Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

Hier können Sie jetzt Spenden
PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2024

Südafrika verklagt Israel vor dem Internationalen Gerichtshof
dokumentiert/von Robert Herbst

Südafrika hat am 28.Dezember 2023 beim Internationalen Gerichtshof (IGH) der Vereinten Nationen die Einleitung eines Verfahrens gegen Israel beantragt. Südafrika bittet den IGH zu erklären, dass Israel seine Verpflichtungen als Vertragsstaat der Völkermordkonvention verletzt hat. Es beantragt zudem eine vorläufige Anordnung, die die israelische Regierung und das israelische Militär auffordert, ihre völkermörderischen Handlungen im Gazastreifen bis zur vollständigen Anhörung vor dem Gericht sofort einzustellen.

Der Fall wird dem IGH im Rahmen seiner Streitfallzuständigkeit vorgelegt. Sie erlaubt ihm, eine Streitigkeit zwischen zwei UN-Mitgliedstaaten zu behandeln, die auch Vertragsparteien eines Vertrags sind. Südafrika und Israel sind beide UN-Mitglieder und Vertragsparteien der Völkermordkonvention. Deren Artikel IX sieht vor, dass Streitigkeiten zwischen Vertragsparteien über die Auslegung, Anwendung oder Erfüllung der Konvention, einschließlich der Verantwortlichkeit eines Staates für Völkermord, dem IGH auf Antrag einer der Streitparteien vorgelegt werden.
Israel hat auf die Verbalnote nicht geantwortet, aber die Anschuldigung öffentlich zurückgewiesen, es behauptet weiterhin, seine Armee richte ihre militärischen Anstrengungen allein gegen die Hamas. Damit gibt es einen erkennbaren »Streit« über die Auslegung und Anwendung der Konvention und der IGH wäre zuständig.
Als Mitglied der Vereinten Nationen ist Israel verpflichtet, dem Urteil des IGH in jedem »strittigen Fall«, an dem es beteiligt ist, nachzukommen. Tut es dies nicht, kann der Sicherheitsrat angerufen werden, der über Maßnahmen zur Umsetzung des Urteils entscheiden kann.
Die Anklageschrift ist 84 Seiten lang. Sie dokumentiert ausführlich »die massenhafte Tötung von Gaza-Bewohnern, die Verursachung schwerer körperlicher und seelischer Schäden und die Auferlegung von Lebensbedingungen, die auf ihre physische Zerstörung abzielen«, Beweise, die belegen sollen, dass Israel eindeutig die Definition von Völkermord gemäß der Konvention von 1948 erfüllt, indem es Handlungen begeht, die durch die Absicht gekennzeichnet sind, auf direkte oder indirekte Weise »eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören«.

Im folgenden ein von ­Robert Herbst verfasster Überblick über Südafrikas Klageschrift.

Israels Akte des Völkermords, sagt Südafrika, »unterscheiden sich von früheren Verstößen gegen das Völkerrecht, die von der israelischen Regierung und dem israelischen Militär im Gazastreifen sanktioniert oder begangen wurden«. Der Antrag erklärt:

»Israel hat inzwischen mehr als 21110 namentlich genannte Palästinenser getötet, darunter mehr als 7729 Kinder – über 7780 weitere werden vermisst und liegen vermutlich unter den Trümmern begraben; es hat mehr als 55243 Palästinenser verletzt und ihnen schwere körperliche und geistige Schäden zugefügt. Darüber hinaus hat Israel weite Teile des Gazastreifens verwüstet, darunter ganze Stadtviertel, mehr als 355000 palästinensische Häuser [über 60 Prozent des Wohnungsbestands im Gazastreifen] beschädigt oder zerstört, ebenso weite Teile der landwirtschaftlichen Nutzflächen, Bäckereien, Schulen, Universitäten, Unternehmen, Gotteshäuser, Friedhöfe, kulturelle und archäologische Stätten, kommunale und gerichtliche Gebäude sowie wichtige Infrastruktur, darunter Wasser- und Abwasseranlagen und Stromnetze. Gleichzeitig hat es einen unerbittlichen Angriff auf das palästinensische Gesundheitssystem durchgeführt. Israel hat den Gazastreifen in Schutt und Asche gelegt, seine Bevölkerung getötet, geschädigt und zerstört und Lebensbedingungen geschaffen, die auf ihre physische Vernichtung als Gruppe abzielen.«

