Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 03/2024

Die Jugendlichen der Banlieues
von Gerhars Klas

Diaty Diallo: Zwei Sekunden brennende Luft. Aus dem Französischen von Nouria Behloul und Lena Müller. Hamburg: Assoziation A, 2023. 192 S., 20 Euro

Eine exotische Welt mitten in Europa: Den Jugendlichen aus den französischen Banlieues, die von der Öffentlichkeit in der Regel als Bedrohung wahrgenommen werden, hat die Bloggerin und Liedtexterin Diaty Diallo ihren Debutroman gewidmet. Sie ist selbst dort aufgewachsen und konterkariert die Klischees über die jungen Leute, die von der französischen Mehrheitsgesellschaft gepflegt werden.
Die Betonplatte zwischen den Hochhäusern ist ihr Treffpunkt, die Dächer ein Rückzugsort mit Blick über Paris, die Pyramide, ein altes Parkhaus aus Beton – am Wochenende die Party Location von Astor, Cherif, Issa, Demba, Nil und den anderen. Im Grunde genommen machen die Jugendlichen aus der Vorstadt das, was andere Jugendliche auch tun: Sport, Grillen, Musik hören, Party feiern. Sich verlieben. Und nebenbei noch die Schule, die Ausbildung oder das Studium. Der Unterschied: Auf dem Arbeitsmarkt haben sie wegen Wohnort und Hautfarbe kaum eine Chance. Und sie sind der Schikane der Polizeipatrouillen ausgesetzt, wenn sie ihren beengten Wohnungen entfliehen.
Lakonisch und mit viel Blick fürs Detail erzählt Diaty Diallo von rassistischer Polizeigewalt und unterstreicht damit ihre Alltäglichkeit. Als Samy, der kleine Bruder einer der Freunde, von der Polizei erschossen wird, wechselt Diallo den Ton und beschreibt eine enge emotionale Bindung, die der Trauer um den Verlust Ausdruck gibt. Samis Tod mündet schließlich in einen Akt der Zerstörung, der Stadtteil explodiert.
Der Bloggerin Diaty Diallo ist es mit ihrem Debutroman gelungen, den Jugendlichen der Banlieues ein Gesicht zu geben, ihre Träume und Ängste sichtbar zu machen. Sie bedient sich dabei einer unbändigen Sprache, einer Mischung aus dem Slang der Banlieues und ganz viel Poesie. Angelehnt ist der Roman an den Fall von Gaye Camara, der in der Nacht vom 16. auf den 17.Januar 2018 von der französischen Polizei getötet wurde.

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