Grünanlagen, Grünanklagen
An den Rand notiert
von Rolf Euler
Diese langen hellen Sommerabende mit dem Fahrrad durch die Felder, die Gerste wird schon langsam gelb, der Roggen steht hoch, die Linden blühen und duften, und bis abends um halb elf singen die Vögel in den Gärten. In der Dämmerung Fledermäuse auf der Jagd nach den wenigen Mücken in diesen trockenen Wochen. Ja, das Ruhrgebiet ist «grüner geworden».
Ja, in den Städten gibt es grüne Oasen zwischen SUV-Stellplätzen, Straßenfluchten, Marktplätzen und Schottergärten. Ja, die Schwerindustrie ist fast völlig aus dem Blickfeld verschwunden, verschwunden die Arbeitsplätze, betoniert die Brachen. Aber dann: In der Abendstille und durch die Vogelstimmen das stetige Lärmen der fernen Autobahn. Im Kopf das Rumoren der Krisen unserer Tage, das nicht aufhören kann. Du könntest dich verlieren im Schönen, aber du kannst nicht vergessen, was der Krieg und die Klimakrise woanders anrichten. Und nicht vergessen: Diese Krisen werden hier mit erzeugt.
Vor fünfzig Jahren erschien das berühmte Buch Die Grenzen des Wachstums mit dem einfachen und klaren Hinweis, dass auf einer endlichen Erde kein ewiges Wachstum des materiellen Outputs möglich ist. 50 vertane Jahre? Im Jahr 2021 wurde der höchste Jahresausstoß an CO2 gemessen. Im Ruhrgebiet sind ehemalige Zechen zu Museen, Freizeiteinrichtungen, Spielorten, Brachen mutiert. Daneben wird heftig betoniert, Landschaft besiedelt, Gewerbegebiete ausgewiesen, Wohngebiete vor die Vorstädte gebaut. Allein der Autobahnerweiterungsbau frisst hektarweise Grünfläche. Die A43 von Münster nach Wuppertal wird zwischen Marl und Bochum-Witten sechsspurig ausgebaut. Ganze Waldgebiete am Rand verschwinden zugunsten meterhoher Lärmschutzwände. Eine Wiegeeinrichtung mit Schranken verhindert, dass schwere Laster über die marode Emscherbrücke fahren. Hunderte Millionen werden hier in den Autoverkehr investiert. Neben und auf alten Industriegebieten wachsen die Logistikhallen in die Breite und in die Höhe – Lastwagenverkehr inklusive. Die Forderung, den Personennahverkehr im Revier auf einen mit anderen «Metropolen» wie vielleicht Hamburg vergleichbaren Stand zu bringen, verhallen seit Jahren. Dafür dürfen die A40 rund um Bochum und die A57 von Marl über Gladbeck – mit Tunnellösung – nach Essen neu gebaut werden.
Eine große, landwirtschaftlich genutzte Grünlandschaft im Norden des Reviers, die Dortmunder Rieselfelder, soll seit Jahrzehnten der Ansiedlung neuer Industrien weichen. Hier sollte schon ein Atomkraftwerk, eine Autofabrik oder eine «New-Park» genannte Sonderwirtschaftszone errichtet werden. Noch fahren die Trecker, noch wandern die Störche ein, noch grünen die Wiesen, aber weder Rot-Grün noch Schwarz-Grün, weder große noch kleine Koalitionen in Düsseldorf oder im Ruhrparlament haben bisher dieses Umweltvergehen eingestellt und den Mahnungen von 1972, 1992, 2015 Rechnung tragen wollen.
Sorgen ums Klima? Wieso, das Ruhrgebiet ist doch so grün geworden…
Bezahlbarer Wohnraum statt A100
In Berlin machen Mieter:innen und Clubs gegen den Ausbau der Autobahn mobil
von Peter Nowak
«A100 – holen wir uns die Stadt zurück», heißt es auf der Homepage des Berliner Landesverbands der Grünen. Damit protestieren sie gegen die Ankündigung der Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, Daniela Kluckert, Gelder für die Weiterführung des Stadtrings A100 vom Treptower Park bis zur Storkower Straße in Prenzlauer Berg freizugeben.
weiterlesenLobautunnel
Zäher Widerstand gegen Straßenprojekt in Wien
von Paul Stern
Nach mehrmonatigem Stillstand räumte die Polizei am 1.Februar 2022 eine von zwei besetzten Baustellen des Bauvorhabens Stadtstraße (Budgetansatz 460 Millionen Euro). Was euphemistisch Stadtstraße genannt wird, ist eine teils untertunnelte, vierspurige Autobahn. Sie ist 3,3 km lang und führt durch fruchtbares Ackerland.
weiterlesenMobilitätswende statt CARpitalism
Wie weiter mit der Bewegung?
von Moritz Binzer
Mit etwa 800 Kilometern neuer Autobahn in Deutschland soll in den nächsten Jahren der Individualverkehr weiter gefördert werden. Die Besetzung im Dannenröder Wald lässt auf mehr Widerstand hoffen.
Autobahnbau stop!
Für einen «Mietendeckel der Mobilität»
von Sabine Leidig
Der Straßenbau in Deutschland ist das Ergebnis fossiler Planwirtschaft und hat wachsende Verkehrsströme zu Folge. Ohne Rebellion werden die Weichen nicht umgestellt.
Dannenröder Wald
Eine Delle für die Autogesellschaft
von Moritz Binzer*
Die Baumhäuser im Dannenröder Wald gegen den Ausbau der A49 wurden geräumt. Aber die Besetzung war nur der Anfang, denn der Kampf gegen das Modell des fossilen Individualverkehrs nimmt gerade erst Fahrt auf.
weiterlesenWald statt Asphalt
Der Widerstand im Dannenröder Wald ist ein Fixpunkt im Kampf um gerechte Mobilität
von Ina Schaf, Hazel Rahn*
Das Jahr 2020 stellte auch die Klimagerechtigkeitsbewegung bisher vor gewaltige Herausforderungen. Für ihre drängenden Anliegen musste bei zum Teil stark eingeschränkten Aktionsmöglichkeiten medialer Raum gänzlich neu erkämpft werden.
weiterlesenDer A1-Mobil-Skandal
Warum ein vollständiges Verbot Öffentlich-Privater Partnerschaften (ÖPPs) nötig ist
von David Stein
Das Konsortium A1 Mobil bewirtschaftet einen 72,5 Kilometer langen, mautpflichtigen Streckenabschnitt der Autobahn zwischen Hamburg und Bremen (Hansalinie). Am 21.August dieses Jahres wurde bekannt, dass A1 Mobil die Bundesrepublik Deutschland auf 645 Millionen Euro verklagt. weiterlesen
Sozialäquator Autobahn
Armutsgrenze A40
von Rolf Euler
Die Autobahn A40, die frühere Bundesstraße B1, durchschneidet das Ruhrgebiet von West nach Ost. Und sie zerschneidet die Stadt Essen in einen Süd- und einen Nordteil. Die A40 gilt als überlastet, laut und störend. In Essen verläuft sie aus diesem Grund teilweise in einem Tunnel unter der Stadtmitte. Und sie verläuft – nicht nur in Essen – als «Sozialäquator» durchs Revier: im Norden die Armen, im Süden die Reichen. weiterlesen