Blair einstimmig rückwirkend Rückendeckung gab, indem er mit der Resolution 1483 die UN-Unterstützung der Besatzung des Irak billigte. Das Völkerrecht mag bei der Entfesselung eines Krieges außer Kraft gesetzt werden, aber es taugt immer dazu, einen solchen Krieg im nachhinein zu ratifizieren.

Massenvernichtungswaffen? Der Atomwaffensperrvertrag veranschaulicht am deutlichsten den diskriminierenden Charakter der Weltordnung, die sich seit dem Kalten Krieg herausgebildet hat, indem er nur fünf Mächten das Recht vorbehält, Wasserstoffbomben zu besitzen und einzusetzen, und allen anderen Mächten, die sie eher für ihre Verteidigung benötigen könnten, ihren Besitz verbietet. Formal ist der Vertrag keine verbindliche Regel des Völkerrechts, sondern eine freiwillige Vereinbarung, von der jeder Unterzeichner zurücktreten kann. Faktisch wird nicht nur ein völlig legaler Rücktritt vom Vertrag als Bruch des Völkerrechts behandelt, der mit äußerster Härte zu bestrafen ist, wie im Fall von Nordkorea. Auch die Einhaltung des Vertrags kann restriktiv ausgelegt werden und bei unzureichender Überwachung zu Vergeltungsmaßnahmen führen, wie im Fall der drakonischen Sanktionen gegen den Iran – womit Unbestimmtheit und Diskriminierung auf elegante Weise kombiniert werden. Dass Israel den Vertrag ignoriert hat und seit langem über eine Vielzahl von Atomwaffen verfügt, darf nicht einmal erwähnt werden. Die Mächte, die Nordkorea und den Iran bestrafen, tun so, als gäbe es das massive israelische Atomwaffenarsenal nicht – und das ist vielleicht der beste Kommentar zur Alchemie des Völkerrechts.

Triumph des Singulars
Pjöngjang und Teheran werden im zeitgenössischen juristischen Diskriminierungsdiskurs gerne als "Schurkenstaaten" oder "Pariastaaten" eingestuft, was an die "gesetzlosen Regime" im 19.Jahrhundert erinnert. Sollen wir das als eine Verirrung, einen unfreiwilligen Anachronismus betrachten, ähnlich wie Artikel 38 I (c), der immer noch in dem von den Vereinten Nationen neu gefassten Statut des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag steht und der im Schatten einer Büste von Grotius verkündet, er halte an den Rechtsgrundsätzen fest, die zivilisierte Nationen definieren? Das wäre ein Irrtum. Der "Standard der Zivilisation", der – passend genug – gestern in Brüssel verkündet wurde, erfährt heute im Gegenteil neues Leben. Die erste moderne Studie über seine Vergangenheit, The Standard of 'Civilization' in International Society, verdanken wir einem amerikanischen Gelehrten, Beamter des Außenministeriums und Führer der Mormonenkirche, der zwar dessen Verwendung zur Rechtfertigung kolonialer Exzesse in vergangenen Zeiten kritisierte, aber dennoch bemerkte, er könne bei der Erziehung von Nichteuropäern zu höheren moralischen Verhaltensregeln eine erhebende Rolle spielen, und zwei mögliche Nachfolger empfahl: einen neuen "Standard der Menschenrechte", der von den Europäern eingeführt wird, oder alternativ dazu einen "Standard der Modernität", der allen die Segnungen der Zivilisation in Form einer kosmopolitischen Kultur bringt.

Das war im Jahr 1984. Es war vorausschauend. Im neuen Jahrhundert erklärte der Inhaber eines Lehramts an einer Schule, die nach dem Mentor der ehemaligen Außenministerin Condoleezza Rice benannt ist, es sei "so etwas wie ein neuer zivilisatorischer Standard erforderlich, um uns vor der Barbarei einer unbefleckten Souveränität zu bewahren", und verkündete die Menschenrechte als diesen Standard – vor allem in der Form, wie sie von der Europäischen Union praktiziert werden. Die Palästinensische Autonomiebehörde zählte er zu denen, die hauptsächlich gegen diesen Standard verstoßen. Alternativ dazu bot ein führender amerikanischer Spezialist für Terrorismus und Cybersicherheit eine greifbarere Aktualisierung des Begriffs an. Strukturanpassungspläne, die unterentwickelten Ländern vom IWF auferlegt werden, seien das zeitgenössische Äquivalent zu den aufgeklärten Kapitulationen von einst, die halfen, die Osmanen und andere in die Gemeinschaft akzeptabler Staaten zu bringen; sie setzten deren "zivilisatorische Harmonisierungsarbeit" fort, die für eine internationale Gesellschaft unerlässlich sei.

