Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 03/2024

100 Jahre Solidarität mit Opfern der politischen Repression
von Peter Nowak

»Manchmal ist es Zeit, die Arme aus Solidarität zu verschränken statt zu streiten«, sagte Heinz, der eigentlich anders heißt. Er sprach Anfang Februar auf der Jubiläumsgala der Gefangenensolidaritätsorganisation Rote Hilfe (RH), die im Ballsaal des Hamburger Millerntorstadions stattfand.

Den richtigen Namen wollte Heinz nicht sagen, weil die Rote Hilfe noch immer kriminalisiert und vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Nach den teilweise militanten Protesten gegen den G20-Gipfel 2017 in Hamburg dachte der damalige Bundesinnenminister Seehofer sogar über ein Verbot der Roten Hilfe nach. Das hatte allerdings nur zur Folge, dass die Zahl ihrer Mitglieder stieg.
Das Symbol der Roten Hilfe, die verschränkten Arme, war auf vielen Plakaten und Transparenten in Hamburg zu sehen. In einem gut vorbereiteten Programm wurde ein kurzer Überblick über die 100jährige Geschichte der Roten Hilfe gegeben.
Sie begann kurz nach der Massenrepression nach dem Hamburger Aufstand 1923. Denn in den Jahren der heute verklärten Weimarer Demokratie saßen viele linke Aktivist:innen im Gefängnis, viele waren Kommunist:innen. Die Rote Hilfe war eine Massenorganisation und leistete Solidarität.
Mit dem Machtantritt der Nazis begann der Massenterror, und auch die Rote Hilfe war davon stark betroffen. Auf seiten des Staatsapparats änderte sich im Vergleich zur Weimarer ­Republik personell wenig. Das Personal, das vor 1933 Linke verfolgt hatte, konnte die Verfolgung nun fortsetzen und ohne jede Beschränkung Terror ausüben. Es dauerte bis in die 1970er Jahre, dass linke Aktivist:innen die Rote Hilfe erneut gründeten und die Idee der Solidarität wieder stark machten.
Die Juristin Waltraud Verleih trat damals in die Rote Hilfe ein und gehört heute zu ihren ältesten Mitgliedern. Sie überbrachte auf der Gala Solidaritätsgrüße.
In den 1990er Jahren war es die linke Organisation Libertad, die sich für politische Gefangene einsetzte und die Rote Hilfe wiederbelebte. Libertad war es auch, die mit anderen Genoss:innen den 18.März als Kampftag gegen Repression und Gefangenschaft in Deutschland etablierte.
Die Rote Hilfe wurde eine mitgliederstarke Organisation und kam dem Anspruch einer überparteilichen Solidaritätsorganisation nahe. Auf der Gala wurde die Breite der Mitgliedschaft der Roten Hilfe deutlich. So schilderte die Landtagsabgeordnete der LINKEN in Thüringen, Katharina König-Preuss, wie wichtig die Rote Hilfe ist. Sie berichtete von einer Gruppe von jungen Antifaschist:innen, die nach einer Aktion gegen Neonazis mit juristischen Ermittlungen konfrontiert waren. »Sie waren sehr verunsichert und machten sich Sorgen über die Folgen. Es beruhigte sie sehr, als sie erfuhren, dass es da die Rote Hilfe gibt, die sie unterstützt«, machte König-Preuss anschaulich, wie Solidarität wirkt.
Ein weiterer Redner war Alassa Mfouapon, der aus Kamerun geflohen war und in einer Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen lebte. Er wurde 2018 zum Gegenstand einer rechten Hetzkampagne von Politiker:innen und Medien, die Mfouapon zum Rädelsführer aufbauten, der Proteste gegen eine Abschiebung organisiert habe. Er schilderte, wie es gelang, die Repression in Solidarität umzuwandeln. So konnte er nach einer Abschiebung nach Italien und einer dar­auf folgenden Unterschriftenkampagne wieder nach Deutschland zurückkehren.
Mittlerweile habe er Prozesse sowohl gegen Bild als auch gegen die AfD-Politikerin Weidel gewonnen, und auch die Polizeirazzia in Ellwangen wurde mittlerweile gerichtlich für unrechtmäßig erklärt. Mfouapon erklärte stolz, er habe noch immer keinen deutschen Pass, sei aber weiterhin in der Solidarität für Geflüchtete aktiv und auch Mitglied der Roten Hilfe.
Ein weiterer Höhepunkt der Gala war der Auftritt von Thomas Meyer Falk, der im letzten Jahr nach 27 Jahren das Gefängnis verlassen konnte. Davon verbrachte er fast zehn Jahre in Isolationshaft. »Ich wußte, draußen sind Menschen, die mich unterstützen«, erzählte Meyer-Falk, was ihn in der Gefangenschaft motivierte.
Von diesem Gefühl berichtete auch Lina E., die als Hauptangeklagte im Antifa-Ost-Verfahren längere Zeit in Untersuchungshaft war. Sie berichtete, dass nach kurzer Zeit Geld auf ihrem Konto war, damit sie sich im Gefängnis persönliche Dinge kaufen konnte, und auch für die Miete ihrer Wohnung kamen solidarische Menschen auf. »Es war schon gleich zu Beginn meiner Haft eine große Erleichterung zu wissen, da gibt es Menschen, die mich unterstützen«, betonte Lina.
Zudem hat sie eine solidarische Mutter, die sich mit einer eigenen Grußadresse an die Rote-Hilfe-Gala wandte. Darin sprach sie von den Alltagsmühen solidarischen Handelns. Das beschreibt gut die Arbeit der Aktivist:innen der Roten Hilfe überall in Deutschland.
Diese Arbeit ist noch notwendiger denn je in einer Zeit der linken Schwäche. Da ist es wichtig zu wissen, in welcher Geschichte man steht, woher man kommt, wohin man geht.

In den nächsten Monaten sind in vielen Städten Veranstaltungen zum 100.Jubiläum der Roten Hilfe geplant. Das der Roten Hilfe angegliederte Hans-Litten-Archiv hat zum Gründungsdatum im Oktober eine kleine Ausstellung und einen informativen Katalog unter dem Titel »100 Jahre Rote Hilfe – 100 Jahre Solidarität« erstellt.

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