Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2024

von Albrecht Kieser

Das AfD-Grundsatzpapier »Konzept zur Sozialpolitik« von 2020 nennt nur zwei Forderungen zur Bekämpfung der Armut. Die erste: »Wir erhöhen die Freibeträge für Gering- und Normalverdiener auf 12600 Euro!« Das sind sage und schreibe 96 Euro mehr als der aktuelle Steuerfreibetrag von 11604 Euro. Was für eine Offenbarung an Unkenntnis und Gleichgültigkeit!

Genauso die zweite Forderung: »Wer lange in die Rentenkasse eingezahlt hat, sollte auch bei einem geringeren Einkommen bessergestellt werden als Personen, die größtenteils arbeitslos waren.« Das soll mit Hilfe eines Freibetrags in Höhe von 25 Prozent geschehen, der Armutsrentnern beim Bezug von Grundsicherung nicht angerechnet werden darf. Allerdings liegt dieser Freibetrag derzeit bereits bei 30 Prozent. Außerdem keilt die AfD bei dieser Gelegenheit gegen Langzeitarbeitslose. Sie will nämlich das faule Pack ans Arbeiten kriegen: »Während der Erwerbsphase lohnt es sich damit, auch Tätigkeiten mit geringem Einkommen anzunehmen.« Schröders Niedriglohnsektor freut es.
Das war’s an Armutsbekämpfung in diesem AfD-Papier, eine Fortentwicklung des Grundsatzprogramms von 2016. Dort wurde sogar nur eine einzige Forderung zur Armutsbekämpfung erhoben, die »Beibehaltung des Mindestlohns«. Wie hoch? Beredtes Schweigen.

Findet sich im AfD-Programm zur Bundestagswahl 2021 mehr? Ja, ein gewerkschaftliches U-Boot muss diese Forderung eingeschleust haben: »Leiharbeitnehmer werden vergleichbaren Stammarbeitnehmern hinsichtlich der Entlohnung ab dem ersten Arbeitstag mindestens gleichgestellt. Um dem erhöhten Kündigungsrisiko und der erwarteten Flexibilität der Leiharbeitnehmer Rechnung zu tragen, wird eine Flexibilitätsprämie eingeführt.«
Diese Forderung bleibt allerdings eine glitzernde Eintagsfliege, danach wird es wieder trübe: »Die AfD setzt sich für eine Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I in Abhängigkeit von der Dauer der Vorbeschäftigung ein.« Das ist längst schon Realität. Wer nicht sagt, für welchen Zeitraum der Bezug von ALG I über die jetzigen maximal zwei Jahre hinaus gewährt werden soll, ist ein Trickdieb. Besonders wenn er gleichzeitig Langzeitarbeitslose in den Niedriglohnsektor pressen will.

Das war’s 2021 mit der Armutspolitik. Nur gegen die zunehmende Obdach- und Wohnungslosigkeit wird noch »die sofortige Einführung einer bundesweiten zentralen Statistik zur Erfassung der Wohnungs- und Obdachlosigkeit« gefordert. Die war zu dem Zeitpunkt bereits beschlossen und wurde 2023 zum erstenmal vorgelegt. Was natürlich an der steigenden Obdachlosigkeit nichts ändert.
Auch das brandaktuelle Europaprogramm der Partei von 2023 bietet nicht mehr. Eine halbe Seite von 52 Seiten, auf der wir lesen dürfen, die Freizügigkeit von EU-Bürgern müssen beschränkt werden, »wenn sie vornehmlich dem Zweck des Bezugs von Sozialleistungen in Deutschland dient«.
Leute, wie doof seid ihr eigentlich? Auch dieser Scheiß ist längst Gesetz!
Fazit gefällig? Unkenntnis, Gleichgültigkeit, Wüste. Und Wühlen in altem Dreck.

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