Lauterbachs Krankenhausreform ist gut kaschierter Neoliberalismus
von Laura Valentukeviciute
Als Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eine »Krankenhausrevolution« ankündigte, waren die Hoffnungen groß. Denn unser System ist wirklich am Limit: Das Personal ist verheizt und zu knapp, Krankenhäuser schließen, die Versorgung der Patient:innen leidet unter dem Finanzierungssystem der DRG-Fallpauschalen (DRG – Diagnosis Related Groups). Lauterbach benannte die Probleme richtig – nur die Lösungen, die er und seine Reformkommission für moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung präsentierten, sind grundfalsch.
Das Hauptproblem der Reform ist, dass sie von neoliberalen Gesundheitsberater:innen ausgearbeitet wurde. Lauterbach selbst verfolgt seit rund zwanzig Jahren eine neoliberale Agenda. Er war nicht nur an der Einführung der DRG-Fallpauschalen federführend beteiligt, er forciert auch die Schließung zahlreicher Krankenhäuser der Allgemeinversorgung. So pflichtete er 2019 den Kahlschlagfantasien der Bertelsmann-Stiftung mit den Worten bei, jeder wisse, »dass wir in Deutschland mindestens jede dritte, eigentlich jede zweite, Klinik schließen sollten«. Schon im Jahr 2003 rechnete er in seinem Buch DRG in deutschen Krankenhäusern vor, dass 1410 der damals 2242 Krankenhäuser überflüssig seien.
Seine Argumente für die Schließungen sind die Qualität (sie sei bei weniger Kliniken höher), die Personalnot (die Beschäftigten müssten in weniger Kliniken konzentriert werden) und seit neuestem die fehlenden Finanzen (wir könnten uns nicht alle Krankenhäuser leisten).
Bisher hat sein Ministerium zwei Gesetze ausgearbeitet, die diese Probleme angehen sollen. Sie verfehlen aber bei genauerem Hinschauen das Ziel. Genauer gesagt sollen sie diese Probleme gar nicht lösen, sondern das bisherige System aufrechterhalten, die Rhetorik von Lauterbach soll dies nur kaschieren.
Rund 350 Krankenhäuser werden faktisch geschlossen
Die Reform besteht maßgeblich aus drei Säulen: »Leistungsgruppen«, »Versorgungslevel« und »Vorhaltefinanzierung«.
Die Einführung von Leistungsgruppen und Versorgungslevel soll eine bessere Qualität mit sich bringen, verspricht Lauterbach. Mit der Vorhaltefinanzierung soll die Ökonomisierung der stationären Versorgung überwunden werden. Das klingt zunächst positiv. Bei genauerem Hinschauen stellt sich aber heraus: Durch Einteilung der Krankenhäuser in Level und – das Wichtigste dabei – durch Umwandlung der kleinen Krankenhäuser der Allgemeinversorgung in hauptsächlich ambulante, sektorenübergreifende Versorger (früher Level I genannt) werden rund 350 Krankenhäuser auf einen Schlag als solche de facto geschlossen.
Diese Kritik vom Bündnis Klinikrettung wurde auf dem Deutschen Ärztetag Anfang Mai bestätigt: »Einrichtungen unter pflegerischer Leitung ohne Notfallambulanz, in denen nachts kein Arzt anwesend ist, sind im Grunde keine Krankenhäuser und können die stationäre Grundversorgung nicht sicherstellen.«
Durch die Einführung der Leistungsgruppen werden zahlreiche weitere Kliniken Abteilungen abbauen oder ganz schließen müssen. Denn wenn sie die Kriterien für die Leistungsgruppen nicht erfüllen, dürfen sie die entsprechenden Behandlungen nicht mehr anbieten. Auch das ist eine Kritik des Bündnisses Klinikrettung, die inzwischen vom Vizechef der Krankenhausgesellschaft NRW bestätigt wurde: »Kleinere Häuser mit 150 oder 200 Betten werden Probleme bekommen, wenn denen zwei oder drei Leistungsgruppen gestrichen werden, müssen die dicht machen.«
Schließlich leisten die sogenannten Vorhaltepauschalen trotz ihres Namens keine Deckung der Kosten für die Vorhaltung von Personal und Ausstattung. Genauso wie die bisherigen DRG-Fallpauschalen sind sie von Fallzahlen und Mengenvorgaben abhängig. Die aktuell unzureichende Krankenhausvergütung wird lediglich umverteilt, nicht erhöht. Daher werden weiterhin Kliniken insolvent gehen, während Krankenhauskonzerne mit Beitragsgeldern Gewinne machen.
Alternativen
Dabei liegen echte Lösungen auf der Hand: Um aus dem neoliberalen Hamsterrad auszubrechen und eine qualitativ hochwertige, wohnortnahe und bezahlbare Krankenhausversorgung zu sichern, benötigen wir eine demokratische Bedarfsplanung, eine Selbstkostendeckung und eine Rekommunalisierung der Krankenhäuser.
Die Reform ist noch nicht verabschiedet. Aktuell breitet sich eine Torschlusspanik aus, die eine ehrlichere Debatte möglich macht. Wenn jetzt viele Verbände, aber auch viele Menschen deutlich machen, dass sie die Reform ablehnen, können die schlimmsten Spitzen noch gebrochen werden.
Das Bündnis Klinikrettung plant einen Protest zur diesjährigen Gesundheitsministerkonferenz am 12. und 13.Juni in Lübeck. Mitmachen und unseren Protest unterstützen! Mehr Informationen auf www.klinikrettung.de.
Die Autorin ist Sprecherin vom bundesweiten Bündnis Klinikrettung.
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