Noch ehrgeiziger war ein iranischer Gelehrter aus Dänemark, der den Islam als orientalischen Totalitarismus anprangerte und die Ankunft eines globalen Zivilisationsstandards (Global Standard of Civilization – GSC) ankündigte – ein Stützpfeiler des Fortschritts der Menschheit auf dem Weg zu einer besseren Welt, der jeden Tag an Dynamik gewinnt. Wir leben, so rief er, in einem neuen "Grot'schen Moment", in dem die beiden Säulen der globalen Zivilisation "Kapitalismus und Liberalismus" sind.

Auch die Historiker sind nicht untätig geblieben. Der prominenteste und produktivste zeitgenössische Historiker in Harvard, Niall Ferguson, Autor von Werken über die Rothschild- und Warburg-Banken, den Ersten und den Zweiten Weltkrieg und die Geschichte des Geldes, stellt in Civilization: The West and the Rest (2011) den Singular mit souveräner Gelassenheit wieder her, indem er alle Gründe erläutert, warum der erstere über den letzteren triumphiert hat.

Zu Beginn der sechziger Jahre wiederholte Braudel Febvres Überzeugung, dass Valéry falsch lag: "Zivilisationen sind eine Realität von sehr langer Dauer. Sie sind nicht 'sterblich', vor allem nicht – trotz Valérys allzu berühmter Formulierung – gemessen an unserem individuellen Leben. Tödliche Unfälle … erleben sie viel seltener, als wir denken. In vielen Fällen werden sie lediglich in den Schlaf geschickt." Gewöhnlich gehen nur "ihre schönsten Blumen, ihre seltensten Errungenschaften zugrunde, aber ihre tiefen Wurzeln überleben so manchen Bruch, so manchen Winter". Es mag "eine Inflation an Zivilisation im Singular" geben, aber "es wäre kindisch sich vorzustellen, dass diese, abgesehen von ihrem Triumph, die verschiedenen Zivilisationen abschafft, also die wirklichen Protagonisten, die uns immer noch begegnen." Bezeichnenderweise schwankt Braudel jedoch in seinen Schlussfolgerungen. Auf der einen Seite arbeiten Singular und Plural fruchtbar zusammen: "Plural und Singular stehen in einem Dialog, ergänzen sich und grenzen sich voneinander ab, manchmal für das bloße Auge, fast ohne Anstrengung, sichtbar. Auf der nächsten Seite wird ein ganz anderer Ton angeschlagen: "Ein blinder, wilder Kampf ist unter verschiedenen Namen und an verschiedenen Fronten zwischen Zivilisationen und Zivilisation im Gange. Die Aufgabe besteht darin, ihn zu zähmen, zu kanalisieren, ihm einen neuen Humanismus aufzuzwingen", und: "in diesem beispiellosen Kampf können viele kulturelle Strukturen zerbrechen, und zwar alle auf einmal." Ein halbes Jahrhundert später können wir uns fragen, ob die Zivilisationen im Plural die Oberhand über die Zivilisation im Singular die Oberhand gewonnen hat, wie er hoffte.

Der Blick auf das Völkerrecht legt etwas anderes nahe. Braudel verfügte über ein umfassendes und tiefes vergleichendes Verständnis der materiellen und kulturellen Dynamik der menschlichen Geschichte, was ihm ein unübertroffenes Gespür für die Unterschiede zwischen den Zivilisationen verlieh. Er interessierte sich viel weniger für ihre politischen und ideologischen Dimensionen und setzte die Zivilisation im Singular – und zwar die westliche Zivilisation – zu einfach mit „der Maschine" gleich, im wesentlichen mit der Technologie, von der er zu Recht annahm, dass sie an jede Zivilisationen der Welt, die bis heute überlebt hat, angepasst werden könnte. Der Macht der intellektuellen und institutionellen Ordnung des Westens, ganz zu schweigen von ihrer militärischen Vorherrschaft, schenkte er weniger Beachtung.

