Bundesweiter Zivilklauselkongress an der Goethe-Universität Frankfurt am Main 2024
von Mirjam Teichmann
Am 16. und 17.März 2024 trafen sich etwa 60 Aktivist:innen der Friedens- und Zivilklauselbewegung, darunter Studierende, Gewerkschaftler:innen, Wissenschaftler:innen und Friedensaktivist:innen auf dem Zivilklauselkongress an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Sie wurde unter anderem von der bundesweiten Initiative »Hochschulen für den Frieden – Ja zur Zivilklausel« organisiert. Sie wird getragen von der hessischen Landesastenkonferenz (LAK), der Deutsche Friedensgesellschaft/ Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen und dem SDS.
Die Stimmung war kämpferisch. Im Fokus stand die Auseinandersetzung mit den aktuellen Angriffen auf die Zivilklauseln an Universitäten und Forschungseinrichtungen. Seit 1986 verpflichten sich über 70 Hochschulen, ausschließlich für friedliche und zivile Zwecke zu forschen, was in der sog. Zivilklausel festgehalten wurde. Sie ist ein Ergebnis demokratischer Auseinandersetzungen an den Hochschulen und wurde von universitären Selbstverwaltungsgremien beschlossen.
Besonders in den heutigen Zeiten der auflebenden kriegerischen Konflikte machen Militär, Rüstungsindustrie und Staat große Anstrengungen, Hochschulen in den Dienst der Rüstung und des Kriegs zu stellen. Die Zivilklauseln sollen abgeschafft werden, um Kapital aus universitärer Forschung zu generieren. Gegen diese Versuche stellten sich die Aktivist:innen beim Zivilklauselkongress.
Den Auftakt machte Christoph Marischka von der Informationsstelle Militarisierung (IMI. Er sprach über die Militarisierung der Forschungsprozesse und erläuterte, wie das Militär langfristig und strategisch in Zusammenarbeit mit Industrie und einigen Kapitalfraktionen Einfluss auf Technologieentwicklung und Gesellschaft nimmt.
Wolfgang Liebert von der Universität für Bodenkunde in Wien lieferte einen erhellenden Beitrag über die Dual-Use-Forschung und deren Problematik. Im Rahmen der »zivilen Sicherheitsforschung« wird bereits heute Forschung für militärische Zwecke missbraucht und für Kriegszwecke genutzt. Das betrifft überwiegend die Forschung im Bereich der künstlichen Intelligenz und unbemannter Systeme wie Drohnen, die schon im Krieg um Bergkarabach eingesetzt wurden und jetzt in Gaza und in der Ukraine eingesetzt werden.
Neue Berufsverbote?
Im Anschluss berichteten Aktivist:innen aus ganz Deutschland von ihren Kämpfen um bestehende Zivilklauseln, deren Bestand bedroht ist, bzw. gegen die massive Ablehnung einer Einführung derselben. Katastrophale Zustände herrschen beispielsweise in Bayern. Dort hat das Landeskabinett ein Gesetz beschlossen, das Schulen und Hochschulen dazu verpflichtet, mit der Bundeswehr zu kooperieren, und Zivilklauseln verbietet. Trotz verschiedener Aktionen von Aktivist:innen, trotz Widerspruch der GEW und des Landesstudierendenrats konnte dieser Beschluss bisher nicht gekippt werden.
Am Sonntag folgte ein Podium über Wissenschaftsfreiheit und deren antifaschistischen Gehalt im Grundgesetz. Ein Genosse berichtete von Repressalien durch die TU München. Ihm wurde 2022 die Anstellung untersagt, weil er ehemals Mitglied des SDS gewesen sei, als Marxist gelte und Themen wie Kapitalismus behandle.
Wissenschaft und Frieden
Die beiden letzten Vorträge hielten Jürgen Scheffran von der Uni Hamburg und Andreas Keller von der GEW über die Rolle der Hochschulen für Frieden und Internationalismus. Scheffran ging auf die Geschichte der Wissenschaftskooperationen für Frieden und Umweltschutz seit dem Kalten Krieg ein. Keller betonte im Anschluss, dass Wissenschaft niemals wertefrei sei, sondern in historischer und politischer Verantwortung stehe. Dieser Verantwortung sollten sich alle Forscher:innen bewusst sein, sie müsse im Forschungsprozess mitgedacht werden. Die Zivilklausel helfe dabei, die Auseinandersetzung nicht einzelnen Forscher:innen zu überlassen und stattdessen ein breites Bündnis mit klaren Regeln aufzustellen.
Zum Abschluss plädierten die Teilnehmer:innen für eine Grundfinanzierung der Hochschulen, statt diese in Wettbewerbsmechanismen zu drängen und zu entdemokratisieren. Gerade der Zwang, dass Fachbereiche möglichst viele Drittmittel einwerben müsse, führe dazu, dass es häufiger zu Kooperationen mit der (Rüstungs-)Industrie kommt, die die Forschungsergebnisse dann für die Weiterentwicklung von Kriegswerkzeug nutzt. Universitäre Forschung sollte das Ziel haben, zu einer humanen, friedlichen und demokratischen Entwicklung des gesellschaftlichen Zusammenlebens beizutragen. Zivilklauseln müssen ausgebaut werden; das Lernen und Forschen soll ausschließlich menschenwürdigen Entwicklungen dienen, statt Kriege zu befeuern.
Gegen die Militarisierung der Bildung
Universitäten sind nicht die einzigen Bildungseinrichtungen, die mit der stärker werdenden Militarisierung zu kämpfen haben. Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger forderte zuletzt Zivilschutzübungen und ein »unverkrampftes« Verhältnis zur Bundeswehr an Schulen. Die Landesschüler:innenvertretung NRW wehrt sich dagegen und fordert eine sachliche Aufklärung statt uniformierter Propaganda.
Kein Krieg kann ohne die Einbindung von Wissenschaft geführt werden, denn globale militärische Aufrüstung ist immer auch mit technologischem Wettrüsten in Konkurrenz um die bestentwickelten Gewaltmittel verbunden.
Hochschulen müssen unabhängig bleiben und dürfen nicht für Kapital und Krieg missbraucht werden! Gerade in Zeiten, die massiv durch gewaltvolle Konflikte geprägt sind, gilt es, sich gegen den rücksichtslosen Versuch der Militarisierung der Hochschulen zu stellen.
Gegen universitäre Forschung, die Kriege unterstützt!
Für eine Universität ohne Kriegstreiberei!
Die Autorin studiert Politikwissenschaft.
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