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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 07/2024

Eine radikale Abrechnung mit der kapitalistischen Weltordnung
von Rolf Euler

Ulrich Brand, ­Markus Wissen: Kapitalismus am Limit. München: Oekom, 2024. 320 S., 24 Euro

Ulrich Brand und Markus Wissen haben zu ihrem ersten Buch, Imperiale Lebensweise, nun nachgelegt und eine fulminante und radikale Abrechnung mit der kapitalistischen Weltordnung verfasst. Sie gehen dabei noch stärker auf die Produktionsweise ein, mit der Natur und Mensch ausgebeutet werden.

Die ungleichen Verhältnisse, die Zerstörung der Lebensgrundlagen und die Klimakrise sind ihnen Anlass, auch die Ausweichstrategien der politischen Kräfte in Richtung »grünes Wachstum« zu kritisieren. Sie wollen zu einer »Stärkung solcher Praxen beitragen, die die Grenzen des Kapitalismus in einem emanzipatorischen Sinn zu überschreiten versuchen«.
Dabei werfen sie den Blick zurück auf die Sklaverei, die überhaupt den europäischen Reichtum ermöglichte, und auf den rassistisch geprägten Aufstieg des Kapitalismus. Sie bemängeln die unkritische Übernahme des Begriffs »Anthropozän«, ziehen den Begriff »Kapitalozän« vor, weil damit »die Ursache der Krise in den Strukturmechanismen kapitalistischer Gesellschaften sowie in deren kolonialer Geschichte und Gegenwart verortet« wird.
Folgerichtig wird der »grüne Kapitalismus« als weitere Stufe einer Wachstums- und Ausbeutungsstrategie beschrieben, wobei unter der politischen Agenda »Kampf gegen den Klimawandel« von den fossilen Interessenten und Konzernen nichts Entscheidendes an Veränderung zugelassen wird. Eine propagierte »Dekarbonisierung … suggeriert, dass die ökologische Krise mit der versöhnlerischen Zauberformel … vom grünen Wachstum« überwunden werden könne.
Das Buch behandelt ausführlich die Spannungen, die weltweit durch die Krisen und durch den Versuch entstehen, ihnen mit mehr Globalisierung, aber auch teilweiser Entglobalisierung entgegenzuwirken. Es beschreibt, wie ökonomische und ökologische Krisen eine politische Reaktion befördern, bei der autoritäre Regimes immer mehr Zulauf finden. Weil das liberale Denkmodell nicht in der Lage ist, die grundlegenden Widersprüche zu erwidern, macht sich unter dem Begriff »keine Eingriffe in die Freiheit« – etwa des Auto- und Flugverkehrs – eine radikal umweltschädliche Politik breit.
Das Buch fordert eine Ausweitung demokratischer Verfahren zur Reduzierung der Mensch und Umwelt schädigenden Produktionen fossiler Stoffe, nimmt Stellung gegen die unsinnigen Luxuskonsumgüter, fordert nützliche Verbote.
Die Autoren schreiben: »Sinnvoller … wäre es dagegen, innezuhalten und zu fragen, was gesellschaftlich notwendig ist und so produziert werden kann, dass … die Lebensgrundlagen der Menschen hierzulande, anderswo und in der Zukunft nicht zerstört.« Sie enden mit vielen Vorschlägen zu »solidarischer Resilienz« und »transformativer Praxis«.
Hier trifft sich das Buch mit Pluriversum. Ein Lexikon des Guten Lebens für alle (AG SPAK, 2023) in inhaltlicher und kritischer Deutlichkeit (siehe SoZ 6/24).

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