An den Rand notiert
von Rolf Euler
Als die Gewerkschaftslinke sich vor vielen Jahren in Frankfurt im IG-Metall-Haus am Mainufer traf, fuhr ich mit Willi Scherer von der Autobahn kommend an der Frankfurter Messe vorbei. Auffallend davor: die Figur des »Hammermanns«.
Die absolut langsame Bewegung, die Körperhaltung bei der Ausführung des Schlags, der Griff mit der Hand an dem Hammerstiel, das alles machte die Figur zu einem etwas fragwürdigen Symbol einer Tätigkeit, deren Zusammenhang mit der Messe mir niemals klar war. Der Künstler Jonathan Borowsky wollte seine Solidarität mit den arbeitenden Menschen ausdrücken – mehrere dieser Skulpturen weltweit wurden aufgestellt. Und der Hammermann »arbeitet« immer noch unermüdlich…
Jetzt zum Jahresende musste ich wieder an den Hammermann denken, denn um 1930 gab es einen Neujahrsspruch von John Heartfield, der auf Postkarten und in Zeitschriften unters Volk gebracht wurde: »Ein neues Jahr, ein Jahr wie jedes andre war? Nein! Das darf nicht sein! Damit aus Not und Qual die neue Welt entsteht: schlag zu Prolet!« Die zugehörige Karte wurde noch in den 70er und 80er Jahren in linken Kreisen gern versandt. Sie zeigte den Hammerschlag eines Schmieds auf ein glühendes Werkstück, das mit einer Zange auf dem Amboss gehalten wurde.
Wo sind die Ambosse und Schmiedemeister geblieben? Die Proleten, die »zuschlagen« sollten? Die Arbeiter, deren Handarbeit erinnert werden und deren Tradition die neue Welt entstehen lassen solle? Angesichts der Auslagerung der körperlich schweren Arbeit von Bergleuten, Stahlarbeitern, Schmieden und anderen, die noch in einer Produktion mit Hämmern zuschlagen in Länder mit niedrigsten Löhnen?
Klar, es gibt auch bei uns noch genug Menschen, die mit Hammer und Meißel, auf dem Bau, in der metallverarbeitenden Industrie tätig sind. Steinbrüche, Bergbau, Schmiedearbeiten: die industrielle und zunehmend automatisierte Fertigung verdrängt den Proleten in ein Abseits. Die mühsamen Tätigkeiten der Carearbeit für überwiegend Frauen, der Logistikfahrer, so vieler Verwaltungs- und Dienstleistungstätigkeiten lassen den Hammer als Symbol einer zu verändernden Welt zurück.
Wohin sollte der heutige unterdrückte Mensch schlagen, um die neue Welt entstehen zu lassen? Geht es nicht vielmehr um Kümmerer für fruchtbare Erde, Bäumepflanzen, regenerative Energien aufbauen, alternatives Zusammenleben? Der Hammer als Symbol einer solidarischen Gesellschaft hat ebenso wie die Sichel ausgedient – unabhängig davon, dass sie außerhalb von Handwerks- und Freilichtmuseen auch noch benutzt werden. (Ja, ich weiß, bei der Reparatur von Fahrrädern braucht man ihn ab und zu auch!)
Gerade in Frankfurt, der Banken- und Dienstleistungsstadt, mag sich mancher durch den Hammermann an die früheren Produktionszeiten gemahnt fühlen – als Symbol der Veränderung kann er das neue Jahr sicher nicht mehr einläuten.
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