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Zur Person 1. April 2024

Mustafa al-Kurd gestorben/Bombenterror tötet Refaat Alareer
von Hermann Dierkes

Am 18.Februar ist der Liedermacher, Poet und Theaterkünstler Mustafa al-Kurd in Gaza nach langer Krankheit im Kreis seiner Familie gestorben. Er gilt als Vater des palästinensichen politischen Liedes. Geboren 1945 in Jerusalem, war er schon als Kind begeistert von den verschiedenen Musikrichtungen, die hier aufeinandertrafen: die Sufi-Gesänge, arabische Oud-Musik, byzantinische Hymnen sowie palästinsische und europäische Folklore.

Als Autodidakt brachte er sich das Spielen der arabischen Laute (Oud) bei. Er vertonte u.a. Gedichte von Mahmoud Darwish und Samih al-Qasim. Für Mustafa al-Kurd waren Musik und Theater auch immer Formen des Widerstands gegen Vertreibung, Besatzung und Unterdrückung. Mehrfach wurde er verhaftet, bis er 1976 ins Exil ging. Seine politischen Lieder waren ermutigend und prägend für die junge Generation während der Zeit der ersten palästinensischen Intifada (1987–1990).
Im Exil – zunächst in Beirut, wo er sich der PLO anschloss, und von 1979 bis 1985 in Deutschland, wohin er sich mit seiner Frau, der Politikwissenschaftlerin an der Birzeit-Universität Helga Baumgarten, begab, machte er sich auch in der großen Friedensbewegung gegen die Stationierung der Mittelstreckenraketen einen Namen und warb für die Rechte der Palästinenser. Langspielplatten mit seinen Liedern wurde damals vom Pläne-Verlag veröffentlicht. Auch in anderen Ländern, so in Frankreich, konnte er Platten bzw. CDs veröffentlichen.
Die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft schrieb in einem Nachruf: »Mit Mustafa al-Kurd haben wir einen großen Künstler … des palästinensischen Volkes verloren. Wir werden seine Stimme nicht vergessen.«
Auch die SoZ drückt Helga Baumgarten und ihrem Sohn Sami Darwish ihr Beileid aus.

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Der israelische Vernichtungsfeldzug gegen Gaza richtet sich auch ganz gezielt gegen den Kultur- und Bildungsbereich, ist damit Teil des laufenden Völkermords. Hunderte von Bildungseinrichtungen, die drei Universitäten des Landes, Museen, Bibliotheken und zahlreiche schutzwürdige Gebäude wurden durch Bombardierungen und Sprengungen – häufig planmäßig – zerstört.
Über hundert Intellektuelle, Universitätsprofessoren und Lehrer wurden bis dato getötet, viele zusammen mit ihren Familien. Der international bekannte Literaturwissenschaftler, Erzieher und langjährige Mitstreiter bei der Internetzeitung Electronic Intifada, Reefat Alareer (»Gaza writes back« und »Gaza unsilenced«), zählt dazu. Er fiel dem Bombenterror am 6.Dezember an seinem Wohnsitz in Gaza-Stadt mit seiner Familie zum Opfer. Zwei Tage zuvor konnte er noch mit seiner Freundin, der international bekannten Autorin Susan Abulhawa (»Und die Welt schaut zu«) telefonieren und ihr die entsetzlichen Lebensumstände schildern.
Weltweit haben seine Freunde und Leser:innen Reefat Alareer mit seinem Lebensmotto gedacht: »Wenn ich sterbe, mußt du weiterleben, um meine Geschichte zu erzählen.« Etliche Intellektuelle – die auch über eine auswärtige Staatsangehörigkeit verfügen – haben das Land verlassen und versuchen, sich im Exil durchzuschlagen.

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