Rote Bänke gegen Gewalt an Frauen
von Kai Böhne
Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden 2022 weltweit annähernd 89000 Frauen und Mädchen vorsätzlich getötet. Dies ist der höchste Wert der letzten zwei Jahrzehnte. Obwohl die Gesamtzahl der Tötungsdelikte zurückging, nahm die Zahl der Morde an Frauen zu.
55 Prozent aller Tötungsdelikte an Frauen werden von Familienmitgliedern oder Lebenspartnern begangen. »Wenn Männer Frauen töten, weil sie Frauen sind, dann ist es angemessen und auch notwendig, von Femizid zu sprechen«, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser in einer Pressemitteilung zur Partnerschaftsgewalt.
Geschlechtsspezifische Gewalt beginnt mit Alltagssexismus und endet mit dem Extrem Femizid. Am 25.November, dem »Internationalen Gedenk- und Aktionstag gegen Gewalt an Frauen«, wird jährlich an jegliche Form von Diskriminierung und Gewalt gegenüber Frauen erinnert. Der Verein UN-Women-Deutschland engagiert sich für Frauenrechte und die Beendigung von Gewalt gegen Frauen. 2023 unterstützten die Frauen die UN-Kampagne Orange the world mit ihrem Schwerpunkt »Stopp Gewalt gegen Frauen«. An Unterstützer:innen appellierten sie, orange Kerzen und Windlichter ins Fenster zu stellen, Gebäuden orange zu beleuchten, orange Fahnen zu hissen oder orange Sitzbänke aufzustellen.
Rote Bänke in Mailand und Turin
Das Aufstellen von orange und roten Bänken an öffentlichen Plätzen, als Symbol gegen Gewalt an Frauen, hat seinen Ursprung in Italien. Die Stadt Perugia stellte 2016 die erste Panchina Rossa (Rote Bank) auf. Die italienischen Städte Turin, Mailand, Cambiano und Florenz zogen nach, dort sind ebenfalls rote Bänke zu sehen. Auch in Frankreich und Deutschland wurden rote Bänke aufgestellt. Die erste rote Bank in Deutschland stand am 8.März 2020 in Potsdam, der Partnerstadt Perugias: Anlässlich des Internationalen Frauentags bot sie dort in der Stadt- und Landesbibliothek Platz zum Verweilen und Gedenken.
Alltagsgewalt an Frauen im Schlafzimmer, am Arbeitsplatz, auf dem täglichen Nachhauseweg und ihre aggressivsten Auswüchse wie Femizide, Zwangsprostitution, Zwangsehen und Genitalverstümmelungen sind weltweit ein komplexes und vielschichtiges gesellschaftliches Problem. Dessen Dimension und Beseitigung als Voraussetzung für ein angstfreies, friedliches Zusammenleben wird viel zu selten erkannt und findet viel zu wenig Beachtung.
Eine rote Bank setzt ein Zeichen. Zahlreiche deutsche Städte, darunter Aschaffenburg, Berlin, Freiburg, Hürth, Kempten, Kiel, Leutkirch und Ludwigshafen nahmen den »Internationalen Frauentag« am 8.März oder den »Internationalen Aktionstag gegen Gewalt an Frauen« am 25.November zum Anlass, »Rote Bänke« aufzustellen. Seit 2023 stehen auch rote Bänke in Hannover, Konstanz, Miltenberg, Villingen-Schwenningen und Weingarten.
Grün steht für Hoffnung
Die italienische Post nahm den Gedenktag gegen Gewalt an Frauen zum Anlass und gab am 25.November 2023 die erste Sondermarke und den ersten Sonderstempel einer roten Bank aus. Die Poste Italiane wendet sich gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Die Sondermarke zum Tarif B mit einem Frankaturwert von 1,25 Euro will Hoffnung für die Zukunft bieten. Im Zentrum steht die Panchina Rossa. Auf deren rechtem Ende kauert sorgenvoll eine Frau, eingerollt mit angezogenen Beinen. Sie blickt vorsichtig auf das linke Ende der Bank. Dort steht aufrecht eine zweite Frau, mit einem grünen Farbeimer und einem Pinsel in der Hand. Sie ist dabei, die Bank grün zu überstreichen. In der Farbpsychologie ist grün eine emotional positive Farbe. Grün ist auch die Farbe des Wachstums, der Erneuerung und der Hoffnung.
Die von der Künstlerin Tiziana Trinca gezeichnete Sondermarke erscheint in einer Auflage von 250000 Exemplaren. Trinca zeichnete bereits 2002 und 2006 Postwertzeichen für die Poste Italiane. Auch das Motiv der Gedenkmarke vom Februar 2022, zum 80.Todestag der Schauspielerin und Fotografin Tina Modotti, entstand unter maßgeblicher Mitarbeit von Tiziana Trinca.
Laut einer im Mai 2023 veröffentlichten Analyse geht UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, davon aus, dass jährlich 12 Millionen Mädchen eine Kinderehe eingehen müssen. 640 Millionen der weltweit lebenden Mädchen und Frauen wurden vor ihrem 18.Geburtstag verheiratet.
Über 200 Millionen Mädchen und Frauen sind weltweit von Genitalverstümmelungen betroffen, heißt es in einer Veröffentlichung des Europaparlaments aus dem Jahr 2020. Noch heute werden in rund 30 Ländern, vorwiegend in Afrika und im Nahen Osten, weibliche Genitalbeschneidungen vorgenommen.
Seit Beginn der 1980er Jahre setzen sich Frauen- und Menschenrechtsgruppen wie Terre des Femmes verstärkt für ein weltweit selbstbestimmtes Leben von Mädchen und Frauen ein. Sie fordern ein Ende von häuslicher Gewalt, Zwangsprostitution, Zwangsheirat und weiblicher Genitalverstümmelung.
Das Hilfetelefon »Gewalt gegen Frauen« bietet Frauen unter der Nummer 08000 116016 rund um die Uhr kostenlose und anonyme Beratung in 18 Sprachen an.
Weitere Informationen unter
www.hilfetelefon.de.
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