Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 07/2024

Den Angelpunkt finden
von Angela Klein

Die Europawahl 2024 bringt hinsichtlich der Entwicklung der extremen Rechten, in Deutschland der AfD, nichts an den Tag, was wir nicht schon wüssten:
Die AfD überzeugt nicht durch ihre politische Arbeit, man kann sie deshalb auch nicht an Hand dieser »entzaubern«. Zwar ist die Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit der Politik der Ampel hoch, aber das ist nicht der Hauptgrund für die Wahlerfolge der AfD.

Denn die AfD ist keine Protestpartei mehr. Drei Viertel der AfD-Anhänger bekunden, dass die Partei ihren eigenen politischen Grundvorstellungen nahe oder sehr nahe steht. Sie erwarten von der AfD nicht, dass sie irgendwelche Probleme löst.
Es ist eine Grundhaltung, die in der Wahl der AfD zum Ausdruck kommt, jenseits des konjunkturellen Politikgeschehens, gewissermaßen unbeeindruckt von diesem. Auch da muss man nicht lange suchen, es wird vor allem von zwei Momenten geprägt:
Erstens Abstiegsängste: die Sorge, den eigenen Lebensstandard nicht mehr halten zu können, Sorge um die Altersversorgung, um die Zukunft der Kinder. Dabei geht es weniger um reale Erfahrungen, sondern um die Angst vor Verlusten.
Zweitens, und damit zusammenhängend: die Ablehnung der Zuwanderung: Fast alle, die AfD wählen, stehen Zugewanderten sehr negativ gegenüber. Es ist derselbe Reflex, den wir aus der Lohnkonkurrenz kennen, er besagt: Wenn die Ausländer draußen bleiben, könnte es für die Deutschen reichen.
Eine Milchmädchenrechnung, das ist zigmal vorgerechnet worden. Offenkundig aber greifen Vernunftargumente auf dieser Ebene nicht. Können sie auch nicht, sie nehmen den Menschen ja nicht die Angst vor der Zukunft. Und die wächst mit jeder neuen Krise, die die kapitalistische Wirtschaftsweise produziert. Je mehr sich die Krisen multiplizieren, desto mehr klammern sich Menschen an einfache Antworten, selbst dann wenn sie ahnen, dass sie nicht die Lösung sind.
Wer das als Rassismus abtut, auf den man nur ordentlich dreinschlagen muss, damit er verschwindet, greift zu kurz. Natürlich ist es das auch, das darf uns in einer fundamental von Konkurrenz geprägten Gesellschaft nicht wundern. Es ist aber auch, und das ist für Linke wichtiger, ein Reflex auf die Systemkrise des Kapitalismus. Der begegnet man nicht mit Teilschritten. Man muss den Punkt benennen, von dem aus das System aus den Angeln zu heben ist, damit die Krisen aufhören. Und das ist sein Zwang zur Kapitalakkumulation: Dass ein uferloser Wachstumszwang in einer endlichen Welt irgendwas in die Katastrophe führen muss, leuchtet unmittelbar ein. Angst aber lässt sich überwinden: durch Eigenaktivität in einem kollektiven, solidarischen Rahmen.

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