Völkermörderische Absichten
Allein die Aussagen hochrangiger israelischer Beamter lassen erkennen, dass Israel vorsätzlich einen Krieg gegen die gesamte palästinensische Bevölkerung des Gazastreifens führt. Hier einige Beispiele:
Premierminister Netanyahu beruft sich auf die biblische Geschichte von der totalen Vernichtung der Amalekiter durch die Israeliten. In der Bibel steht an der entsprechenden Stelle: »…verschone sie nicht, sondern töte Mann und Frau, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel« [1.Sam 15,3].
Staatspräsident Herzog: »Es ist eine ganze Nation da draußen, die verantwortlich ist. Es ist nicht wahr, dass die Zivilisten nicht wissen, dass sie nicht beteiligt sind. Es ist absolut nicht wahr … und wir werden kämpfen, bis wir ihnen das Rückgrat brechen.«
Verteidigungsminister Gallant: Israel »verhängt eine vollständige Belagerung des Gazastreifens. Kein Strom, keine Lebensmittel, kein Wasser, kein Treibstoff. Alles ist geschlossen. Wir kämpfen gegen menschliche Tiere, und wir handeln entsprechend.«
»Der Gazastreifen wird nicht mehr so sein wie vorher. Wir werden alles beseitigen. Wenn es nicht einen Tag dauert, wird es eine Woche dauern. Es wird Wochen oder sogar Monate dauern, wir werden alle Orte erreichen.«
Der Minister für nationale Sicherheit Ben-Gvir: »Um es klar zu sagen, wenn wir sagen, dass die Hamas zerstört werden sollte, bedeutet das auch, dass diejenigen, die feiern, diejenigen, die unterstützen, und diejenigen, die Süßigkeiten verteilen – sie alle sind Terroristen, und sie sollten auch zerstört werden.«
Der Minister für Energie und Infrastruktur Katz: »Die gesamte Zivilbevölkerung im Gazastreifen wird aufgefordert, diesen sofort zu verlassen. Wir werden gewinnen. Sie werden keinen Tropfen Wasser oder eine einzige Batterie erhalten, bis sie die Welt verlassen.«
Der Minister für Kulturerbe Eliyaahu: »Es gibt keine unbeteiligten Zivilisten in Gaza.«
Vaturi, stellvertretender Sprecher der Knesset und Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und Sicherheit: »Jetzt haben wir alle ein gemeinsames Ziel – den Gazastreifen vom Angesicht der Erde zu tilgen.«
Der israelische Generalmajor der Reserve und Berater des Verteidigungsministers Eiland: »Um die Belagerung wirksam zu machen, müssen wir andere daran hindern, dem Gazastreifen Hilfe zu leisten.« »Wenn man sich im Krieg mit einem anderen Land befindet, gibt man ihm keine Nahrung, keinen Strom, kein Gas, kein Wasser oder sonst etwas…« »Israel muss eine humanitäre Krise im Gazastreifen auslösen, die Zehntausende oder sogar Hunderttausende dazu zwingt, in Ägypten oder am Golf Zuflucht zu suchen.«
»Wer sind die ›armen‹ Frauen von Gaza? Sie sind alle Mütter, Schwestern oder Ehefrauen von Hamas-Mördern … Die internationale Gemeinschaft warnt uns vor einer humanitären Katastrophe in Gaza und vor schweren Epidemien. Davor dürfen wir nicht zurückschrecken, so schwer das auch sein mag. Schließlich werden schwere Epidemien im Süden des Gazastreifens den Sieg näher bringen.«
Der 95jährige Ezra Yachin, ein Veteran des Massakers von Deir Yassin während der Nakba 1948, der zum Reservedienst als Motivationsredner einberufen wurde, um die Moral der israelischen Truppen vor der Bodeninvasion zu stärken, sagte in den sozialen Medien, während er in einem Fahrzeug der israelischen Armee in IDF-Kleidung herumgefahren wurde: »Seid siegreich und macht sie fertig und lasst niemanden zurück. Löscht die Erinnerung an sie aus. Löscht sie aus, ihre Familien, Mütter und Kinder. Diese Tiere können nicht länger leben … Jeder Jude mit einer Waffe sollte hin­aus­gehen und sie töten. Wenn du einen arabischen Nachbarn hast, warte nicht, geh zu ihm nach Hause und erschieß ihn … Wir wollen einmarschieren, nicht wie früher, wir wollen eindringen und zerstören, was vor uns ist, und Häuser zerstören, dann das nächste zerstören. Mit all unseren Kräften, vollständige Zerstörung, eindringen und zerstören. Wie ihr seht, werden wir Dinge erleben, die wir uns nie erträumt haben. Werft Bomben auf sie und löscht sie aus.«
Die Handlungen der israelischen Armee vor Ort lassen eindeutig den Schluss zu, dass diese Erklärungen und Anweisungen umgesetzt werden. Im Antrag werden IDF-Soldaten zitiert, die in Gaza stationiert sind und deren Beobachtungen diese Schlussfolgerung untermauern: Die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens soll zum Verlassen des Landes ermutigt, wenn nicht gar gezwungen werden. Da diese Absicht feststeht, handelt es sich bei den dargelegten Handlungen um Völkermord.