Die Kraft der Meinung
All dies bedeutet natürlich nicht, dass das Völkerrecht keine Substanz hätte, die in der Praxis als universell gelten könnte. Es sei nur darauf verwiesen, dass kein Staat der Welt darauf verzichtet, sich darauf zu berufen, und sei es nur, weil alle von mindestens einer damit verbundenen Konvention profitieren: der diplomatischen Immunität ihrer Botschaften im Ausland, die auch dann noch gewahrt wird, wenn das Gastland dem Staat, den sie vertreten, den Krieg erklärt hat. Das könnte man als Mindestinhalt des Völkerrechts bezeichnen, in Analogie zu Harts Reduktion des Naturrechts auf einen solchen. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass jede Botschaft eines großen Staates und die meisten der kleineren Staaten mit Personal vollgestopft sind, das sich hauptberuflich mit Spionage beschäftigt, ohne dass das Völkerrecht dies rechtfertigen würde. Solche Ungereimtheiten sind ein schwacher Trost für ihre Theoretiker.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Völkerrecht bei realistischer Betrachtung weder wirklich international noch wirklich Recht ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass es nicht eine Kraft ist, mit der man rechnen muss. Es ist eine wichtige Kraft. Aber seine Realität ist die, die Austin beschrieben hat: In den Worten von Hobbes ist es Meinung, wir würden es heute Ideologie nennen. Als ideologische Kraft in der Welt im Dienste des Hegemons und seiner Verbündeten ist es ein gewaltiges Machtinstrument. Für Hobbes war die Meinung der Schlüssel zur politischen Stabilität oder Instabilität eines Reiches. Er schrieb: "Die Handlungen der Menschen gehen von ihren Meinungen aus, und in der guten Führung der Meinungen besteht die gute Führung der Handlungen der Menschen" – daher "hat die Macht der Mächtigen keine andere Grundlage als die Meinung und den Glauben des Volkes". Seiner Meinung nach waren es aufrührerische Meinungen, die den Bürgerkrieg in England ausgelöst hatten, und um korrekte Meinungen zu verbreiten, schrieb er den Leviathan, von dem er hoffte, dass er an den Universitäten, den "Quellen der bürgerlichen und moralischen Lehre", gelehrt werden würde, um die "öffentliche Ruhe" im Land wiederherzustellen. Wir müssen nicht das Ausmaß von Hobbes' Respekt vor der Meinungsmacht oder gar seine Vorlieben unter den Meinungen seiner Zeit teilen, um die Gültigkeit der Bedeutung anzuerkennen, die er ihnen beimaß. Das Völkerrecht mag eine Mystifikation sein, es ist keine Lap- palie.

Wie sollte es also konzipiert werden? Für den bedeutendsten Völkerrechtler der Gegenwart, den finnischen Wissenschaftler Martti Koskenniemi, ist das Völkerrecht am besten als eine hegemoniale Technik im Sinne Gramscis zu umschreiben. Für Gramsci, so stellt er fest, ging es bei der Ausübung von Hegemonie immer um die erfolgreiche Vertretung eines partikularen Interesses als universellen Wert. Das hat der Standard der Zivilisation sicherlich versucht und in seiner Blütezeit auch erreicht, wie der Sprachgebrauch von der "internationalen Gemeinschaft" seither typischerweise belegt. Das Völkerrecht hat in diesem Sinne nie aufgehört, ein Instrument der euro-amerikanischen Macht zu sein. Aber gerade weil es einen scheinbar universellen Diskurs anbot, war es offen für Aneignung und Umkehrung, indem es für andere, umfassendere und humanere Interessen beansprucht wurde. Selbst auf dem Höhepunkt imperialer Hybris im 19.Jahrhundert hatten sich schließlich beredte Stimmen gegen den Zivilisationsstandard gewehrt: "Das in unserer Zeit verwendete Argument, um die Ausplünderung der schwächeren Rassen zu rechtfertigen und zu verschleiern, ist nicht mehr die Berufung auf die Religion, sondern auf die Zivilisation: Die modernen Völker haben eine zivilisatorische Mission zu erfüllen, der sie sich nicht entziehen können", schrieb ein bescheidener Anwalt aus Bordeaux, Charles Salomon, 1889. Radikaler noch als Braudel, fuhr er fort: "Man spricht von der Zivilisation, als gäbe es nur eine absolute. Diejenigen, die das tun, glauben alle, dass sie Anspruch auf den ersten Rang haben. In leichter Abwandlung des bekannten Diktums von Joseph de Maistre könnte man sagen: 'Ich weiß von Zivilisationen, ich weiß nichts von Zivilisation.'“

Das moderne Völkerrecht ist also, wie Koskenniemi feststellt, von Natur aus mit Anfechtungen behaftet, und da seine zeitgenössische Instrumentalisierung für den Willen des heutigen Hegemons und seiner Satelliten immer dreister geworden ist, hat auch die Zahl der kritischen Juristen zugenommen, die seine imperiale Anwendung nicht nur in Frage stellen, sondern rückgängig machen wollen. Die Klarsichtigsten tun dies, ohne seinen Ansprüchen mehr Kraft beizumessen, als sie ertragen können. In den Worten eines bedeutenden französischen Juristen ist das Völkerrecht "performativ". Das heißt, Verkündungen in seinem Namen versuchen das, was sie aufrufen, Realität werden zu lassen, statt sich auf eine existierende Realität zu beziehen, wie löblich diese auch sein mag.

