Oben bleiben – auch in Köln!
von Angela Bankert
Die Stadt Köln will schon wieder einen Stadtbahntunnel quer durch die Innenstadt buddeln: vom Heumarkt bis zum Aachener Weiher und ein Abzweig quer unter dem Mauritiusviertel (Linie 9).
Das würde bedeuten:
– Eine milliardenteure und jahrzehntelange Großbaustelle in der Innenstadt. Bisher sind mit 900 Millionen Euro viel zu niedrige Kosten veranschlagt, Preissteigerungen und archäologische Funde werden vorhersehbar dazu kommen.
– Eine dauerhafte Zerschneidung von Heumarkt und Mauritiusviertel durch die neuen Tunnelrampen.
– Lange Wege an den Haltestellen, an Neumarkt und Rudolfplatz geht es hinunter bis zur 4.Tiefebene.
– Verkehrschaos, u.a. durch jahrelange Trennung der Bahnlinien am Neumarkt.
– Rund 100000 Tonnen CO2-Ausstoß pro Tunnelkilometer.
Als Gründe für den Tunnelbau werden ins Feld geführt:
»Die Ost-West-Achse soll entlastet werden.«
Aber der Tunnel bringt keine Erhöhung der Kapazitäten gegenüber dem oberirdischen Ausbau, es sollen nur die Gleise unter die Erde gelegt werden.
»Der Neumarkt als zentraler Platz soll schöner werden.«
Dazu muss aber nicht die Straßenbahn unter die Erde, es müssen die Autos raus, im ersten Schritt durch Sperrung des Durchgangsverkehrs von 40 Prozent. Dann kann die Nordseite des Neumarkts an Fußgängerzone und Apostel-Viertel angebunden werden.
»Eine Großstadt braucht eine U-Bahn.«
Köln hat überhaupt keine U-Bahn, kein geschlossenes Metrosystem. Köln hat eine Straßenbahn, die streckenweise unter Pflaster fährt. Wenn die Stadtbahn nach dem Tunnel nach oben kommt, steht sie wieder mitten im Straßenverkehr. Darum stimmt es auch nicht, dass ein Tunnel die Störungen beheben würde.
Die unterirdische Verkehrsführung von Stadtbahnen ist ein autozentriertes Konzept aus der Vergangenheit. In Frankreich haben in den letzten 15 Jahren 26 Großstädte die Straßenbahn wiederentdeckt und ausgebaut – z.B. Straßburg und Montpellier, sehr zum Nutzen für die Fahrgäste und zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität in den Innenstädten.
»Unterirdisch kommt man schneller vorwärts.«
Offiziell wird die eingesparte Fahrtzeit durch den Tunnel mit 3 bis 4 Minuten angegeben. Doch in den Genuss dieser wenigen Minuten kommen nur Fahrgäste, die über die Innenstadt hinausfahren. Wenn man in der City aus- und einsteigt, wie die meisten Fahrgäste, muss man die Strecke bis in die vierte Tiefebene überwinden, sodass die echte Reisezeit nicht kürzer, sondern eher länger ist. Funktionierende Rolltreppen und Fahrstühle sind in Köln zudem oft nicht gegeben – ein Alptraum für gehbehinderte Menschen, Menschen mit Gepäck, Rollator, Kinderwagen.
Die KVB ist momentan vielfach nicht einmal in der Lage, zuverlässig einen 10- oder 20-Minuten-Takt einzuhalten. Umstieg vom Auto auf den ÖPNV findet aber nur statt bei zuverlässigen und gut getakteten Verbindungen.
»Es gibt weniger Kreuzungsverkehre.«
Weniger Querungsverkehr kann auch durch die Reduzierung des Autoverkehrs und des Parkraums in den Straßen erreicht werden. Straßenbündige Haltestellen mit grünen Gleisen sind leicht zu queren und bilden auch stadträumlich keine Blockaden.
Stadtbahnen müssen in dem kurzen Innenstadtabschnitt langsamer fahren, ein Miteinander von Bahn-, Rad- und Fußverkehr ist möglich, wie man in vielen anderen Städten sieht: Freiburg, Augsburg, Zürich.
Viel zu wenig Gewicht wird den Treibhausgasemissionen beigemessen. Für den Bau des Tunnels gibt die Verwaltung 283000 Tonnen CO2-Emissionen an. Das Umweltbundesamt stellt fest, das die Kosten pro Tonne eigentlich mit 791 Euro angesetzt werden müssten (in den bundesweiten Richtlinien zur Nutzen-Kosten-Untersuchung werden sie aber nur mit 145 Euro pro Tonne angesetzt).
Köln hat den Klimanotstand ausgerufen und will bis 2035 klimaneutral sein. Die Emissionen fallen bei der Zement- und Stahlproduktion vor und während der Bauzeit an, sie erstrecken sich nicht umgerechnet auf hundert Jahre Lebenszyklus eines Tunnels. Damit würden die Klimaziele gerissen.
Wenn der Ost-West-Tunnel kommt, wird es in Köln kein Verkehrswende geben. Denn der Tunnel wird ungeheure Ressourcen binden: Steuergelder aus dem städtischen Haushalt und Fördermittel, und natürlich ohnehin knappes Fachpersonal.
Deswegen kämpft das Bündnis Verkehrswende Köln dagegen und wird eine Petition »Oben bleiben« für den oberirdischen Ausbau der KVB starten. Das ist viel preiswerter, geht viel schneller, und ist ökologischer. Ein Kilometer U-Bahn kostet das Zehnfache im Vergleich zu einem Kilometer Straßenbahn.
Die Alternativen liegen auf dem Tisch
Gute Vorschläge für die oberirdische Ertüchtigung der Ost-West-Achse liegen auf dem Tisch, z.B. für die beiden Nadelöhrhaltestellen Heumarkt und Neumarkt: sie können mit versetzten Haltestellen pro Richtung so umgebaut werden, dass eine höhere Abfertigungskapazität und damit eine Taktverdichtung möglich wird.
Zur Entlastung der Ost-West-Achse muss die KVB generell oberirdisch ausgebaut werden. Seit Beginn der unseligen Nord-Süd-Tunnelbahn vor zwei Jahrzehnten sind oberirdisch nur ganze 3,5 Schienenkilometer hinzugekommen. Wir brauchen mehr Querungen über den Rhein durch Umweltbrücken (nur für ÖPNV, Rad- und Fußverkehr). Wichtige Streckenabschnitte im Stadtbahnnetz fehlen, diese Lücken sind zu schließen. Vororte sind oft nur mit dem Bus angebunden. Viele Umstiege finden deswegen in der City statt und belasten die Ost-West-Achse, weil das Liniennetz sternförmig auf die Mitte ausgerichtet ist. Die KVB muss vielmehr netzförmig ausgebaut werden.
Wir kämpfen für neue Strecken in der Fläche und bessere Taktzeiten, statt für etwas mehr Tempo.
https://verkehrswende.koeln/
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