Völkermörderische Handlungen
Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen:
»(1) Tötung von Palästinensern, einschließlich Kindern, in Gaza in großer Zahl;
(2) Verursachung schwerer körperlicher und seelischer Schäden bei Palästinensern in Gaza, einschließlich palästinensischer Kinder, und Auferlegung von Lebensbedingungen, die ihre Zerstörung als Gruppe bewirken sollen. Zu diesen Bedingungen gehören:
(3) die Vertreibung aus den Häusern und die Massenvertreibung sowie die großflächige Zerstörung von Häusern und Wohngebieten;
(4) der Entzug des Zugangs zu angemessener Nahrung und Wasser;
(5) der Entzug des Zugangs zu angemessener medizinischer Versorgung;
(6) der Entzug des Zugangs zu angemessener Unterkunft, Kleidung, Hygiene und sanitären Einrichtungen;
(7) die Zerstörung des Lebens der palästinensischen Bevölkerung in Gaza;
(8) die Verhängung von Maßnahmen, die darauf abzielen, palästinensische Geburten zu verhindern.«
Einige Beispiele unter den vielen Beweisen, die Südafrikas Anwälte zusammengetragen haben:

Tötung von Palästinenser:innen
Die schweren ungelenkten Bomben, die Israel im Gazastreifen eingesetzt hat, haben einen »voraussichtlichen tödlichen Radius« von bis zu 360 Metern und werden »voraussichtlich schwere Verletzungen und Schäden in einer Entfernung von 800 Metern bis zu einer halben Meile verursachen«.
»Palästinenser in Gaza wurden in ihren Häusern, an Orten, an denen sie Schutz suchten, in Krankenhäusern, in UNWRA-Schulen, in Kirchen, in Moscheen und bei dem Versuch, Nahrung und Wasser für ihre Familien zu finden, getötet. Sie wurden getötet, wenn sie nicht evakuiert wurden, an den Orten, an die sie geflohen waren, und sogar als sie versuchten, über die von Israel als ›sicher‹ bezeichneten Routen zu fliehen. Es häufen sich Berichte über summarische Hinrichtungen durch israelische Soldaten, auch von mehreren Mitgliedern derselben Familie – Männern, Frauen und älteren Menschen.«

Schwere körperliche und seelische Schäden
Die meisten der 55000 Verwundeten sind Frauen und Kinder. Eintausend dieser Kinder haben ein oder beide Beine verloren. Der weiße Phosphor, den Israel einsetzt, verursacht »tiefe und schwere Verbrennungen, die sogar Knochen durchdringen und sich nach der ersten Behandlung wieder entzünden können«. Vor allem im Norden des Gazastreifens gibt es keine funktionierenden Krankenhäuser, sodass die Verletzten »auf den Tod warten« müssen, ohne Operation oder medizinische Behandlung, die über die erste Hilfe hinausgeht, und einen langsamen, qualvollen Tod an ihren Verletzungen oder durch Infektionen sterben.
»Das extreme Ausmaß der Bombardierung und das Fehlen von Schutzzonen führt auch zu schweren psychischen Traumata.« Schätzungsweise Zehntausende palästinensische Kinder haben mindestens ein Elternteil verloren, viele sind die einzigen überlebenden Mitglieder ihrer Familien.

