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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 07/2024

Nona Fernández: Twilight Zone. Aus dem Spanischen von Friederike von Criegern. Hamburg: Culturebooks, 2024. 240 S., 24 Euro
von Gerhard Klas

Diktaturen wie die von Augusto Pinochet in Chile hinterlassen tiefe gesellschaftliche Traumata. Ihre Aufarbeitung ist ein mühevolles Unterfangen, das nur selten gelingt. Ein großer Wurf ist deshalb der neue Roman Twilight Zone der preisgekrönten chilenischen Schriftstellerin Nona Fernández.

Die Autorin hat zahlreiche Biografien von Folterern und Gefolterten, Verschwundenen und Überläufern rekonstruiert. Aus Filmen, Tonaufnahmen, schriftlichen Notizen und ihrem persönlichen Einfühlungsvermögen hat sie ein vielschichtiges Porträt der Diktatur, ihrer Täter und Opfer, aber vor allem auch ihrer unzureichenden Aufarbeitung nach dem Ende des Pinochet-Regimes gezeichnet und zu einem Drama zusammengefügt.
Ausgangspunkt ist die Begegnung einer Journalistin mit dem ehemaligen Geheimdienstagenten Andres Valenzuela. Eine wahre Begebenheit. Mit dem Titel »Ich habe gefoltert« und dem Foto Valenzuelas machte 1985 die Oppositionszeitung Cauce auf. Nona Fernández war damals 14 Jahre alt und begeistert von der Science Fiction-Fernsehserie Twilight Zone, in der es um unwahrscheinliche Geschichten und unbekannte Dimensionen geht. Das waren für die Schülerin ebenso fremde Welten wie die Folterzentren und Geheimgefängnisse, in denen bis 1990 Oppositionelle verschwanden und häufig nie mehr wiederkehrten.
Das Pinochet-Regime versuchte die Gräueltaten zu verdecken, die Familien und Freunde der Verschwundenen wurden über den Verbleib ihrer Liebsten im Ungewissen gelassen. Die Autorin verwebt in ihren Schilderungen immer wieder Fiktion und Realität. Ein bewusst gewähltes Stilmittel: So lässt sie ihre Leser:innen die Mechanismen der Manipulation und das Gefühl der Desorientierung nachspüren.
Twilight Zone ist eine Mischung aus Autobiografie und politischer Erzählung, geprägt vom Ringen um Erinnerung und Gerechtigkeit. Der Roman mahnt zum genauen Hinsehen und Zuhören. Die wachsende Anhängerschaft für autoritäre Regierungsformen hier in Europa macht das Buch zu einer aktuellen Lektüre.

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