Die gleiche Dialektik gilt natürlich auch für das Stadtrecht, das in Europa mindestens seit dem 17. Jahrhundert zur Verteidigung der Schwachen gegen die Starken herangezogen wird, die es geschaffen haben. Aber hier macht Austins Axiom den Unterschied. Innerhalb der europäischen Nationalstaaten gab es immer einen bestimmbaren Souverän, der befugt war, Recht durchzusetzen, und als diese Autorität von der Krone auf die Völker überging, ging nicht zufällig auch die legitime Befugnis zur Änderung des Rechts auf diese über. In den Beziehungen zwischen den Staaten, anderes als in den Beziehungen zwischen Bürgern, gilt keine der beiden Bedingungen. Während Hegemonie also sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene funktioniert und per definitionem immer Zwang und Zustimmung kombiniert, ist der Zwang auf internationaler Ebene größtenteils legibus solutus [nicht an Gesetze gebunden] und die gesicherte Zustimmung zwangsläufig schwächer und prekärer.

Das Völkerrecht kaschiert diese Kluft. Koskenniemi begann seine Karriere mit einer brillanten Demonstration der beiden Pole, zwischen denen sich die Struktur der völkerrechtlichen Argumentation im Laufe der Geschichte bewegte, sie trägt den Titel "Von der Apologie zur Utopie". Entweder lieferte das Völkerrecht unterwürfige Vorwände für die von den Staaten gewünschten Handlungen, oder es vertrat eine erhabene moralische Vision von sich selbst als, in Hookers Worten, "die Stimme die Harmonie der Welt", ohne Bezug zu irgendeiner empirischen Realität. Was Koskenniemi nicht sah, war die Verflechtung von beidem: nicht Utopie oder Apologie, sondern Utopie als Apologie – Schutzverantwortung als Charta für die Zerstörung Libyens, Erhaltung des Friedens als Schild für die Strangulierung von Iran und dem Rest.

Dennoch können die Befürworter des Völkerrechts argumentieren, dass sein Vorhandensein, wie oft es auch von den Staaten in der Praxis missbraucht wird, zumindest besser ist als sein Fehlen, wobei sie sich auf La Rochefoucaulds bekannte Maxime berufen können: L'hypocrisie est un hommage que le vice rend à la vertu. [Die Heuchelei ist eine Ehre, die das Laster der Tugend erweist]. Die Kritiker wiederum können ebenso gut erwidern, dass es umgekehrt sein sollte. Müsste es nicht vielmehr heißen: Die Heuchelei ist die Fälschung der Tugend durch das Laster, um bösartige Ziele besser zu verbergen: die willkürliche Machtausübung der Starken über die Schwachen, die rücksichtslose Verfolgung oder Provokation des Krieges im philanthropischen Namen des Friedens?

Anmerkungen:
(1) Was die Nomaden betrifft: "Jene Völker (wie die alten Deutschen und einige moderne Tataren), die fruchtbare Länder bewohnen, aber es verschmähen, ihr Land zu kultivieren, und es vorziehen, von Plünderungen zu leben, sind für sich selbst unbrauchbar, schaden all ihren Nachbarn und verdienen es, als wilde und schädliche Bestien ausgerottet zu werden": vii, § 81. Emer de Vattel, Le Droit des gens, ou Principes de la loi naturelle, xviii, § 209.

(2) "Bisher hatten die Staaten, so unterschiedlich sie auch in Bezug auf ihre territoriale Ausdehnung, ihren Reichtum und ihre Macht sein mochten, doch untereinander einen Punkt der moralischen Verhältnismäßigkeit. Dies war ihre nationale Souveränität. In diesem Punkt konnte ihre juristische Gleichheit unerschütterlich festgestellt werden. In dieser Festung des gleichen Rechts für alle, und gleichermaßen unantastbar, unveräußerlich, unanfechtbar, fühlte sich jeder Staat, ob groß oder klein, so wahrhaftig sein eigener Herr und sogar so sicher gegenüber den anderen, wie sich der freie Bürger in den Mauern seines eigenen Hauses fühlt": The Proceedings of the Hague Conferences, Vol. ii, New York 1921, S. 645, 647.