Massenhafte Vertreibung
Mehr als 1,9 Millionen der 2,3 Millionen Einwohner des Gazastreifens, d.h. 85 Prozent der Bevölkerung wurden aus ihren Häusern vertrieben, obwohl es keinen sicheren Ort gibt, an den sie fliehen können. Israel hat dies durch Evakuierungsbefehle und die Tötung derjenigen erreicht, die nicht gehen können oder sich weigern, dies zu tun. Anfang Dezember warf Israel Flugblätter ab, in denen es die Bewohner des Gazastreifens aufforderte, die Gebiete im Süden zu verlassen, in die sie zuvor geflüchtet waren, und hielt sich nicht einmal an seine falschen Sicherheitsversprechen.
Dem UN-Generalsekretär zufolge werden »die Menschen in Gaza wie menschliche Flipperkugeln zwischen immer kleineren Teilen des Südens hin- und hergeschleudert, ohne irgend­etwas von dem, was sie zum Überleben brauchen«. Die daraus resultierende höhere Bevölkerungsdichte führt dazu, dass die anhaltenden israelischen Bombardierungen noch tödlicher sind.

Verweigerung des Zugangs zu Nahrungsmitteln und Wasser
Zwischen dem 9. und 21.Oktober verhängte ­Israel eine vollständige Belagerung des Gazastreifens – kein Strom, keine Lebensmittel, kein Wasser, kein Treibstoff. Seit dem 21.Oktober wurden einige wenige Hilfsgütertransporte zugelassen, weit weniger als die vorherigen 500 Lastwagen pro Tag.
»Die meisten Palästinenser in Gaza hungern jetzt, 93 Prozent der Bevölkerung im Gazastreifen leiden unter einem hohen Maß an Unter­ernäh­rung. Die durch die Belagerung geschaffenen Bedingungen werden durch die anhaltenden Angriffe Israels auf Bäckereien, Wasserversorgungsanlagen und der letzten noch funktionierenden Mühle, sowie durch die Zerstörung von landwirtschaftlichen Flächen, Ernten, Obstgärten und Gewächshäusern noch verschärft.
Die Wasserversorgung ist stark beeinträchtigt. Israel unterbricht weiterhin die Wasserzufuhr für den Norden des Gazastreifens, die Entsalzungsanlage im Norden ist nicht funktionsfähig. Seit dem 15.Oktober 2023 leitet Israel eine geringe Menge Wasser in den Süden, um »die Zivilbevölkerung in den südlichen Teil des Streifens zu drängen«. Die Schäden durch isra­elische Luftangriffe und Granatenbeschuss haben das Wassersystem größtenteils unbrauchbar gemacht. Nach Angaben des Welternährungsprogramms stehen pro Person und Tag nur 1,5 bis 1,8 Liter sauberes Wasser für alle Verwendungszwecke (Trinken, Waschen, Nahrungszubereitung, sanitäre Einrichtungen und Hygiene) zur Verfügung. Dies liegt weit unter der »Notfallschwelle« von 15 Litern pro Tag für »kriegs- oder hungerähnliche Bedingungen« oder der »Überlebensschwelle« von 3 Litern pro Tag.
Experten gehen inzwischen davon aus, dass mehr Palästinenser im Gazastreifen an Hunger und Krankheiten sterben werden als an Luftangriffen.

