Für globalen Frieden, Ökologie und soziale Gleichheit
von Kai Böhne
«Du brauchst nur aufzuheben, was dir vor die Füße fällt«, erzählte Maria Mies der Taz-Autorin Elisabeth Meyer-Renschhausen, während sie auf einem Spaziergang gesammeltes Fallobst schälte und klein schnitt, um es zu Kompott zu verarbeiten. Meyer-Renschhausen hatte die Soziologin im Oktober 2018 für ein Porträt in einem Kölner Altenheim besucht.
Maria Mies konnte auf ein erfülltes Leben zurückblicken. Sie nutzte die Chancen, die sich ihr boten und versuchte stets, Theorie und Praxis miteinander zu verbinden.
1931 wurde sie als siebtes von zwölf Kindern einer Bauernfamilie in der Vulkaneifel geboren. Glückliche Fügungen, ihre Begabung und ihre Neugier verhalfen ihr zu einer höheren Schulbildung. Nach einem pädagogischen Studium arbeitete sie als Lehrerin. In den Sommerferien knüpfte sie auf sozialen Workcamps internationale Kontakte. Eine Bewerbung beim Goethe-Institut war erfolgreich, von 1963 bis 1968 arbeitete Mies für die Bildungseinrichtung in Indien. Dort entstand eine lebenslange Bindung an das Land zwischen Arabischem Meer und dem Golf von Bengalen.
Nach Beendigung ihrer Tätigkeit in Indien kehrte Mies in die Bundesrepublik zurück, wo sich ausgehend von den Studentenrevolten an den Hochschulen grundlegende gesellschaftliche Veränderungen zu vollziehen schienen. Maria Mies beteiligte sich an Protesten gegen den Vietnamkrieg, die Notstandsgesetze und weitere Aufrüstung. Sie studierte Soziologie und forschte an der Universität Köln zum Patriarchat in Indien und Deutschland. Ihre Dissertation von 1971 trug den Titel »Rollenkonflikte gebildeter indischer Frauen«.
Von 1972 bis 1993 lehrte Maria Mies Soziologie im Fachbereich Sozialpädagogik an der Fachhochschule Köln. Schwerpunkte ihrer Lehre waren Frauenforschung, Familien- und Randgruppensoziologie. 1976 gründete sie mit ihren Studierenden das erste autonome Frauenhaus gegen häusliche Gewalt in Deutschland. In den 80er Jahren beteiligte sie sich am Kampf gegen die Gen- und Reproduktionstechnik und unterstützte die Frauen-Friedensbewegung.
Ende der 90er Jahre engagierte sich Mies gegen ein Welthandelsabkommen im Interesse der Großkonzerne. In einem Attac-Frauennetzwerk stritt sie gegen die kapitalistische Globalisierung. Mit der indischen Atomphysikerin und Aktivistin Vandhana Shiva verfasste sie das Buch Ökofeminismus – die Befreiung der Frauen, der Natur und unterdrückter Völker. Am 15.Mai 2023 starb die Soziologin im Alter von 92 Jahren.
»Mit ihrer internationalen Expertise, ihrer Weitsicht und ihrem analytischen und gleichzeitig visionären Denken gab sie der Frauenforschung neue innovative Impulse«, heißt es in einer posthumen Würdigung des Kölner Instituts für Geschlechterstudien. »Maria Mies bleibt aufgrund ihrer beeindruckenden Lebensgeschichte, ihrer herausragenden wissenschaftlichen Leistung als Hochschullehrerin und ihrem außergewöhnlichen zivilgesellschaftlichem Engagement für Frauenrechte, globalen Frieden und Ökologie eine Inspiration für Gegenwart und Zukunft.«
Ihr Einsatz »gegen Militarismus sowie für Emanzipation und Solidarität mit den ausgebeuteten und unterdrückten Menschen weltweit«, schrieb der Journalist Peter Nowak in einem Nachruf »bleibt unvergessen«.
Nachlass
In einer Rezension zu Maria Mies’ Lebensgeschichte Das Dorf und die Welt äußerte die Biologin, Soziologin und wissenschaftliche Weggefährtin Renate Klein den Wunsch: »Ich kann nur hoffen, dass die Lebensgeschichte von Maria Mies mit all ihrem Mut, Humor, Intellekt und all ihrer Leidenschaft junge wie ältere Frauen inspirieren wird, so dass wir gemeinsam das nächste Kapitel des Feminismus beginnen können.«
Der Nachlass von Maria Mies wird vom Kölner Frauengeschichtsverein verwaltet und Interessierten zugänglich gemacht.
Zum ersten Todestag der Frauenrechtlerin und Streiterin für ressourcenorientiertes Wirtschaften erinnert der Verein mit einer Briefmarke an ihr Lebenswerk. Ermöglicht wurde die Herstellung der Briefmarke durch die finanzielle Unterstützung der Stiftung »Frauen*leben in Köln«. Die erste Auflage beträgt 9000 Exemplare und ist für den Eigenbedarf des Frauengeschichtsvereins gedacht. Einigen Fraueneinrichtungen und Frauenprojekten wurden Marken zum Frankaturwert angeboten. Der Frauengeschichtsvereins setzt sich auch dafür ein, eine Kölner Straße nach Maria Mies zu benennen.
Eine ausführliche Würdigung des Frauengeschichtsvereins findet sich in SoZ 7-8/2023. Kontakt: info@frauengeschichtsverein.de
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