(3) Lassa Oppenheim, International Law (fünfte Auflage), London 1937, S. 224-25.
Oppenheim, ein wohlhabender Einwanderer aus Hessen mit einem Lehrstuhl in Cambridge, veröffentlichte die ersten beiden Auflagen des Buches (1909 und 1912) vor dem Ersten Weltkrieg und starb 1919, nachdem er die dritte Auflage (1920) weitgehend fertiggestellt hatte. Als die fünfte Auflage 1937 erschien, war das Buch nicht mehr sein Werk. Lauterpacht, der Herausgeber des Buches, erklärte in seinem Vorwort, dass er es "bei vielen Gelegenheiten für angebracht gehalten habe, Ansichten vorzutragen, die von den in den früheren Ausgaben dieser Abhandlung vertretenen abweichen". Nirgendwo kam dies deutlicher zum Ausdruck als in der Streichung der eindeutigen Aussage Oppenheims, dass der Völkerbund "seine politische Hegemonie nicht in eine rechtliche Hegemonie verwandelt hat, weil diese Vorherrschaft nur die Frucht seines politischen Einflusses ist" (dritte Auflage, S. 200), und der Einfügung der gegenteiligen Aussage: dass der Völkerbund seiner Hegemonie im Gegenteil eine "rechtliche Grundlage und einen Ausdruck" gegeben habe (fünfte Auflage, S. 225). So viel zu den philologischen, geschweige denn beweisrechtlichen Skrupeln bei der Darstellung des Völkerrechts. Bei allen folgenden Auflagen der Abhandlung war Lauterpacht ihr Mitautor geworden.

(4) Lauterpacht, International Law. Collected Papers. Bd. ii, S. 28, 73, 75, 19.
Ein glühender Zionist in seiner Jugend, vermied Lauterpacht nach seiner Ankunft in England im Jahr 1923 jegliche direkte Beteiligung an politischen Aktivitäten, ohne die Sache Israels, für die er schließlich eine Unabhängigkeitserklärung verfasste, aufzugeben. Intellektuell setzte er sein ursprüngliches Anliegen fort. Um 1927 verfasste er eine Reihe von Überlegungen über "Einige biblische Probleme des Kriegsrechts", in denen er zwischen den von Gott befohlenen und den von Gott erlaubten Feldzügen der Kinder Israels unterschied. Der erstere forderte zur Ausrottung all derer auf, gegen die ein heiliger Krieg geführt wurde – Männer, Frauen und Kinder: "Du sollst nichts übrig lassen, was atmet." Der letztere erlaubte eine mildere Behandlung, ohne sie jedoch zwingend vorzuschreiben. Ungeachtet der Grausamkeit der ersteren, so Lauterpacht, handelte es sich um "Religionskriege von einer Reinheit, die in der Antike ihresgleichen sucht". Denn bei der Eroberung Kanaans "zogen die Israeliten aus, um diese Völker zu unterwerfen und auszurotten, weil sie glaubten, Gottes Urteil zu erfüllen, und nicht aus egoistischen Gründen". Der mildere, wenn auch weniger bestimmte Charakter von Kriegen mit größerem Entscheidungsspielraum bot einen Gegensatz, dessen Einfluss, wie Lauterpacht sinnierte, auf den rabbinischen Einfluss auf die mittelalterlichen christlichen Lehren vom gerechten und ungerechten Krieg zu suchen sein konnten. Mit dem Völkerbund hätten diese nun ihren Platz im modernen Völkerrecht gefunden.
Hersch Lauterpacht, International Law. Collected Papers. Vol v, Disputes, War and Neutrality, Cambridge 2004, S. 717-23.

(5) Carl Schmitt, Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff, Berlin 1988, S. 41 ff. Für Schmitt war Wilson im Ersten Weltkrieg der Wegbereiter dieser Neuerung. Zu den führenden Juristen, die sie in der Zwischenkriegszeit entwickelt haben, gehören seiner Meinung nach Georges Scelle in Frankreich und Lauterpacht in Großbritannien.

Quelle: Wir übernehmen den Artikel mit freundlicher Genehmigung aus New Left Review 143, September/Oktober 2023, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion, https://newleftreview.org/issues/ii143/articles/perry-anderson-the-standard-of-civilization
Übersetzung und Bearbeitung von Daniel Kreutz und Angela Klein.

Teile diesen Beitrag:
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen

Spenden

Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF


Schnupperausgabe

Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.