Verweigerung des Zugangs zu Unterkünften, Kleidung, Hygiene
1,2 Millionen der 1,9 Millionen Vertriebenen im Gazastreifen suchen Schutz in den vom UNRWA betriebenen Schulen und Zelten, die nicht sicher sind. Israel hat dort Hunderte von Palästinensern getötet, obwohl es die Koordinaten aller UN-Einrichtungen erhalten hat.
Im Durchschnitt gibt es eine Dusche für 4500 Menschen und benutzen 486 Menschen eine einzige Toilette. Die Abwässer fließen in die Straßen, in denen die Palästinenser leben. Am 20.Dezember 2023 warnte der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO): »Im Gazastreifen kommt es bereits jetzt zu einem sprunghaften Anstieg der Ausbrüche von Infektionskrankheiten. Die Zahl der Durchfall­erkran­kun­gen bei Kindern unter 5 Jahren ist 25mal höher als vor dem Konflikt. Solche Krankheiten können für unterernährte Kinder tödlich sein, vor allem, wenn es keine funktionierenden Gesundheitsdienste gibt.«
Die israelische Armee hat Krankenhäuser und Gesundheitszentren angegriffen und belagert, ihnen den Strom und den Treibstoff entzogen, der für die Aufrechterhaltung eines effektiven Betriebs unerlässlich ist, sie an der Versorgung mit medizinischen Gütern, Lebensmitteln und Wasser gehindert, ihre Evakuierung und Schließung erzwungen und sie effektiv zerstört. Sie hat Krankenhausgeneratoren, Solaranlagen und andere lebensrettende Geräte wie Sauerstoffstationen und Wassertanks angegriffen. Sie hat Krankenwagen, medizinische Konvois und Ersthelfer angegriffen. Mitarbeiter des Gesundheitswesens wurden getötet (im Durchschnitt vier pro Tag). »Die systematische Zerstörung palästinensischer Krankenhäuser und die Ermordung palästinensischer Fachärzte beeinträchtigt nicht nur die derzeitige Versorgung der Palästinenser im Gazastreifen, sondern untergräbt auch die Aussicht auf ein künftiges palästinensisches Gesundheitssystem im Gazastreifen und zerstört dessen Fähigkeit zum Wiederaufbau und zur wirksamen Versorgung der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen.«
Der kritische Mangel an Personal und Material – einschließlich Betäubungsmitteln, Schmerzmitteln, Medikamenten und Desinfektionsmitteln – hat nicht nur zu unnötigen Amputationen von Gliedmaßen geführt, sondern auch zu Amputationen ohne Betäubung, die oft mit Taschenlampen durchgeführt werden. Auch bei schwangeren Frauen werden Kaiserschnitte ohne Betäubung durchgeführt. Die Patienten werden auf schmutzigen, blutverschmierten Böden behandelt, eine grundlegende Schmerzbehandlung ist oft nicht verfügbar… Mehr als 360000 Fälle von übertragbaren Krankheiten allein in den UNRWA-Unterkünften sind dokumentiert, die auf unhygienische Bedingungen, Hunger und den Mangel an sauberem Wasser zurückzuführen sind.

Maßnahmen zur Verhinderung palästinensischer Geburten
Mehr als 50000 schwangere Frauen im Gazastreifen bringen jeden Monat ein Kind zur Welt, jetzt haben sie keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten. Ärzte müssen bei jungen Frauen, die nach der Geburt »verbluten«, eine normalerweise unnötige Hysterektomie durchführen, um ihr Leben zu retten, sodass sie keine weiteren Kinder bekommen können. Neugeborene, die bis zu drei Monate alt sind, sterben an Durchfall, Unterkühlung und anderen vermeidbaren Ursachen.

