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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 05/2024

Das neue Buch der französischen Bestsellerautorin
von Gerhard Klas

Isabelle Autissier: Acqua Alta. Aus dem Französischen von Kirsten Gleinig
Hamburg: mare, 2024. 208 S., 23 Euro

Kunst kann Wahrheit vermitteln. Das lernt Lea, die Tochter eines einflussreichen Stadtrats, in ihrem Studium.
Anhand der Gemälde zweier venezianischer Künstler aus dem 16. und 17.Jahrhundert erkundet sie in einem Seminar die allmählichen Veränderungen, die die Venedig heimsuchen. Ihr engagierter Professor nimmt die Studierenden mit an die Orte, wo Künstler vor vielen hundert Jahren ihre Staffeleien aufgebaut und die Stadt porträtiert haben. Ihre Bilder belegen den allmählichen Untergang Venedigs.
Das neue Buch von Isabelle Autissier ist sehr gut recherchiert. Die französische Bestsellerautorin ist tief in die venezianische Kunstszene, den außergewöhnlichen historischen Erfahrungsschatz der Stadt im Kampf mit den Naturgewalten und die aktuelle Bedrohung durch den Anstieg des Meeresspiegels eingetaucht. Die 18jährige Lea wird gewahr, dass sich seit ihrer Geburt die Hochwasserereignisse verdoppelt haben. Sie meint, die tausendjährigen Pfeiler ächzen zu hören, auf denen Venedig steht.
Ihr Vater, der Stadtrat Guido Malegatti, der mit Immobiliengeschäften reich geworden ist und den Tourismus als wichtigste Einkommensquelle der Stadt betrachtet, lässt sich davon nicht beunruhigen. Ausgestattet mit einem großen Ego und Freude an der Macht setzt er auf 77 gigantische Flut-Tore, die Venedig auch bei einem weiteren Anstieg des Meeresspiegels schützen sollen.
Lea entwickelt sich im Laufe des Romans von einer eigenwilligen Heranwachsenden zur radikalen Umweltaktivistin. Der Konflikt mit ihrem Vater und ihrer Mutter Maria, die aus einer venezianischen Dynastie stammt und in alten Zeiten schwelgt, ist vorprogrammiert. Die familiären Beziehungen geraten unter Druck und eskalieren schließlich.
Isabelle Autissier hat mit ihrem neuesten Roman ein hochaktuelles Thema vor dem Hintergrund einer spannungsgeladenen Familiengeschichte bearbeitet. Eine Geschichte, die Verdrängung und Wegschauen angesichts der Klimakrise und ihrer Konsequenzen schonungslos offen legt, ohne dabei moralisierend zu wirken.

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