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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 01/2024

Es regt sich Widerstand
von Jakob Wassermann

Am 13.September wurde für alle überraschend der HHLA-Deal verkündet. Dies geschah lustigerweise in einer Videokonferenz für die Regierungsfraktionen, nachdem drei aus der Landesregierung geheim mit der weltweit größten Reederei verhandelt hatte.

Als erste größere öffentliche Aktion hat Ver.di dann gleich am 19.September zu einer Demo vom Firmensitz bzw. Der Hauptverwaltung zum Rathaus aufgerufen. Rund 3000 Menschen beteiligten sich. Es waren überwiegend Beschäftigte der HHLA (Hamburger Lagerhaus AG), aber auch Delegationen aus anderen Hafenbetrieben und Unterstützer:innen aus hafenfremden Betrieben und der Stadt.
Eine zweite Kundgebung am 11.November vor dem Rathaus zog mehrere hundert Menschen an, mehrheitlich Beschäftigte der HHLA und politische Unterstützer:innen aus der Stadt (siehe die Auszüge aus einer Rede, die Jürgen Bönig dort gehalten hat, auf der nächsten Seite). Aktive aus der HHLA und anderen Hafenbetrieben hatten schon im Oktober und November eine Ver.di-Unterschriftensammlung durchgeführt, innerbetrieblich aber auch in der Öffentlichkeit.

Proteste
Die Bürgerschaftsfraktion der LINKEN hat verschiedene parlamentarische Maßnahmen ergriffen, um die Sache der Hafenarbeiter:innen zu unterstützen. Ver.di hat Veranstaltungen organisiert, um das Thema breiter bekannt zu machen. Unter anderem wurden im Gewerkschaftshaus Vertreter der Bürgerschaftsfraktionen »gegrillt« (die Bürgerschaft ist das Landesparlament des Bundeslands Hamburg, der Senat die Landesregierung).
Die HHLA ist in verschiedene Betriebe aufgeteilt. Zur Sparte Umschlag im Hafen (also dem »eigentlichen« Kerngeschäft) gehören die einzelnen Kaianlagen mit den dazugehörigen Containerbrücken, Flächen, Transportmitteln; das sind selbstständige Betriebe mit jeweils mehreren hundert Beschäftigten. Diese Betriebe liegen im Hafen mehrere Kilometer entfernt voneinander. Die jeweils dort Beschäftigten haben eher nur lockeren Kontakt miteinander und sind zum Teil als selbständige Belegschaften zu beurteilen. Die Vertrauensleute und die Betriebsräte sind schon besser miteinander vernetzt, aber offensichtlich nicht ausreichend genug.
Am 6.November kam es zu einer Arbeitsniederlegung in einem dieser Betriebe, dem Containerterminal Burchardkai. Die Spätschicht beschloss zusammen, die Arbeit niederzulegen. Das dauerte dann vier Schichten lang, der Streik wurde sozusagen von Schicht zu Schicht weitergegeben. Nachdem klar wurde, dass sich andere Betriebe in der HHLA oder dem Hafen nicht anschließen würden, beschloss die Spätschicht dann wieder gemeinsam, die Arbeit wieder aufzunehmen.
Vordergründiger, stimmungsmäßiger Anlass für diese spontane Aktion war die Bekanntgabe, dass der Vorstand und der Aufsichtsrat dem Deal nun zugestimmt hatten. Viele Kollegen hatten von »ihrem« Vorstand und »ihrem« Aufsichtsrat erwartet, dass die Gremien sich gegen den Deal stellen würden und waren sauer.
Natürlich gab es während des Streiks und danach Repression gegen die streikenden Kollegen. Dutzende von Abmahnungen wurden verteilt. Eine prominente Betriebsrätin sollte sogar außerordentlich gekündigt werden. In dieser Einzelangelegenheit musste der Vorstand aber – nach Diskussion in der Öffentlichkeit – zurückrudern. Schließlich hat auch der mitverantwortliche Finanzsenator Dressel, SPD, einen Dialog mit den Hafenarbeitern angekündigt.
Sowohl in den Betrieben als auch unter den Betriebsräten und Vertrauensleuten in der HHLA und in weiteren betroffenen Hafenbetrieben geht die Diskussion weiter. Der entsprechende Fachgruppenvorstand in Ver.di bespricht das weitere Vorgehen. Der Ver.di-Landesbezirksvorstand steht laut Beschlusslage voll hinter den Hafenarbeitern.
Außerdem gibt es Bestrebungen, außerhalb des Hafens, außerhalb der Betriebe und gewerkschaftsübergreifend Öffentlichkeit zu schaffen. Ziel soll natürlich sein, einen gewissen Druck auf die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen aufzubauen, die vermutlich im März im Landesparlament den HHLA-Deal noch abstimmen werden.
Anknüpfungspunkte gibt es genügend. Der HHLA-Deal ist eben nicht nur eine beliebige Privatisierung öffentlichen Eigentums, was ja schon Skandal genug wäre. Hier liegen ureigenste gewerkschaftliche Interessen nach sicheren Arbeitsplätzen unter guten tariflichen Bedingungen, ökologische Fragen, Aussichten der Stadtentwicklung und Gesichtspunkte von Demokratieverständnis gebündelt auf dem Tisch.

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