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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 03/2024

Arabische Regierungen machen sich mitschuldig an der ethnischen Säuberung
von Angela Klein

Trotz Aufforderung des Internationalen Gerichtshofs, alles zu unternehmen, um einen Völkermord zu verhindern und die Zivilbevölkerung zu schützen, macht Israel keine Anstalten, dem nachzukommen, im Gegenteil.

Humanitäre Hilfe wird weiterhin nur tröpfchenweise nach Gaza gelassen, das Rote Kreuz sagt inzwischen, es könne in Gaza nichts mehr ausrichten. Ein Viertel der 1,5 Millionen in Rafah an der Grenze zu Ägypten Lebenden sind laut UN-Behörden vom Hungertod bedroht. Und Israel hat eine Bodenoffensive gegen Rafah angekündigt – eine Aussicht, die selbst eingeschworene Israelfreunde wie Australien, Kanada und Neuseeland zu einer gemeinsamen Stellungnahme veranlasst hat, sie werde in eine Katastrophe münden.
Die US-Regierung hat eine Warnung herausgegeben, Israel solle seine Militäroperation in Gaza nicht fortsetzen, »ohne einen glaubwürdigen Plan«, wie die Zivilbevölkerung geschützt werden kann. Wenige Tage später schob Biden hinterher, er »erwarte«, dass Israel keine massive Bodeninvasion vornehme, während Verhandlungen über eine Feuerpause über die Freilassung der Geiseln im Gange seien.
Das sind für US-Verhältnisse starke Worte. Netanyahu hat sie mit der Ankündigung quittiert, es werde »eine machtvolle Aktion« geben, um in Gaza den »vollen Sieg« zu erringen. Zivilisten dürften gehen – allerdings ist nicht klar wohin, da die Grenze zu Ägypten nach wie vor geschlossen ist. Die Ankündigung nährt in der israelischen Gesellschaft Befürchtungen, die Regierung könne die Geiseln opfern um des militärischen Siegs über die Hamas willen. Demonstrationen, die fordern, die Freilassung der Geiseln müsse oberste Priorität haben, nehmen zu, ebenso Forderungen nach Netanyahus Rücktritt.
Am 16.Januar gab es vor dem Kriegsministerium in Tel Aviv erstmal sogar eine Demonstration, die offen Israels Militäraktion im Gazastreifen kritisierte. Sie war organisiert von der jüdisch-arabischen Bewegung Standing Together und versammelte 1000 Menschen. Die Polizei griff sofort ein, verhaftete einen Aktivisten und schlug auf andere ein. Vertreter der linken Hadash-Partei klagen über die Polizeiwillkür: Demonstrierende würden automatisch tagelang in Sicherheitsverwahrung genommen und danach unter Anklage gestellt, was bedeute, dass sie bis zum Urteilsspruch in Haft bleiben.

Zeltstädte und Konzentrationslager
Auf der Seite von Defend Democracy berichtet Jean Shaoul von Diskussionen zwischen Vertretern Israels, der USA, Ägyptens und einiger Golf-Staaten mit dem Ziel, im Südwesten des Gazastreifens 15 Zeltstädte mit jeweils 25000 Zelten aufzubauen; dorthin sollen die Palästinenser verbracht werden, die in Rafah Zuflucht gesucht haben. Die Kosten dafür würden die USA und einige arabischen Staaten tragen, den Aufbau würde Ägypten übernehmen. Damit machen sich die arabischen Staaten direkt einer Mitwirkung an der ethnischen Säuberung schuldig.
Gleichzeitig zitiert Shaoul die Sinai Foundation for Human Rights, wonach Ägypten derzeit einen Grenzwall um einen acht Quadratmeilen großen Streifen im nördlichen Sinai an der Grenze zu Gaza baut – ein Konzentrationslager auf ägyptischer Seite als Notnagel für den Fall, dass die Palästinenser in Gaza versuchen sollten, die Grenzposten zu stürmen. Die Armee sei bereits dabei, die Grenze zu Gaza mit Stacheldraht zu befestigen und habe Truppen und 40 Panzer an der Grenze stationiert.
Shaoul zitiert ägyptische Beamte, sie hätten nichts gegen eine Bodenoffensive in Gaza einzuwenden, solange die Zivilbevölkerung dabei verschont bleibt. Zudem hätten sie Berichte dementiert, wonach Ägypten das Camp-David-Abkommen kündigen könnte, wenn Israel Rafah angreift.
Zu Beginn des Krieges hatte Israel vorgeschlagen, Ägypten solle den Palästinensern eine neue Heimstatt auf dem Sinai geben. Dies hatte Ägypten rundheraus abgelehnt, nicht aus Solidarität mit den Palästinensern, sondern weil dies »eine existenzielle Bedrohung für Ägyptens Sicherheit« bedeuten würde, wie Staatspräsident al-Sisi sich ausdrückte. Wenn eine Million Gazabewohner:innen über die Grenze kämen, würde dies zu erneuter »islamistischer Militanz« im Sinai führen. Damit spielte er auf die Revolte vom 25.Januar 2011 an, die den »arabischen Frühling« einläutete und den damaligen Staatspräsidenten Mubarak stürzte. Al-Sisi habe auf einer Pressekonferenz am 18.Oktober 2023 in Kairo im Beisein von Bundeskanzler Scholz geäußert, Israel könne die palästinensische Bevölkerung ja auch in der Negev-Wüste unterbringen, bis es die Hamas und den Islamischen Jihad besiegt habe.

Quellen: www.defenddemocracy.press/arab-regimes-collude-with-israels-genocide-and-ethnic-cleansing-of-gaza/ und Financial Times vom 16.2.2024.

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