An den Rand notiert
von Rolf Euler
»Wir sind reich an Armen«, plakatierte die Linkspartei vor Jahren in den Städten des Ruhrreviers. Was daneben zu schreiben wäre: »Wir sind reich an Reichen!«
Das Privatvermögen in Deutschland beträgt mehr als 7000 Milliarden Euro – geschätzt, denn Vermögen und Einkommen der Reichsten werden statistisch nicht erfasst, sicher ist sicher, es könnte sonst der Ruf nach Vermögensteuer und Reichtumsteuer den Abgeordneten von Sozialdemokraten und christlichen Parteien zu laut in den Ohren klingeln…
Nun gibt Oxfam jedes Jahr vor der Konferenz des Weltwirtschaftsforums in Davos einen Armutsbericht heraus. Der enthält wieder erbarmungslose Zahlen. Ich meine »erbarmungslos«, weil der Reichtum sich meistens ohne bewusste Steuerung durch menschliches Handeln ergibt – einfach durch die Marktverhältnisse, durch die Börsenentwicklung. Wären alle Milliardäre, die erneut im letzten Jahr reicher geworden sind, daraufhin gefragt worden, hätten sie dann »Erbarmen« mit der Armut gehabt? Hätten sie »abgegeben«?
Es geht nicht um Almosen, es geht darum, dass seit der Coronakrise insgesamt 26 Billionen US-Dollar an das reichste Prozent der Menschheit gefallen sind – und 16 Billionen US-Dollar an die restlichen 99 Prozent. Oxfam berichtet, dass im vergangenen Jahr der Reichtum von Milliardärinnen und Milliardären erneut »sprunghaft angestiegen« ist, insbesondere durch extrem hohe Gewinne der Lebensmittel- und Energiekonzerne. Und durch die Kurssteigerungen der Waffenhersteller – nicht zu vergessen.
Das reichste Prozent in Deutschland »verdiente« 81 Prozent des Vermögenszuwachses, der zwischen 2020 und 2021 erwirtschaftet wurde. Auf die übrigen 99 Prozent der Bürgerinnen und Bürger entfielen demnach lediglich 19 Prozent. Laut Oxfam leben mindestens 1,7 Milliarden abhängig Beschäftigte in Ländern, in denen die Inflation größer ist als die Lohnentwicklung. Etwa jeder zehnte Mensch auf der Erde – das sind 800 Millionen – hungert. Das UN-Ziel, bis 2030 den Hunger ausgerottet zu haben, rückt immer weiter weg – von den kapitalistischen Verhältnissen fleißig ausgebremst.
Das Jahr 2024 hat gerade angefangen. Antje Boetius, Leiterin des Alfred-Wegener-Instituts für Meeresforschung in Bremerhaven, schrieb in der Zeit vom 28.12.: »Wir gehen aus 2023, dem heißesten Jahr der Menschheitsgeschichte, verletzter und verstörter heraus, als wir hineingegangen sind, aber brauchen doch alle Kraft und Zusammenhalt für das, was vor uns liegt … Unsere Entwicklungsgeschichte als Menschheit zeigt immer wieder: Es ging und geht doch immer weiter, weil der Mensch liebt, verzeiht, hilft und pflegt, Wissen und Können erringt, es teilt und für neue Lösungen, für Vernetzung, Entdeckungen und Kreativität zu nutzen weiß.«
Ich stimme dem gern zu – in Kenntnis der oben genannten Zahlen und in Kenntnis, dass »der Reichtum« nichts dazu beiträgt – im Gegensatz zu ganz vielen Frauen gerade in den armen Ländern.
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