Die COP28 lässt den fossilen Energien freie Bahn
von Hanno Raußendorf
Am 13.Dezember ging mit einem Tag Verspätung die 28.Vertragsstaatenkonferenz (COP28) der Anfang der 90er Jahre verhandelten Klimarahmenkonvention in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu Ende. Gastgeber war ein Erdölstaat und geleitet wurde die Veranstaltung von Sultan Ahmed Al Jaber, dem Geschäftsführer des staatlichen emiratischen Erdölkonzerns ADNOC. Al Jaber feierte das Ergebnis des knapp zweiwöchigen Massenspektakels mit den Worten: »Wir haben geliefert, zum erstenmal überhaupt haben wir einen Konsens über die Zukunft fossiler Energien.« Einen Konsens hat es in letzter Minute gegeben, »geliefert« haben die Delegierten allerdings nicht.
Es ist eigentlich kaum zu fassen, dass es dreißig Jahre nach Verabschiedung der Klimarahmenkonvention unter den Mitgliedstaaten noch immer keine Einigkeit über die grundsätzliche Notwendigkeit gab, aus allen fossilen Energieträgern auszusteigen. Doch genau an dieser Frage drohte die Konferenz noch zwei Tage vor ihrem Ende zu scheitern. In einem ersten Entwurf der Abschlusserklärung kam der Ausstieg aus den fossilen Energien gar nicht vor. Was nun im verabschiedeten Dokument steht, ist allerdings kaum besser: Der »Übergang weg von fossilen Energieträgern in den Energiesystemen« solle »in einer gerechten, geordneten und ausgewogenen Weise« erfolgen.
Damit ist das Ende von Öl, Gas und Kohle zwar formal festgehalten, die Formulierung bleibt allerdings so unbestimmt, dass sich aus ihr keinerlei Ausstiegsszenario oder gar ein Enddatum ableiten lässt. Die Fossilen werden also erst mal munter weiter gefördert.
Als weiteren Erfolg versucht man die Einrichtung eines Fonds für klimabedingte Schäden und Verluste zu verkaufen, der bereits am ersten Konferenztag beschlossen wurde. Von der Klimakatastrophe sind die ärmsten Länder des globalen Südens am schlimmsten betroffen. Sie haben gleichzeitig am wenigsten zu ihr beigetragen. Die Mittel sollen beim klimagerechten Umbau der Energieversorgung helfen und es diesen Staaten ermöglichen, sich besser an die Klimafolgen anzupassen. Deshalb forderte die Vereinigung kleiner Inselstaaten schon Anfang der 90er Jahre, Verluste und Schäden durch den Klimawandel zu berücksichtigen. Geschehen ist seitdem außer Ankündigungen sehr lange nicht viel. Wiederholte Beschlüsse, 100 Milliarden US-Dollar jährlich für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen, blieben weitgehend folgenlos. Reiche Industrienationen ließen sich Mittel aus ihrer Entwicklungshilfe anrechnen, auch für Maßnahmen mit wenig Nutzen für den Klimaschutz. Vielfach waren die Gelder auch nur Kredite und keine Zuschüsse.
Ob der jetzt beschlossene Fonds mehr wird als eine leere Hülle, ist zweifelhaft. Bislang gibt es nur Zusagen für rund 700 Millionen insgesamt. Diese Summe bleibt meilenweit hinter allem zurück, was eigentlich notwendig und gerecht wäre. Nach einer neuen Studie der britischen Ökonomen Andrew Fanning und Jason Hickel müssten die entwickelten Industrienationen bis Mitte des Jahrhunderts etwa 170 Billionen Dollar an arme Länder zahlen, um ihre historische »CO2-Schuld« auszugleichen. Das wären pro Jahr knapp 6 Billionen Dollar.
Eigentlich sollte man auch eher von Haftung und Kompensation reden als von »Schäden« und »Verlusten«. Doch insbesondere die USA weigern sich konsequent, irgendeine rechtliche Verantwortung für die von ihnen angerichteten Klimaschäden anzuerkennen. Sie beharren darauf, dass Zahlungen an den Fonds für die Staaten freiwillig seien. Industriestaaten werden nun zur Einzahlung »aufgefordert« und Entwicklungsländer »ermutigt«. Zudem soll der Fonds – zumindest vorübergehend – von der Weltbank verwaltet werden. Die hat sich in der Vergangenheit als verlässliches Instrument neokolonialer Gängelung bestens bewährt.
In Dubai fand weiterhin die erste globale Bestandsaufnahme des Pariser Klimaabkommens statt. Überprüft wurde, ob die bisher von den Staaten ergriffenen und geplanten Maßnahmen ausreichen, um die Ziele des Übereinkommens zu erreichen. Wenig überraschend kamen die Delegierten zu dem Schluss, dass die Welt derzeit nicht auf dem richtigen Weg ist, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C zu begrenzen. Nimmt man aktuelle Maßnahmen und Ziele der Regierungen für 2030 zusammen, werden diese nach Angaben des Climate Action Tracker zu einer Erwärmung von 2,5 °C bis zum Ende des Jahrhunderts führen. Selbst das optimistischste Szenario, in dem alle Reduktionsziele und angekündigten Maßnahmen tatsächlich umgesetzt würden, reicht nur für 1,8 °C. Die Vertragsparteien haben nun zwei Jahre Zeit, ihre national festgelegten Beiträge nachzuschärfen.
Die COP29 findet im kommenden Jahr in Aserbaidschan statt, einem namhaften Exporteur von Öl und Gas.
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen
Spenden
Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF
Schnupperausgabe
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.