Grünheide sagt Nein zu Teslas Expansionsplänen
von Heidemarie Schroeder
Ganz Brandenburg jubelt Tesla zu? – nicht doch: In Grünheide stellt sich die Bevölkerung auf die Hinterbeine.
Unter »Wahrung der Geheimhaltung« gab die SPD-Landesregierung 2019 Elon Musk den Zuschlag, in Grünheide die vielleicht größte E-Auto-Fabrik Europas zu bauen. Was dies für das Landschaftsschutzgebiet »Müggelspree – Löcknitzer Wald- und Seengebiet«, seine streng geschützten Tierarten und seine Bevölkerung bedeuten würde, war ihr keine nähere Betrachtung wert. Insbesondere, dass auf dem Teslagelände wenige Meter unter dem Waldboden ungeschützt Grundwasser im märkischen Sand verläuft, das für die Speisung von Trinkwasserbrunnen für die Bevölkerung essentiell ist, hätte die Politiker im Vorfeld zum Nachdenken anregen sollen. Industrieansiedlungen, die trinkwasserrelevante Schadstoffe produzieren, sind hier nämlich laut Wasserschutzgesetz verboten.
Auf die Umweltbehörden kam also viel Arbeit zu, mussten sie doch etwas genehmigen, was sich eigentlich verbot. Um die Werksentstehung dennoch in »Teslageschwindigkeit« zu ermöglichen, nutzten die Behörden den §8a des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Dieser gestattet es einem Investor, sein Vorhaben mittels »Zulassungen zum vorzeitigen Baubeginn« fertigzustellen, bevor die Genehmigung vorliegt.
Das Wasserhaushaltsgesetz, das nicht nur die Lage der Fabrik im Wasserschutzgebiet, sondern auch ihren künftigen Wasserbedarf in einer der trockensten Regionen Deutschlands berücksichtigt hätte, wurde damit ganz bewusst umgangen. Einwände, die Anwohner:innen, Umweltschutzverbände oder der lokale Wasserverband vorbrachten, nutzten die Behörden nur, um ihnen im finalen Genehmigungsbescheid mit entsprechenden Formulierungen zu begegnen.
Während den Anwohner:innen und auch den Berliner Ausflüglern so richtig erst mit der zunehmenden Entwaldung des Areals für die Ausbaustufe 1 klar wurde, wie gigantisch groß 440 Fußballfelder zubetonierter Fläche sind, plant Tesla aktuell eine zweite Ausbaustufe und greift nach weiteren 120 Hektar Wald. Ein Güterbahnhof, der 2020 noch auf dem ursprünglichen Gelände geplant war, würde dort nun keinen Platz mehr finden, ebenso Lagerhallen, da die alte zur Batteriefabrik »umgewidmet« worden war. Damit es nicht später wieder Ärger gibt, beantragte die Gemeinde bei der unteren Wasserbehörde vorsorglich die Befreiung von den Restriktionen, die die Lage im Wasserschutzgebiet mit sich bringt.
Ein gallisches Dorf
Diese und weitere Tricks und Machenschaften von Politik und Behörden blieben der ortsansässigen Bevölkerung nicht verborgen. Lokalen Bürgerinitiativen schlossen sich immer mehr überregionale Gruppen an, die eine echte Verkehrswende in einem besseren ÖPNV, dem Ausbau von Fuß- und Radwegen und kleineren Autos sehen und nicht in einem bloßen Antriebswechsel bei großen, schweren Automobilen. Zudem gerieten die Arbeitsbedingungen bei Tesla, die Ausbeutung des globalen Südens für die hier benötigten Rohstoffe und das Verhalten des angeblich genialen Investors auf seinen anderen Betätigungsfeldern immer mehr in die Kritik.