Zerstörung des palästinensischen Lebens
Israel hat nicht nur ganze Wohnblocks zerstört, sondern auch das grundlegende zivile System in Gaza angegriffen:
– Den Justizpalast, das wichtigste palästinensische Gerichtsgebäude in Gaza, in dem der Oberste Palästinensische Gerichtshof, das Verfassungsgericht, das Berufungsgericht, das Gericht erster Instanz, das Verwaltungsgericht und das Magistratsgericht untergebracht sind, ebenso wie ein Archiv mit Gerichtsakten und anderen historischen Akten.
– Den Komplex des Palästinensischen Legislativrats; das Gebäude des Zentralarchivs von Gaza-Stadt, das Tausende von historischen Dokumenten und nationalen Aufzeichnungen aus über hundert Jahren sowie ein wichtiges Archiv der palästinensischen Geschichte und modernere Aufzeichnungen über die Stadtentwicklung von Gaza-Stadt enthält.
– Die wichtigste öffentliche Bibliothek von Gaza-Stadt, unzählige Buchhandlungen, Verlage, Bibliotheken und Hunderte von Bildungseinrichtungen, alle vier Universitäten des Gazastreifens einschließlich der Islamischen Universität von Gaza, der ältesten Hochschuleinrichtung des Gebiets, an der Generationen von Ärzten und Ingenieuren ausgebildet wurden. Damit wurden die Einrichtungen für die Ausbildung künftiger Generationen von Palästinensern im Gazastreifen zerstört.
– 352 palästinensische Schulen, zahlreiche palästinensische Bildungs- und Kulturzentren, darunter die Al-Zafar-Dmari-Moschee und das Zentrum für Manuskripte und antike Dokumente, das orthodoxe Kulturzentrum, das Al-Qarara-Kulturmuseum, das Gaza-Zentrum für Kultur und Kunst, das arabische soziale Kulturzentrum, die Hakawi-Gesellschaft für Kultur und Kunst und das Rafah-Museum, das neu eröffnete Museum für palästinensisches Erbe in Gaza, in dem Hunderte von kulturellen und archäologischen Artefakten ausgestellt sind.
– Israels Angriffe haben die antike Geschichte des Gazastreifens zerstört: Acht Stätten wurden beschädigt oder zerstört, darunter der antike Hafen von Gaza (bekannt als »Anthedon Harbour« oder »Al Balakhiya«) – die archäologische Stätte eines 2000 Jahre alten römischen Friedhofs, der sowohl auf der Liste des islamischen Kulturerbes als auch auf der vorläufigen Liste des UNESCO-Weltkulturerbes steht. Israel hat auch die »Altstadt« von Gaza-Stadt zerstört, einschließlich der 146 Jahre alten historischen Häuser, Moscheen, Kirchen, Märkte und Schulen.
– Israel hat schätzungsweise 318 muslimische und christliche religiöse Stätten beschädigt oder zerstört und damit die Orte, an denen Palästinenser seit Generationen ihre Gebete verrichten. Es hat Gazas Journalisten, seine Lehrer, Intellektuellen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, seine Ärzte und Krankenschwestern, seine Filmemacher, Schriftsteller und Sänger, die Direktoren und Dekane seiner Universitäten, die Leiter seiner Krankenhäuser, seine herausragenden Wissenschaftler, Linguisten, Dramatiker, Romanautoren, Künstler und Musiker getötet; Geschichtenerzähler und Dichter, palästinensische Bauern und Fischer sowie lokale Legenden aus Gaza, darunter die 84jährige Elham Farah aus einer der ältesten christlichen Familien Palästinas, eine bekannte Akkordeonspielerin und Musiklehrerin, die von einem israelischen Scharfschützen vor der Kirche der Heiligen Familie in Gaza-Stadt erschossen wurde, als sie nach Hause zurückkehrte, um warme Kleidung zu holen.
31.Dezember 2023

Robert Herbst ist Anwalt für Bürgerrechte. Er ist Ko-Vorsitzender des Vorstands von ICAHD-USA und war von 2014 bis 2017 Koordinator der Ortsgruppe Westchester von Jewish Voice for Peace. Er hat als unabhängiger Ermittler und Ankläger für den Sondergerichtshof für Sierra Leone und den Internationalen Strafgerichtshof für Rwanda gearbeitet.
Quelle: https://mondoweiss.net/2023/12/south-africa-appeals-to-the-international-court-of-­justice-stop-israels-genocide-in-gaza/

Die Anklageschrift steht in voller Länge auf dem Palästina-Blog der SoZ: www.sozonline.de/2024/01/suedafrika-verklagt-israel-­wegen-voelkermord-der-anklagetext-auf-deutsch/.

Teile diesen Beitrag:
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen

Spenden

Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF


Schnupperausgabe

Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.