Mit harter Linie den Rechten das Wasser abgraben?
von Gerhard Klas
Seit den jüngsten AfD-Wahlerfolgen in Deutschland erfreut sich auch hierzulande eine Idee größter Beliebtheit, die einen das Gruseln lehren sollte: mit Härte gegen Geflüchtete und Migrant:innen der Rechtsaußenpartei das Wasser abgraben. Als Vorbild zitieren Politiker:innen diverser Parteien Dänemark.
Der ehemals sozialliberale Wohlfahrtsstaat habe gezeigt, dass »nationale Lösungen möglich sind«, findet Sarah Wagenknecht. Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel empfiehlt schon länger, für Geflüchtete das »Sozialsystem, wie in Dänemark, unattraktiver zu machen«. Friedrich Merz lobt fast täglich die »konsequente dänische Flüchtlingspolitik«, seine CDU verlangt Abschiebezentren »nach dänischem Vorbild«. Altbundespräsident Joachim Gauck zieht den Hut, weil es Kopenhagen mit Zuwanderungshärte gelungen sei, »eine nationalpopulistische Partei unter 3 Prozent zu bringen«.
Bei den Wahlen 2015 kletterten die Rechtspopulisten der Dänischen Volkspartei noch auf 21,1 Prozent und wurden zweitstärkste Partei. 2022 stürzten sie vor allem deshalb auf nur 2,7 Prozent ab, weil die sozialdemokratische Regierungschefin Frederiksen der Wählerschaft versprach, in der Zuwanderungspolitik mindestens genauso hart aufzutreten wie die Rechtspopulisten.
Frederiksen hat den Worten Taten folgen lassen. Thomas Borchart, Korrespondent in Dänemark, zählt in der Frankfurter Rundschau einige drastische Maßnahmen auf: Die dänische Sozialdemokratie akzeptiert bei Einbürgerungen, dass Abgeordnete im Parlamentsausschuss Kandidat:innen wegen ihres arabischen Namens abweisen. Sie hat zusammen mit der offen rassistischen Rechten beschlossen, dass in Dänemark geborene und aufgewachsene Nachkommen von Zuwandererfamilien nach ihrem 18.Geburtstag juristisch wie frisch ins Land gekommene Fremde behandelt werden. Diese jungen Leute, die nie woanders gelebt haben, müssen als Volljährige erst mal eine permanente Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Beim Antrag auf die dänische Staatsbürgerschaft sind dann noch 3,5 Jahre Vollbeschäftigung nachzuweisen. Ausbildung zählt nicht. Damit werden erfolgreiche Studierende in ihrem Geburtsland zu Bürger:innen zweiter Klasse degradiert.
Abgesehen davon, dass diese ultrarassistische Politik nicht besser wird, wenn sozialdemokratische oder sonstige bürgerliche Parteien sie betreiben, beweist der Wahlerfolg des Rechtsaußenpolitikers Geert Wilders in den Niederlanden, dass die Rechnung nicht aufgeht. Auch dort hatten die rechtsliberalen Regierungsparteien versucht, mit Wilders’ Rassismus gleichzuziehen. Aber Wilders bediente zwei Themen, dem weder die Regierungskoalition, noch das grün-sozialdemokratische Bündnis um den Ex-EU-Kommissar Timmermanns ausreichend Beachtung schenkten: Wohnen und Gesundheit. Vor allem junge Leute unter 35 haben ihn deswegen gewählt. Auch in anderen Ländern ist der Zuspruch der jungen Generation zu Rechtsaußenparteien deutlich gestiegen, etwa in Frankreich und Italien, berichtet der britische Guardian.
Analysten zufolge können mehrere Faktoren das Phänomen erklären. »Wir sollten wirklich vorsichtig sein mit der Annahme einer kulturellen oder ideologischen Übereinstimmung zwischen jungen Wählern und der extremen Rechten«, warnt etwa die Politikwissenschaftlerin Catherine de Vries im Guardian.
»Wir wissen, dass junge Menschen in vielen Ländern eher für Einwanderung sind als ältere Wähler. Sie sind nicht ausländerfeindlich geworden. Aber ihr Leben ist unsicherer. Das sind oft Stimmen für das, was bei dieser niederländischen Wahl als ›Existenzsicherung‹ bezeichnet wurde.«
Themen wie Wohnen, überfüllte Klassen und Krankenhäuser seien der Schlüssel zum Votum der jüngeren Generation, so De Vries. Aber »die Regierungsparteien haben uns Sparmaßnahmen aufgezwungen«.
Die Regierungsparteien in Deutschland und die CDU schlagen einen ähnlichen Weg ein wie die rechtsliberalen Parteien in den Niederlanden: Austeritätspolitik, harte Kante gegen Geflüchtete und in Ungnade gefallene Migrant:innen, die schon lange hier leben. Ihre Rechnung wird nicht aufgehen. Entweder gelingt es den Restlinken, im neuen Jahr eine egalitär sozial-ökologische Agenda zu popularisieren, einschließlich einer radikalen Umverteilung des Reichtums. Denn ohne sie ist diese Agenda nicht umzusetzen. Oder es drohen auch hierzulande die politischen Verhältnisse sich denen vieler Nachbarländer anzugleichen, in denen die extreme Rechte zur stärksten politischen Kraft wird.
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