Der Verkauf der 120 Hektar Wald an Tesla sollte am 14.März durch die Gemeindevertreter beschlossen werden. Immer größerem Druck aus der Bevölkerung ausgesetzt, entschlossen sie sich, erstmalig diese Bevölkerung um ihre Meinung zu fragen. Die Grünheider:innen nahmen die ihnen gegebene Chance wahr – mit der größten Wahlbeteiligung seit 1990.
Das Wahlergebnis fiel mit knapp zwei Dritteln der Stimmen sehr eindeutig gegen eine Ausweitung des Tesla-Industriegebiets aus.
Obwohl in den weit verstreuten Ortsteilen der Gemeinde Grünheide nur ein Teil der Menschen momentan die Nachteile der Ansiedlung von Großindustrie zu spüren bekommt, scheint diesen der hypothetische Fortschritt und der versprochene Wohlstand weniger wert zu sein als der zunehmende Verlust ihrer von Wäldern und Seen geprägten Umgebung.
Während der Wahlwochen wurde in der Gemeinde heftig über die Bedeutung des verlorenen Waldes als CO2-Senke, über die nur begrenzte Verfügbarkeit von sauberem Trinkwasser und vor allem über das Vorgehen der Kommunal- und Landesregierung diskutiert, die zu wissen glaubt, was für die Grünheider:innen ein »Sechser im Lotto« wäre. Menschen, die im menschlichen Innovationsgeist die Lösung aller menschgemachten Probleme sehen, standen solchen gegenüber, die bezweifeln, dass der Kahlschlag der Brandenburger Wälder dafür hilfreich oder als »Kollateralschaden« hinzunehmen sei.
Das Votum der Einwohner:innen ist für die Gemeindevertreter nicht bindend, dennoch gaben etliche von ihnen an, sich daran halten zu wollen. Misstrauisch macht jetzt, daß die Abstimmung über den Bebauungsplan vom Bürgermeister zurückgezogen wurde. Die Gegner des Planes befürchten nun, dass dieser leicht überarbeitet und dann ohne Einwohnerbefragung erneut auf den Tisch kommen könnte.
Zahlreiche Klimaaktivisten hatten deshalb zum 10.März zu einer Demonstration aufgerufen. Nicht nur Gruppen aus Deutschland nahmen daran teil, auch internationale Gruppen, für die der Schwenk zu E-Mobilität negative Umweltauswirkungen hat. Zwischen 50 und 100 Aktive von Robin Wood oder Wald statt Asphalt versuchen zudem, das betreffende Waldstück mittels errichteter Baumhäuser zu schützen. Sowohl die über tausend Menschen, die am 10.März an der Demonstration teilnahmen, als auch die Leute im Waldcamp forderten mittels eigens komponierter Lieder, Konzerten und Vorträgen dazu auf, einen weiteren Teslagigantismus zu stoppen.
Am Morgen zum 5.März brannte ein Hauptstrommast in der Region. Der Anschlag legte die Stromversorgung Teslas für eine Woche lahm. Die Tat soll auf das Konto der als linksextrem eingestuften Vulkangruppe gehen. Sofort stellten Politik und viele Medien eine Verbindung zu dem – von der Polizei genehmigten – Waldcamp und den Teslagegnern insgesamt her. Im Landtag wurde der Ruf nach einer Verschärfung des Demonstrationsrechts laut, man übergab den Fall gar an den Generalbundesanwalt.
Alle am Camp und der Demonstration Beteiligten distanzierten sich öffentlich von Gewalt. Helfen wird ihnen das kaum: Die Räumung des Camps wird aktuell erwartet. Die Grünheider haben die jungen Klimaaktivist:innen inzwischen vielfach besucht und kennengelernt. Wird ihr Camp gewaltsam geräumt, wird das nicht deren Zustimmung finden. Auf noch größere Ablehnung wird treffen, wenn das jetzt besetzte Waldstück entgegen dem Bürgerentscheid in ein Tesla-Industriegebiet umgewandelt wird.
Die Autorin ist aktiv bei der Wassertafel Berlin-Brandenburg, www.wassertafel.org.
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